Hans Block und Moritz Riesewieck haben mit „The Cleaners“ eine beeindruckende Dokumentation vorgelegt, fast schon im Stil eines Film noirs, über die mehr oder weniger hilflosen und wenig ernst gemeinten Versuche von Facebook, Google, Youtube & Co, extremistische, pornografische, rassistische und andere strafrelevante Inhalte zu „filtern“.
Erstmals berichten in diesem Film „Content-Moderatoren“, die „Cleaners“, über ihren Arbeitsalltag in „Lösch-Farmen“ in Manila, die für Facebook und Google und andere Social Media versuchen, den digitalen „Dreck“ wegzuschaffen. Vor allem Facebook mit über 10.000 Mitarbeitern (bis Ende 2018 sollen es 20.000 werden) hat mit diesen – meist von Subunternehmen betriebene – „Farmen“ ein prekäres Ausbeutungssystem geschaffen, dass die Beschäftigten materiell ausnutzt und moralisch wie auch psychisch misshandelt.
„The Cleaners“ legt offen, wie mit fraglichen Mitteln und Methoden ein digitales Feigenblatt für Politik und Öffentlichkeit geschaffen werden soll. Der inszenierte „User-Schutz“ soll ablenken von der wachsenden sozialen und politischen Bedeutung der Social Media und ihrer Schaffung von Meinungsnischen und Echokammern, die den Usern nur noch das an Inhalten bieten, was ihre vorhanden Einstellungen und Meinungen bestätigt.
Nicht alles, was in den Social Media veröffentlicht wird, bleibt auch. Im Hintergrund arbeiten „Robots“, automatisierte Routinen, die über die Einhaltung intransparenter Regeln „zum Schutz der User“ wachen. Und eben die Content-Moderatoren, meist in Großraumbüros, schlecht bezahlt, schlecht ausgebildet und hoffnungslos überfordert, wenn sie in Sekundenschnelle und teilweise sogar in Bruchteilen von Sekunden entscheiden sollen, ob etwas gegen Regeln von Google, Facebook und Co. verstößt oder nicht. Die „Cleaner“ leisten eine Sisyphusarbeit. Jede Minute werden bei Facebook 2,5 Millionen Posts, Bilder und Videos hochgeladen. Selbst wenn die Angaben über die Zahl der Mitarbeiter von Facebook stimmen, so ist es nicht vorstellbar, dass die offenkundig problematischen Inhalte – geschweige denn alle – angemessen und an den Interessen der Nutzer orientiert gesichtet, bewertet und begründet entfernt werden können. Einfache Mittel wie „Vier-Augen-Prinzip“ oder andere qualitätssichernde Maßnahmen: Offenbar Fehlanzeige. Facebook & Co werden an der Börse bewertet und nicht an moralischen Maßstäben. Zumindest so lange, wie die Politik den wuchernden Auswüchsen dieser Plattformen kaum Einhalt gebietet.
Der Film ist eine Dokumentation im besten Sinne. Er lässt die Menschen zu Wort kommen, die die „Drecksarbeit“ erledigen. Aber auch die Vertreter von Facebook &Co sind zu hören. Leider nur indirekt, da sich Facebook und Co. offenbar dem direkten Gespräch mit den Filmautoren verweigerten. Aber immerhin sieht und hört man Verantwortliche der digitalen „Giganten“ bei Anhörungen im amerikanischen Parlament. Dazu äußern sich im Film auch verschiedene Experten. Der Film indoktriniert nicht, das Urteil überlässt er weitestgehend dem Zuschauer. Die besondere Wirkung entfaltet der Film durch die Aussagen der Content-Moderatoren. Das deckt schonungslos auf, dass Facebook und Co von Programmierern, Technik-Freaks und Finanzprofis getrieben wird und die User, die Menschen, nur im Hinblick auf die materielle Verwertbarkeit ihrer Interaktionen und Postings zählen.
Mark Zuckerberg kommt im Film das Schlusswort zu: In einem seiner bis ins kleinste durch gestylten Auftritten doziert er: „Es braucht Mut, um die Hoffnung der Angst vorzuziehen. Um zu sagen, dass wir etwas Besseres schaffen können, als es je gab. Man muss optimistisch sein, wenn man die Welt verändern will. Wir tun es mit jeder weiteren Verbindung. Mit jeder Innovation. Tag für Tag für Tag.“
Entlarvender kann man kaum deutlich machen, dass sich Mark Zuckerbergs als Heilsbringer versteht. Er, Facebook & Co. , so seine feste Überzeugung, machen die Welt besser! Eine Anmaßung, eine Überhöhung und eine fundamentale Fehleinschätzung. Wer Menschen ausbeutet, Persönlichkeitsrechte mit Füßen tritt, wie der aktuelle Datenskandal belegt, und sich anmaßt, aus kommerziellen Erwägungen einerseits demokratische Wahlen wie die Präsidentschaftswahl in den USA oder auch die Abstimmung über den Brexit zu beeinflussen, aber andererseits den Diktatoren bereitwillig nahezu jedwede gewünschte Zensur andient, der hat alle moralischen Maßstäbe verloren. Der ordnet die Demokratie dem Kommerz unter.
Eine philippinische „Content-Moderatorin“ definiert nahezu am Ende des Films ihre Selbstverständnis ihrer schwierigen Aufgabe: „Wir müssen verhindern, dass sich die Sünde in den sozialen Netzwerken ausbreitet. Aber es läuft was schief….“
Der Film entlarvt die verborgene , outgesourcte „Reinigungs-Industrie“ der großen Social Media Kanäle und Suchmaschinen. Das macht den Zuschauer nahezu sprachlos und straft die vollmundigen Erklärungen der Vertreter von Facebook &Co. bei den öffentlichen Anhörungen und Befragungen durch die politischen Institutionen Lügen. Der User, seine Rechte und gesellschaftliche wie demokratische Werte spielen kaum eine Rolle. Nur Technik und die Gier nach Geld sind die wahren Treiber. Die aktuelle Anhörung Zuckerbergs vor dem EU-Parlament hat das gerade erschreckend belegt. Der digitale Gigant aus dem Silikon Valley diktiert die Rahmenbedingungen, nicht die Politik. Demokratie hat im Geschäftsmodell von Facebook keine Bedeutung. Und solange die Neuland-Generation die Politik dominiert, können Facebook und Co. im Grunde machen, was sie wollen.
Was der Film nicht thematisiert: Aus Usersicht ist eine Kommunikation mit Facebook, Google & Co.so gut wie unmöglich ist. Antworten sind selten zielführend, geschweige denn problemlösend.
Die Politik hat bislang kaum Kontrollmaßnahmen ergriffen. Sie schaut dem „Treiben“ nahezu passiv zu. Neuland eben. Immer noch.
Kein Wunder, dass gerade Facebook, der lange Zeit wichtigste Social Media Kanal, zum zentralen Marktplatz für Kriminalität, Terror und Sexbusiness geworden ist. Und: Facebook ist die schärfste Waffe beim Mobbing. Betroffene haben kaum eine Chance, sich dagegen zu wehren. Die „Content-Moderatoren“ sitzen im fernen Osten und verstehen, wenn überhaupt nur Englisch und ihre Landessprache. Aber im Grunde zählen ohnehin nur Bilder. Für Facebook ist die Zensur von Brustwarzen weitaus wichtiger als die Eindämmung rassistischer, extremistischer oder die Persönlichkeitsrechte verletzender Inhalte. Von daher findet man bei Facebook immer noch mehr Hassbotschaften und Nazisymbole als Brüste.
„The Cleaners“, ein absolut empfehlenswerter Film. Er sollte Pflichtprogramm in allen Schulen werden! Und für alle Politiker!
FSK ab 16; 88 Min; gebruederbeetz Filmproduktion, ab dem 17. Mai im Kino.
http://www.filmstarts.de/kritiken/261052.html
http://farbfilm-verleih.de/filme/thecleaners/
http://www.entertainmentkombinat.de
Bildquelle: Screenshot Trailer „The Cleaners“