Die Firma Volkswagen aus Wolfsburg hat eine Geschichte, die eng mit dem politischen Aufstieg des Nationalsozialismus verbunden ist. Jedem Deutschen seinen Volkswagen war das Versprechen, das die Nazis mit der Gründung des Konzerns verbanden. Das Werk in Wolfsburg wurde mit dem Vermögen der deutschen Gewerkschaften finanziert, das die Nazis nach deren Verbot beschlagnahmt hatten. Für die Wehrmacht sprang dabei noch ein Kübelwagen heraus, ein Fahrzeug vergleichbar mit dem Jeep der Amerikaner. Der Kübelwagen aus Wolfsburg begleitete die Wehrmacht auf ihren Feldzügen und Vernichtungskriegen in Europa und Afrika.
Volkswagen war Teil einer Wirtschaftspolitik der Nazis, der nach innen den Eindruck suggerieren sollte, dass die Weltkriegsorgie der Herrenmenschen folgenlos für die Versorgung der Zivilbevölkerung sein werde. So rollten auf den Autobahnen, dafür waren sie gebaut, die militärischen Kolonnen an die Front, und gleichberechtigt daneben der zivile Autoverkehr innerhalb des Reiches. Entsprechend stieg die Zahl der in Wolfsburg auch schon damals von italienischen Gastarbeitern produzierten typischen Volkswagen, vorne der kleine Kofferraum und der Motor hinten, im Heck untergebracht.
Als die Besitztümer der jüdischen Bevölkerung arisiert und als Raubgut an das Reich fielen und die Nazis planmäßig die europäischen Juden zu vernichten begannen, wurde die zivile Autoproduktion in Wolfsburg weitgehend auf Kriegsrüstung umgestellt. Nach Kriegsende wurde die Produktion wieder aufgenommen für den Bedarf der westlichen Besatzungsmächte. Ab 1948 nach der treuhänderischen Übergabe des Werkes an Heinrich Nordhof rollten die Bänder wieder und der Aufstieg von VW Wolfsburg zum weltgrößten Autobauer begann.
Man hätte erwarten können, dass die Erinnerung und Abkehr an die, wenn auch sehr spät erst wissenschaftlich aufgearbeitete Verknüpfung der Konzerngeschichte mit dem Nationalsozialismus auf immer Teil des unternehmerischen Ethos der jeweiligen Führung in Wolfsburg sein würde. Schon die kriminelle Energie war aber davon unberührt, mit der die Vorstandsetage jede Vorsicht vermissen ließ, als es darum ging, die eigenen Kunden und Käufer mit dem angeblich saubersten Dieselmotor zu betrügen. Eigens dafür wurde eine digitale Software entwickelt, die die notwendigen falschen Daten lieferte.
Nun stellt sich heraus, dass Volkswagen das Konto geschichtsvergessenen Handelns längst nicht erschöpft hat. Weder seine Gründung durch die Nazis, Hitler selbst legte den Grundstein für das Stammwerk in Wolfsburg, noch die betrügerische Software hatten das unternehmerische Ethos des Konzerns offenbar tief genug berührt. Auch nicht die Beschreibung der Zwangs- und Sklavenarbeit durch Historiker, zu denen kein geringerer gehörte als Hans Mommsen, der die Geschichte des Konzerns im Dritten Reich untersuchte. Eine gleiche seriöse Auseinandersetzung mit der Geschichte der Konzerntochter Audi im Dritten Reich dagegen scheiterte. Volkswagen trennte sich nach einer kritischen Besprechung einer 2014 von Audi beauftragten historischen Studie von seinem Chefhistoriker Professor Manfred Grieger, der die beschriebene Beziehung von Audi zur Nazi-Geschichte ein „Gefälligkeitsgutachten“ nannte und eine „unvoreingenommene Betrachtung“ der NS-Vergangenheit von Audi vermisste.
Damit nicht genug. Jetzt wurde auch noch bekannt, dass unter Führung von VW, mit BMW und Mercedes Gutachten angefordert und in Auftrag gegeben wurden, die klären sollten, ob Abgase des Diesels, dabei vornehmlich das Reizgas Stickstoffdioxid, für Menschen gefährlich seien. Es stellte sich heraus, dass Affen und Menschen solchen Tests ausgesetzt wurden. Nun stehen die dafür verantwortlichen Manager, insbesondere von VW vor den aufgehäuften Trümmern einer geschichtslosen Konzernpolitik, der offenbar jedes Mittel recht war, um den Konzern zum Welt-„Führer“ aller Autobauer zu machen.
Der Vorsitzende des Aufsichtsrats von VW forderte jetzt personelle Konsequenzen in der VW-Führung. Vor diesem Hintergrund zeigt sich wieder einmal, wie wenig Einfluss die Politik auf die Selbstherrlichkeit der Automobilkonzerne hat und wie nachlässig offenkundig der Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Dieselskandal gearbeitet hat. Auch die niedersächsische Landesregierung hätte jetzt die Pflicht, bei VW aufzuräumen und personelle Konsequenzen zu fordern und durchsetzen zu helfen. Dass gilt wohl auch für die Bereitschaft der Wissenschaft, mit einem scheinbar wissenschaftlich gestützten Beitrag zur Entlastung der Autokonzern beizutragen. Noch ist es Zeit, in den Koalitionsverhandlungen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Selbstherrlichkeit der Konzernchefs unterbunden und Verantwortungsethik in der Wirtschaft gegenüber der Gesellschaft kein Fremdwort bleibt. Die demokratische Machtfrage muss gestellt und beantwortet werden.
Bildquelle. Wikipedia, Bundesarchiv, Bild 183-H06734 / CC-BY-SA 3.0
VW damals und heute – Analogieschlüsse seien erlaubt. Siehe:
http://www.sidi-brahim.ch/sites/kater/kater108.html
Und die Musterfeststellungsklage wird vermutlich auch so lange verschleppt, bis sich die (zu erwartenden) Nutzungsentschädigungen für VW „lohnen“ …