Die USA erleben den Triumph des Unanständigen. Mit der Mehrheit im Obersten Gericht bauen die Konservativen ihre Machtposition aus. Der gesellschaftliche Fortschritt des Landes liegt in den Händen der neun Richter. Es wird nun Rückschritt sein. Der Supreme Court hat bei grundsätzlichen Entscheidungen das letzte Wort, und mit dem Neunten im Bunde sind die Weichen auf Jahre hinaus gestellt.
Brett Kavanaugh, 53, erzkonservativ, Richter auf Lebenszeit. Mit denkbar knapper Mehrheit bestätigte ihn der Senat, mit ungewöhnlicher Eile nahm ihm der Vorsitzende Richter John Roberts den Amtseid ab, und viele Amerikaner fragen sich, was der Schwur eines unehrenhaften Mannes wert ist. Das Tauziehen um seine Ernennung hat den Riss bloßgelegt, der die Vereinigten Staaten durchzieht. Und der Ausgang, den US-Präsident Donald Trump als seinen größten innenpolitischen Erfolg feiert, deckt das Muster auf, nach dem die Republikaner agieren: es ist die kalkulierte Anstandslosigkeit.
Tausend Rechtsgelehrte erklärten, dass Kavanaugh für das Richteramt am Supreme Court ungeeignet sei. Die Psychologieprofessorin Blasey Ford legte vor der Justizkommission des Senats glaubhaft dar, dass der Kandidat sie in den 1980er Jahren zu vergewaltigen versucht hatte. Zwei weitere Zeuginnen bekräftigten die Vorwürfe der sexuellen Nötigung, und der Beschuldigte selbst reagierte derart unbeherrscht, dass allein die fehlende Selbstkontrolle seine persönliche Befähigung in Zweifel zog.
Gerade das allerdings machte ihn zu Trumps Mann. Einer, der sich nicht in die gesellschaftlichen Konventionen fügt, einer, der die Frauen verachtet, einer, der nicht weiß, was sich gehört. Einer wie Trump selbst schließlich, der nicht Recht hat, sondern es sich nimmt. Der weiße Mann als Inbegriff des Beharrens auf Privilegien. Die zu verteidigen – gegen die Frauen, die Einwanderer, die Schwarzen, den Fortschritt und die Moderne – verspricht Trump seinen Anhängern. Jenen, die Angst vor der Veränderung haben, sagt er den Stillstand zu: Alles bleibt beim Alten.
Wenige Wochen vor den Midterms, den Zwischenwahlen im November, war der Kampf um Kavanaugh auch ein Stück Wahlkampf, für Trump eine ebenso gute Gelegenheit, seine Anhänger zu mobilisieren, wie für die oppositionellen Demokraten. Wem sie letztlich mehr nutzen wird, lässt sich schwer ausmachen. Ein Makel für die Demokraten war sicher, dass mit Joe Manchin aus West Virginia einer der Ihren für Kavanaugh stimmte, bei dem Ergebnis von 50 zu 48 eine bittere Dokumentation der Ungeschlossenheit. Ob es ihnen dennoch gelingt, die Aufrechten und Empörten für sich an die Wahlurnen zu bringen, wird sich zeigen. So oder so muss der Kampf für eine freie, offene und tolerante Gesellschaft zunehmend als Bewegung von der Zivilgesellschaft getragen werden. Auf den Supreme Court wird auf lange Sicht nicht zu zählen sein.
Bildquelle: flickr,Charles Edward Miller, CC BY-SA 2.0
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