Weltweit gehen heute am 8. März, dem internationalen Frauenkampftag, Frauen und Queers auf die Straße – gegen Gewalt, Feminizide und Diskriminierung, für gleiche Bezahlung und körperliche Selbstbestimmung. Bestreikt werden soll nicht nur die Lohnarbeit, sondern vor allem unbezahlte Arbeit. Hausarbeit, Pflegearbeit, Kinderbetreuung – Tätigkeiten, die weder ausreichend gewürdigt noch vergütet werden. Die Welt würde stillstehen, wenn Frauen sie nicht mehr übernehmen würden. Frauen verdienen nicht nur immer noch 22% weniger Lohn bei gleicher Arbeit, sie üben auch 1,6 mal mehr unbezahlte Sorgearbeit aus als Männer.[1] Die geschlechtsspezifische Aufteilung und Benachteiligung wird mit einer Selbstverständlichkeit gesellschaftlich reproduziert, die mindestens 50% der Menschheit wütend machen sollte. Statt Gleichberechtigung bekommen wir Rosen.
Während Feminismus für viele immer noch wahlweise Fremd- oder Schimpfwort ist, ist er für Millionen von Frauen und Queers wichtigstes Mittel, ihre Unterdrückungserfahrungen zu kontextualisieren und in die Öffentlichkeit zu tragen. Am schönsten formuliert es Sara Ahmed:
„The histories that bring us to feminism are often the histories that leave us fragile. It might be an experience of violence. It might be the gradual realisation that gender requires giving up possibilities you did not know you had; it might be a sense of being wronged or of something being wrong. We often have a sense of things before we can make sense of things. And then perhaps you begin to put things together, different pieces, broken pieces, which reveal a social pattern.”[2]
Feministisch zu streiken, bedeutet Kapitalismus und Patriarchat zu bestreiken. Zwei Determinanten – unheilvoll und unzertrennlich – die unsere Gesellschaft bestimmen. Maria Mies schreibt bereits 1986: „Die Hausfrauisierung der Frauen ist auch heute noch der unsichtbare Untergrund des Kapitalismus. Wenn die ganze Arbeit einer Hausfrau so bezahlt werden müsste wie die eines männlichen Facharbeiters, wäre der Kapitalismus schnell am Ende.“[3]
Frauen tragen auf doppelte Weise zur gesellschaftlichen Reproduktion bei. Wir müssen – so formuliert es Tithi Bhattacharya – fragen: Wenn die Arbeitskraft der Arbeiter*innen den Reichtum einer Gesellschaft produziert, wer produziert die Arbeiter*innen?[4] Die (Reproduktions-) Arbeit der Frauen ist unabdingbar für die Reproduktion des Kapitals.[5] Der Frauen*streik prangert dieses – eben nicht natürliche – Verhältnis an und trägt das, was sonst in die Sphäre des Privaten fällt (keinesfalls jedoch privat ist), in die Öffentlichkeit. Der heutige Sonntag bietet somit die perfekte Gelegenheit, jegliche Haus- und Sorgearbeit zu bestreiken. Weg mit den Putzlappen, weg mit den Kochlöffeln, keine Einkaufs- oder Essensplanung, keine Taxidienste zum örtlichen (eh langweiligen) Fußballspiel! Raus auf die Straße, solidarisch mit Frauen und Queers weltweit!
Die feministischen Forderungen beschränken sich jedoch nicht nur auf die Niederlegung der Care-Arbeit. Wenn wir über Ausbeutung reden, müssen wir genauso Unterdrückung thematisieren. Wir müssen über Rassismus, Sexismus und Gewalt sprechen. Frauen und queere Personen sind in besonderem Maße von Gewalt betroffen. Jede 4. Frau in Deutschland erlebt mindestens einmal in ihrem Leben körperliche oder sexuelle Partnerschaftsgewalt.[6] 147 Frauen wurden 2017 von ihren (Ex-) Partnern getötet. Die Zahl an trans- und homophoben Hassgewalttaten steigt rasant. 2019 wurden über 564 politisch motivierte Straftaten aufgrund der sexuellen Orientierung gemeldet, darunter 147 Gewalttaten.[7] Ein Anstieg von 70% zum Vorjahr. Genauso steigen die rassistisch motivierten Straftaten rasant. 2018 waren es 7.701 – 20% mehr als im Vorjahr.
Dass Rassismus und Sexismus eng miteinander verflochten sind, ist nicht erst seit der Kölner Silvesternacht 2015, die zum „bedeutungsfixierende[n] Signifikant[en] in einem xenophoben Sicherheits-Diskurs“[8] geworden ist, bekannt. „Köln“ hat jedoch für einen rechten Fundamentalisierungsschub gesorgt, der „Feminismus“ zum Schlagwort eines rassistischen Diskurses missbraucht. Rassistische Parteien und Programmatiken sprechen also plötzlich von „Frauenrechten“, die gegenüber bestimmten „Kulturkreisen“ verteidigt werden müssen. Gefährliche Zuschreibungen, die eine – eh schon fragmentierte – Gesellschaft weiter spalten und uns zum genauen Hinsehen zwingen müssen. Am Ende wollen doch genau jene rechten, vermeintlichen „Frauenrechtler“, dass wir zurück zum Herd kehren und sieben (natürlich richtig „deutsche“) Kinder bekommen.
Am 8. März auf die Straße zu gehen bedeutet somit nicht nur für mehr Feminismus einzustehen, sondern ebenso gegen Rassismus und Mobilisierungen von Rechts zu kämpfen!
Eine Übersicht zu den bundesweiten Veranstaltungen am 8. März gibt es hier.
[1] Bargel, Vicky Isabelle: Care-Arbeit: Deine Frau arbeitet mehr als du! Onlineartikel: 08.03.2020. https://t3n.de/news/care-arbeit-frau-arbeitet-mehr-1259957/ (zuletzt aufgerufen: 08.03.2020)
[2] Ahmed, Sara (2016): Feminism and Fragility. https://feministkilljoys.com/2016/01/26/feminism-and-fragility/ (zuletzt aufgerufen: 04.08.2019)
[3] Mies, Maria (2015): Patriarchat und Kapital. Frauen in der internationalen Arbeitsteilung. München.
[4] Bhattacharya, Tithi (2017): Social Reproduction Theory. London.
[5] Marx formuliert es wie folgt: „Erhaltung und Reproduktion der Arbeiterklasse bleibt beständige Bedingung für die Reproduktion des Kapitals“ (MEW 23: Kapital Band I, S. 598). Marx erwähnt jedoch nicht explizit, wer für die Erhaltung und Reproduktion der Arbeiterklasse größtenteils verantwortlich ist – Frauen.
[6] BBKA – Kriminalstatistische Auswertung zu Partnerschaftsgewalt 2017
[7] Queer.de: Starker Anstieg der LGBTI-feindlichen Straftaten. https://www.queer.de/detail.php?article_id=35500 (zuletzt aufgerufen: 20.02.2020)
[8] Hark, Sabine/Villa, Paula-Irene (2017): Unterscheiden und Herrschen. Ein Essay zu den ambivalenten Verflechtungen von Rassismus, Sexismus und Feminismus in der Gegenwart. Bielefeld.
Danke für deinen informativen Text! Ganz im Sinne der Lysistrate, wenn wir das hinbekämen, global, dann könnten die Herren Kriegstreiber sich ja entscheiden…
Danke Marianne für deinen Kommentar und den Verweis! Ich denke auch, es wird bald mehr denn je notwendig, gegen die Kriegstreiber zu protestieren, nur wahrscheinlich brauchen wir dafür noch mehr Mittel als Liebesentzug 🙂