Die Groko-Freunde sind erleichtert. Es ist gut gegangen, zwei Drittel der SPD-Mitglieder haben für eine erneute Regierungsbeteiligung gestimmt, ein Drittel lehnte eine Fortsetzung der Koalition mit der CDU und der CSU ab. Ein klares Ergebnis, manch einer sah den Ausgang des Votums offen, nicht wenige befürchteten ein Nein der Genossen. Also wird die SPD, wie das der amtierende Vorsitzende Olaf Scholz unmittelbar nach Bekanntgabe der Zahlen mitteilte, in die Regierung mit einer CDU-Kanzlerin Angela Merkel und einem Bundesminister, CSU-Chef Horst Seehofer, der bald das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten an Markus Söder abgibt, eintreten. Und dennoch: Ein Weiter-So soll es nicht geben, darf es nicht geben, sonst ist die Existenz der ältesten deutschen Partei hochgradig gefährdet.
Ich gebe zu, auch ich war gegen eine Neuauflage der GroKo, mir wäre eine Minderheitsregierung lieber gewesen mit einer starken SPD in der Opposition. Aber diese Debatte muss man nicht noch einmal führen. Die Sache hat sich erledigt. Die Mitglieder der SPD haben es entschieden. Sie haben mit 78,39 Prozent eine hohe Wahlbeteiligung erzielt, was für das Interesse der Mitglieder für die Politik spricht. Von 463722 stimmberechtigten Sozialdemokraten haben 239604 mit Ja votiert, aber immerhin 123329 Genossen mit Nein. Die Zahlen verdeutlichen den Konflikt, in dem die SPD-Basis sich befand und wohl weiter befindet. Die Gegner der GroKo müssen von der Parteiführung beachtet, sie müssen in den nun beginnenden Prozess einbezogen werden. Es ist kein Grund für zu lauten Jubel, für irgendein Siegesgeschrei, Gewinner und Verlierer müssen sich mit Respekt gegenübertreten und einander achten. Damit aus der Zerrissenheit der SPD keine Spaltung wird, damit man wieder zueinander findet, zu einer Partei, die um die Zukunft ringt und dann geschlossen auftritt.
Den Menschen zuhören
Die Diskussion, der sich die SPD-Führung stellte und bei der sie die Meinung ihrer Mitglieder einholte, war beachtlich. Selten wohl ist so offen und öffentlich über Inhalte gesprochen und gestritten worden. Wenn innerparteiliche Demokratie so aussieht, muss einem um die Zukunft der Volkspartei SPD nicht bange werden. Daran sollte man anknüpfen, dass man sich des öfteren wieder zusammensetzt und sich zuhört, um zu erfahren, wo den Leuten der Schuh drückt. Man muss zu den Menschen gehen, auch wenn das nicht nur Momente der Freude werden, weil man sich Dinge anhören muss, die auch wehtun.
Aus den Erfahrungen der NRW-SPD bei den zurückliegenden Wahlkämpfen im Ruhrgebiet müssen Lehren gezogen werden. Die Erfolge der Rechtspopulisten und Vereinfacher von der AfD kamen nicht von ungefähr. Viele Menschen in Gelsenkirchen, Essen und Duisburg waren und sind unzufrieden mit der Lage, sie sind zunehmend verunsichert, machen sich Sorgen über ihren Job, haben Angst ihre Arbeit zu verlieren, andere wissen nicht, wie sie die hohen Mieten bezahlen sollen. Diese Menschen darf man nicht allein lassen mit ihren Problemen und man darf sie nicht überfordern, wie das geschehen ist im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise.
Juso-Chef will Regierung auf die Finger schauen
Juso-Chef Kevin Kühnert reagierte enttäuscht auf den Ausgang der Abstimmung, aber er hat betont, dass man kein schlechter Verlierer sein will, sondern als echter Demokrat einen Mehrheit-Entscheid akzeptieren will. Das heißt natürlich nicht, dass er zu allem Ja und Amen sagen wird, er soll sich einmischen in die künftigen Debatten. Kühnert will der Regierung, der einen wie der anderen Seite, auf die Finger schauen. Er hofft, dass die Unterlegenen in der SPD bleiben werden. Das wird nicht in jedem Fall gelingen, ich weiß schon aus meinem Umfeld von bevorstehenden Partei-Austritten. Andererseits sollte die SPD den Schwung der letzten Monate nutzen, der dazu führte, dass Tausende Bundesbürger in die Partei eintraten. Das ist ein Anfang, der zeigt, das Interesse vieler Bürger an der Politik ist da, man muss es nutzen, den Menschen die Politik erklären. Ihnen sagen, dass diese Politik immer wieder aus Kompromissen besteht, weil man eben nicht allein ist auf dieser Welt, das gilt für die SPD, aber auch die CDU und die CSU.
Die SPD muss aber auch dann regieren und nicht wieder zu oft lamentieren. Dass sie kantiger werden muss, hat der niedersächsische Regierungschef Stefan Weil vor Tagen gefordert, heißt zugleich, sie darf nicht zu bequem sein in der Koalition. Der Streit um die Sache, die Inhalte muss geführt werden, Streit, aber nicht Krawall. In wenigen Tagen wird Angela Merkel mit den Stimmen der SPD erneut zur Kanzlerin der Bundesrepublik gewählt werden. Seit 2005 regiert die CDU-Chefin, mit wechselndem Erfolg zugegeben, aber den Respekt auch der politischen Gegner hat sie sich verdient. Nicht umsonst ist sie anerkannt in der Welt, nicht umsonst steht sie an der Spitze des wichtigsten Landes in der EU. Die SPD muss kantiger werden, ihre Positionen deutlich machen in der Öffentlichkeit, damit klar ist, wofür sie steht. Aber sie darf nicht eine Art Opposition in der Regierung sein. Und sie sollte sich verabschieden von der Legende, Merkel sei am Absturz der SPD schuld. Das sind die Genossen schon selber gewesen mit ihrem Hang zum Untergang. Für viele von ihnen ist die Tasse halbleer, dabei ist sie halbvoll.
Mit oder ohne Sigmar Gabriel
Olaf Scholz ist gesetzt in der neuen Regierung, wohl als Bundesfinanzminister, auch Heiko Maas wird wohl wieder auf der Regierungsbank Platz nehmen, kann sein als Justizminister. Ob Sigmar Gabriel wie gehabt das Außenamt leitet? Manches spricht dafür, wenngleich der Mann oft genug Ärger ausgelöst und selbst die wenigen verbliebenen Parteifreunde vor den Kopf gestoßen hat. Aber Gabriel kann Politik, er ist der beliebteste SPD-Politiker im Land. Seine Zukunft liegt in den Händen von Andrea Nahles, der stärksten Frau der SPD. Die Fraktionschefin, die ja aus guten Gründen nicht in die Regierung geht, wird in wenigen Wochen von einem Parteitag auch zur Parteivorsitzenden gewählt werden, sie steht dann in der Nachfolge des Großen Willy Brandt. Der ausgehandelte Koalitions-Vertrag trage, so Experten, zu 70 Prozent die Handschrift der SPD. Andrea Nahles wird darauf zu achten haben, dass die Partei bei allem Regieren nicht zu kurz kommt. Und ihr ist wohl am ehesten zuzutrauen, dass die Gegner der GroKo, immerhin ein Drittel der Partei, wieder eingefangen werden.
Es ist viel zu tun, nicht nur für die SPD-Riege in der künftigen Regierung. Nach gut fünf Monaten des Wartens, des Sondierens, des Verhandelns und des Abstimmens ist es wahrlich an der Zeit, dass regiert wird. Also fangt bitte möglichst schnell damit an.
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