Faust und die SPD

Ich probier´s trotzdem, den Faust zu zitieren, obgleich der demnächst aus der Unterrichtslektüre fliegen soll (vielleicht ist er es schon), was nicht geschähe, wenn er ein Indigener gewesen wäre, er also Minderheitenschutz für sich hätte reklamieren können. Mephistopheles:
„Ich sag es dir: ein Kerl, der spekuliert,
Ist wie ein Tier, auf dürrer Heide
Von einem bösen Geist im Kreis herum
geführt,…“

An diese Zeilen wurde ich erinnert, nachdem ich diverse Kommentare darüber gelesen hatte, dass Saskia Esken und Norbert Walter- Borjans eine SPD-interne Abstimmung gewonnen haben. Wir alle sind uns hoffentlich darüber einig, dass die beiden Genannten bezogen auf die Mitgliederzahl der Sozialdemokratie ein Viertel auf sich vereinten. Okay? Wir sind uns weiter sicherlich einig, dass knapp zwei Viertel nicht gewählt haben. Okay?

Einig kann man sich auch darüber sein, dass dies nach den wochenlangen Debatten über Sinn und Unsinn des Wahl-Prozedere ein recht mageres Resultat ist, das sich nicht durch Walter- Borjans etwas brummeligen Hinweis, das sei normal, vergolden lässt. Also raus aus der dürren Heide und weg von den gefräßigen wilden Tieren, zurück ins Bewohnte, wo die Lampen nachts brennen und tagsüber Coffee to go zu haben ist. Okay?

Ziel der SPD muss es sein, endlich aus den 15-Prozent heraus und sicher über die zwanzig zu kommen.

Ziel von CDU und CSU ist es, sicher über die dreißig Prozent zu kommen, sodass sie wieder und erneut in eine Position gelangen, aus der sie sich Partner aussuchen können.

Ziel der Grünen ist es, ihre jetzt vorhandenen und keineswegs ad ultimo sicheren 18 bis 20 oder 22 Prozent in Regierungsbeteiligung umzumünzen. So rasch wie möglich.
Und Ziel der AfD ist es, Teile der CDU anzustoßen, um sie in ihre, die AfD-Richtung zu bugsieren.

Sollte die Zuneigung der grünen Führungsleute zur SPD wider Erwarten größer sein als die Chance, real etwas hin zu kriegen mit der CDU/CSU, dann würde sich nach heutigem Stand wenig für die SPD mit Eskens/Walter-Borjans an der Spitze ändern: Die SPD wäre auch da Juniorpartner.
Zudem müsste sich die SPD in einer Koalition der wadenbiss-freudigen Linken erwehren. Das haben die nämlich über viele Jahre trainiert! Und das sind andere Kaliber als verwöhnte Juso- Häuptlinge beziehungsweise Juso- Stammesmütter.
Dann wiederum würde eine durchaus despektierliche Ahnung in Erfüllung gehen, die in der Sprache meiner Heimat lautet: „Doof jeboore un nüs dazu jeliert.“

Also: was hat sich geändert? Ist die SPD dem erwähnten Ziel näher gekommen? Wurde die CDU/CSU geschwächt? Hat Herr Habeck sein Köpflein bei Frau Esken angelehnt? Herr Lindner war wenigstens nach eigenen Angaben „baff“. Und von Kevin Kühnert über Saskia Esken bis Oskar Lafontaine reden plötzlich alle darüber, dass man aus der „neoliberalen Pampa“ hinaus müsse.
Es scheint sich nicht viel geändert zu haben. Komm „Mepho“, erzähl noch mal die Story von der dürren Heide.

Bildquelle: Pixabay, Bild von Vlaro dot Net, Pixabay License

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Über  

Redakteur 1972 und bis 89 in wechselnden Redakteursaufgaben. 90 bis 99 wiss. Mitarbeiter der SPD-Bundestagsfraktion, Büroleiter Dreßler, 2000 Sprecher Bundesarbeitsministerium, dann des Bundesgesundheitsministeriums, stellv. Regierungssprecher; heute: Publizist, Krimiautor, Lese-Pate.


'Faust und die SPD' hat einen Kommentar

  1. 7. Dezember 2019 @ 07:34 Kai Ruhsert

    „Also: was hat sich geändert?“ fragt Klaus Vater wieder einmal vollkommen verständnislos.
    Hätte sich mit dieser Wahl wirklich nichts geändert, wäre es nicht zu den hysterischen Reaktionen der Medien gekommen, die vom Postillon so wunderbar persifliert wurden (Zitat):

    Politik und Medien geschockt: Sozialdemokraten an die Spitze der SPD gewählt
    „“Sozialdemokraten an der Spitze der SPD? Sowas gab’s seit 20 Jahren nicht mehr! Das ist ja der komplette Wahnsinn!“, schreibt etwa ein Korrespondent auf zeitbildtagesspiegelschauwelt.de und ergänzt. „Das wird der Untergang dieser stolzen Partei sein, die damals bei 40 Prozent stand und nach zwei Jahrzehnten Agenda-Politik und Neoliberalismus noch von 13 Prozent der Bevölkerung gewählt würde.“ … Experten befürchten, dass der Linksschwenk der SPD langfristig zu einem Abstieg wie dem der portugiesischen (Wahlergebnis: 36,34%) und spanischen (Wahlergebnis: 28%) Sozialdemokraten führen könnte, die derzeit beide mit linken Parteien koalieren. Auch ein grauenhaftes Schicksal wie das der britischen Labour-Partei, die bei der letzten Wahl 40% erreichten (aktuelle Umfragen: 33%), sei nicht auszuschließen.“
    Quelle: https://www.der-postillon.com/2019/12/walter-borjans-esken.html

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