Gut, dass die Ermittlungen um den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten an die Bundesanwaltschaft abgegeben werden. Mindestens wird dadurch sichergestellt, dass in der rechtsextremen Szene weiter ermittelt wird. Denn schon wieder waren die gleichen Töne der polizeilichen Ermittler wie beim NSU-Komplex zu hören, die im Freundeskreis des erschossenen Walter Lübcke den Täter glaubten suchen zu können, nicht aber im rechtsradikalen Milieu. Einen rechtsradikalen Hintergrund dieser Tat könne man getrost vergessen, hieß es da. Ein angeblich Verdächtiger aus dem Bekanntenkreis des Opfers musste schleunigst wieder auf freien Fuß gesetzt werden, bis eine DNA-Spur an der Kleidung des Toten genau in den rechtsextremen Bereich führte, den die Polizei als völlig irrelevant benannt hatte.
Wieder war die Familie Walter Lübckes von Polizeibeamten aufgefordert zu schweigen, statt haltlose Verdächtigungen über etwaige Täter vom rechtsextremen Rand zu äußern. Gut also, dass die hessische Polizei außen vor bleibt. Der Verdacht ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen, dass wir es mit einem Netz rechtsextremer deutscher Terroristen zu tun haben, die von rechten Hetzern im Netz bejubelt werden, und der Jubel Mordanschlägen gilt, wie die Messerattacken rechter Gewalttäter belegen: 2015 gegen die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker oder 2017 gegen den Altenaer Bürgermeister Andreas Hollstein und nun 2019 gegen den Kasseler Regierungspräsidenten. Der hatte sich für eine humane Flüchtlingspolitik stark gemacht, und erklärt, wer die Verfassung unseres Staates und Asyl und Religionsfreiheit ablehnt, dem stehe es frei, zu gehen.
Das hatte im Netz einen Shitstorm ausgelöst und die wiederholte Kritik des Bundespräsidenten Frank Walter Steinmeier an erbarmungslosen Hassmails im Netz gegen Walter Lübcke herausgefordert. Dagegen setzte sein Vorgänger Joachim Gauck fast zeitgleich öffentlich die Aufforderung, zu mehr Toleranz gegen Rechts fähig zu sein. Seine Motive dafür blieben im Dunkeln.
Da diese Forderung aber am Wochenende vor der Kommunalwahl in Görlitz publik wurde, an dem der Kandidat der AfD mindestens nicht chancenlos war, erstmals den Bürgermeister zu stellen, lässt sich spekulieren, was ihn dazu angetrieben haben könnte. Immer wieder werden ja in der CDU Sachsens Stimmen laut, die eine Koalition mit der AfD nicht ausschließen. Gauck jedenfalls hätte wissen können, dass seine Äußerungen der Führung der AfD sicher gefallen haben wird, und erst recht vor den bevorstehenden drei Landtagswahlen im Osten, bei der offenbar die CDU befürchten muss, überrundet zu werden.
Kassel, Köln und Altena, das Staatsversagen im NSU-Komplex und die mehr als 10.000 gewaltbereiten Rechtsextremisten, die der Verfassungsschutz in der rechten Gewaltszene ausmacht, zeigen, wo der Rechtsstaat gefordert ist, und dabei ist es nicht ermutigend, dass allein in Hessen 38 Ermittlungsverfahren gegen Polizisten wegen rechtsextremistischer Umtriebe laufen, und sich zunehmend rechtsextreme Freiwillige bei der Bundeswehr bewerben und an der Waffe ausgebildet werden. Der Feind unserer demokratischen Verfassung steht entgegen der Vorstellung manches Beamten des Verfassungsschutzes eben nicht links, nur weil er auf dem rechten Auge blind ist.
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Danke für diesen tollen Blog. Macht weiter so.