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Home Contra AfD - Für Demokratie. Jetzt!

Der Schoß ist fruchtbar noch…

Redaktion contra AfD Von Redaktion contra AfD
26. August 2024
Screenshot der website für das "Fest der Demokratie" in Köln am 25.8

Rede von Prof. Dr. Andreas Fisahn am 25.8.2024  während des Festes der Demokratie auf dem Hohenzollerring von Arsch huh

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde und Freundinnen,

„Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem das kroch.“ Viele werden diesen Merkspruch von unserem großen Dichter, Bertolt Brecht, kennen. Er warnte davor, dass die Nazis wieder stark werden könnten; dass der Faschismus neu aufleben könnte, weil seine Ursachen nicht beseitigt sind. Der Schoß ist fruchtbar noch. Was hat Brecht gemeint, mit dem Schoß? Welche Ursachen oder Gründe meinte er, die die Menschen bewegen könnten, Nazis, Faschisten, Rassisten oder Nationalisten zu wählen? Brecht meinte mit dem Schoß den Kapitalismus. Es war für ihn der Kapitalismus, der die Nazis stark machte. Aber was ist das, der Kapitalismus? Nun in der Weimarer Republik, das ist bekannt, haben viele Großindustrielle und Unternehmen wie Thyssen, Krupp, die Chemie Industrie und der Zeitungsmogul Hugenberg die Nazis unterstützt. Sie haben Sie direkt finanziert. Das ist heute glücklicherweise anders. Außer ein paar Verrückten haben die Unternehmen kein Interesse an der AfD. Die Geschäfte laufen europäisch und weltweit. Da braucht das Kapital keine nationalistischen Holzköpfe an der Regierung. Der Brexit ist ein Schreckgespenst für die meisten Unternehmen. Oetker, Schüco, Miele und Claas haben mit anderen Unternehmen eine Anti-AfD-Kampagne gestartet; eine Kampagne für Demokratie.

Der Schoß ist fruchtbar noch. Der Schoß, das sind aber weiterhin die sozialen, besser die unsozialen Verhältnisse im Kapitalismus: Ungleichheit, Ungerechtigkeit, Einsamkeit und Unsicherheit, die der Kapitalismus schafft. „Einen braucht der Mensch zum Treten“, singt Konstantin Wecker. Kleingeister brauchen jemanden, dem es noch schlechter geht, auf den man hinunter blicken kann. Nach oben, so scheint es, ist nichts auszurichten. So unterwirft man sich freiwillig den Starken und Mächtigen. Der Reichtum der Oberen wird akzeptiert – Hauptsache man ist nicht ganz unten. Dahin gehören, meint die AfD, die Ausländer. So ist es nicht merkwürdig, dass ausgerechnet viele, denen es finanziell nicht so gut geht, AfD wählen und zwar gegen ihre eigenen Interessen. Die AfD will Ungleichheit und Armut nicht etwa beseitigen. Für sie regiert das Gesetz des Stärkeren, desjenigen der sich am Markt durchsetzt.

Die AfD, schreibt sie selbst, will die Steuern senken. Nun denkt ihr vielleicht, die Steuern sind ja auch hoch genug. Wenn eine Partei verspricht, die Steuern zu senken, sind aber meist die Reichen gemeint, diejenigen die sowieso viel zu wenig Steuern zahlen. Und weil sie zu wenig Steuern zahlen, ist zu wenig Geld da für Kindergartenplätze, zur Sanierung der maroden Schulen, Autobahnen und für eine Bahn, die pünktlich ist. Steuern senken, geht zu Lasten der Leistungen, die wir Bürger und Bürgerinnen brauchen. Das Geld fließt in die Taschen der Unternehmen und der Reichen. Kein Grund für arme Menschen, AfD zu wählen. Wir brauchen eine Umverteilung von oben nach unten und keine Umverteilung von unten nach oben, wie sie die AfD beabsichtigt.

Der Schoß ist fruchtbar noch. Kapitalismus schafft Unsicherheit. Wie sicher ist mein Job? Schafft mein Unternehmen die Umstellung auf eine klimafreundliche Produktion? Wie viele Leute werden dann noch gebraucht? Oder kann mich die künstliche Intelligenz ersetzen? Was ist mit den Chinesen? Können die nicht viel billiger produzieren? Und was, wenn ich arbeitslos werde? Finde ich noch einen Job in meinem Beruf und in meinem Alter? Oder rutsche ich ins Bürgergeld? Was ist, wenn ich dann noch umziehen muss? Finde ich überhaupt noch eine Wohnung? Unsicherheiten und Unklarheiten. Klar ist es nicht so, dass sich jeder und jede diese Fragen täglich stellen würde. Aber im Hintergrund schwingen sie mit. Und selbst in großen Unternehmen mit sicheren Gewinnen und sicherer Marktposition schafft ein neues Management plötzlich Unsicherheiten, wenn ein Sparprogramm angekündigt wird. Viele Menschen sehnen sich nach Sicherheit und zwar zu recht. Aber zu Unrecht meinen sie, die AfD verschaffe diese Sicherheit. Übrigens ist das eine mögliche Erklärung, warum die AfD in Ostdeutschland so viel stärker ist. Der Verlust an Sicherheit nach dem Zusammenbruch der DDR ist erheblich höher als im Westen. Aber was hilft wirklich?

Was hilft, ist ein guter Sozialstaat und starke Gewerkschaften. Aber die AfD will keinen Sozialstaat, sie will die Leistungen beim Bürgergeld noch kürzen, die Agentur für Arbeit abschaffen, dafür aber Zwangsarbeit – sie nennen es Arbeitspflicht – einführen. Mit dem Grundgesetz ist das nicht vereinbar. Und Gewerkschaften und Betriebsräte? Sie können immerhin Sozialpläne ausarbeiten und die Unternehmenspolitik sozial verträgliche mitgestalten. Die AfD meint, Gewerkschaften seien überflüssig und Betriebsräte würden die Interessen der Beschäftigten nicht vertreten. Die AfD stimmte 2022 gegen den Mindestlohn, weil – so ihre Begründung wörtlich – „die politische Anhebung des Mindestlohns den Markt außer Kraft setze“. Sie war gegen Streiks bei Ryanair und ist gegen ein Tariftreuegesetz, mit dem öffentliche Aufträge nur an Betriebe mit Tarifvertrag gehen. Die AfD agiert gegen die Interessen derjenigen, die sie selbst „kleine Leute“ nennt.

Der Schoß ist fruchtbar noch. Der Kapitalismus hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Die Zechen haben dichtgemacht, die Kumpel sind ausgestorben. Die großen Fabriken sind verschwunden oder sehr viel kleiner geworden. Ford beschäftigt in Köln etwa nur noch halb so viele Menschen wie in den 1970er Jahren. Die Soziologen sprechen von Individualisierung oder sogar von einer Gesellschaft der Singularitäten. Alles schöne Worte für ein banales Phänomen: Einsamkeit. Die Solidarität ging im Umbau zum neoliberalen Kapitalismus flöten. An die Stelle traten Egoismus und der Ellenbogenmensch, der alle, die ihn stören oder anders sind, aggressiv angeht. Der Vereinzelung folgt die Einsamkeit. Die Psychologen haben sie erst jüngst als Phänomen unserer Zeit entdeckt. Die Einsamkeit ist gepaart mit Depressionen und der Sehnsucht nach der großen Gemeinschaft. Der großen nationalen Gemeinschaft gegen die Fremden, die angeblich nicht hierher gehören. Einsamkeit führt zu Ressentiments. Man kennt den Fremden nicht und will nichts mit ihm zu tun haben. Ressentiments wiederum schlagen schnell um in Aggression, eben gegen den Fremden.

Das wird von der AfD bedient, die von einer Remigration faselt, von der Umsiedlung einstmals eingewanderter Menschen in die Heimatländer ihrer Eltern. Sie träumen von nationaler Homogenität, von reinem Deutschtum. Aber wer kann das wollen? Verschwindet dann meine Pizzeria? Und wer macht mir den Döner Pita schön scharf? Gehen wir zurück zu Schweinebraten mit Sauerkraut? Ist ja vielleicht auch nicht schlecht, aber selbst Nudeln müsste man in deutscher Reinheit vom Speiseplan streichen. Und sollen wir wieder schön Deutsch ein Herrengedeck bestellen? Für die jüngeren: Das ist Bier und Korn. Was ist mit einem Ouzo oder einem schottischen Whisky? Alles undeutsch, muss remigriert werden. Und was ist mit Adele, Tupac und Eminem, Taylor Swift oder mit Eric Clapton und den Rolling Stones? Alles undeutsch?

Der Schoß ist fruchtbar noch. Die Nazis und Halbnazis in der Afd haben ihren Feind im Gendern und bei den Woken gefunden. Sündenböcke sind ein beliebtes Mittel von den eigentlichen Problemen abzulenken. Rassistische Hassgesänge haben nichts mit Sprachpolizei zu tun. Sie sind hilfloser Ausdruck der eigenen Mittelmäßigkeit, die sich gegen die Schwachen kehrt. Es gibt Armut und Elend in dieser Gesellschaft, aber die beseitigt man nicht, indem man Ausländer rausschmeißt. Dann wird es nicht besser, sondern schlimmer, wie Jürgen Becker schon 1992 beim ersten Arsch huh Konzert wusste. Besser wird es, wenn die Reichen und die Unternehmen wieder anfangen, Steuern zu zahlen. Der brasilianische Präsident Lula hat eine Mindeststeuer für Milliardäre vorgeschlagen. Lindner hat den Vorschlag abgelehnt. Die AfD war auch dagegen. Wie hoch sollte die Vermögenssteuer sein? Zwei Prozent des Vermögens. Da ahnt man, wie wenig Steuern wirklich gezahlt werden. Der Schoß ist fruchtbar noch, Ungleichheit wird zementiert. Deshalb gilt heute wie vor 20 Jahren:

Arsch huh zäng ussenander

 

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