Seit der Bundestagswahl und der vorhergehenden Einstufung als gesichert rechtsextremistische Partei durch den Verfassungsschutz ringt die AfD um ihre Zukunftsperspektive. Die jüngste Fraktionsklausur hat offengelegt, was die Partei dabei bewegt und was sie bewegen will.
Zunächst grassiert die Befürchtung, dass die Diskussion um ein Verbot der AfD und die Schutzmaßnahmen der rheinland-pfälzischen Landesregierung zur Sicherung des öffentlichen Dienstes vor Verfassungsfeinden sowie entsprechende Pläne anderer Landesregierungen den Zuspruch zur Partei bremsen und Mitglieder zum Austritt bewegen können. Als Konsequenz hat die AfD eine „Handreichung für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst zu den Folgen einer Einstufung der AfD ,als gesichert rechtsextremistisch,“ beschlossen. Dort heißt es: “Differenzieren Sie in ihrer Wortwahl und bleiben Sie mit Ihren Äußerungen im verfassungskonformen Bereich.“ Dies ist nichts anderes als eine Aufforderung zur Tarnung und Täuschung – nicht die verfassungsfeindlichen Positionen sollen überwunden werden, sondern ausschließlich die Wortwahl soll angepasst werden, damit sie verfassungsrechtlich nicht angreifbar sind.
Ein weiteres Beispiel: die rechtsradikale Führung des DüsseIdorfer Kreisverbandes der AfD wollte eine Veranstaltung mit dem Rechtsextremen Martin Sellner, einem führenden Vertreter der „Remigration“-Positionen und Referent auf dem bekannten Potsdamer Treffen, durchführen. Nur mit Mühe gelang es dem Bundes- und Landesvorstand NRW diese Veranstaltung zu verhindern. In diesem Zusammenhang passt ein weiterer Vorgang auf der Fraktionsklausur: In einer Beschlussvorlage stand das Wort „Remigration“. Der Beschluss ließ diese Bezeichnung für ein verfassungsfeindliches Vorgehen gegen Menschen mit Migrationshintergrund weg. Am Inhalt änderte die AfD aber nichts.
Auf welchem dünnen Eis die AfD hier operiert, zeigte sich unmittelbar danach. Der einflussreiche Kopf der AfD, Björn Höcke, postete ein Bild mit der klaren Botschaft „Remigration“. Das Problem wird die AfD nicht los: ein großer Teil ihrer Funktionäre und Anhänger unterstützt die Partei gerade wegen ihrer deutlichen systemfeindlichen und grundgesetzwidrigen Positionen. Selbst reine sprachliche Vernebelungs- und Anpassungsaktionen werden hier nicht mitgetragen.
Dies wurde auch deutlich im Umgang mit einem weiteren Beschluss de Fraktionsklausur. In einem fünfseitigen „Verhaltenskodex“ heißt es u.a.: „Die Mitglieder sind um ein geschlossenes und gemäßigtes Auftreten im Parlament bestrebt, um die politische Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit der Fraktion sicherzustellen.“ Kaum war das beschlossen, hetzte Partei- und Fraktionschefin Weidel wie gehabt, stellte die SPD sogar in eine Reihe mit der NS-Diktatur. Und im Bundestag setzte sich eine sächsische AfD-Abgeordnete für ein „Remigrationsturbo für unser Volk“ als „die Lösung für Wohnraummangel“ ein.
Dieser Zwiespalt zwischen scheinbarer Mäßigung und den Mobilisierungsmöglichkeiten ihrer radikalisierten rechtsradikalen Anhängerschaft ist für die AfD ein strategisches Dilemma. Diese Situation widerspiegelt sich auch zu einem Kampf um Strategie, Einfluss und Macht zwischen den Täuschungsbataillonen um Tino Chrupalla und der Fundamentalfraktion um Björn Höcke und Alice Weidel.
Die AfD will an die Macht und sie weiß, dass der Weg nur über eine Zusammenarbeit mit der Union führt. Zwar postuliert sie auch hier Radikalität – in einer Präsentation zur Strategiediskussion auf der Klausurtagung wurde auf der letzten der 55 Folien gefordert: “Alice ins Kanzleramt“. Aber ihre Hauptaufmerksamkeit gilt nach der Schwächung zugleich der Verbindung mit der Union.
Deswegen will sie
- die Brandmauer schleifen
Hier ist sie in vielen Kommunen vor allem Ostdeutschlands schon recht erfolgreich. Auch auf Landesebene findet sie willige Helfer in der CDU und des BSW. Die Äußerung von Jens Spahn – mit der AfD umzugehen „wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch“ – zahlt auf das gleiche Konto ein. - Schwarz-Rot spalten und lagerübergreifende Bündnisse verhindern
Die geplatzte Wahl der Richter für das Bundesverfassungsgericht durch das Verhalten der Union zeigt, was hier möglich ist. Die gemeinsame Abstimmung von Union und AfD vor der Bundestagswahl zur Migrationspolitik war in dieser Beziehung der Durchbruch für die AfD. - die Glaubwürdigkeit der Union angreifen
Sie soll so zu Positionen getrieben werden, die für die AfD anschlussfähig sind. Die Übernahme wesentlicher Teile der AfD-Politik zur Migration zeigt, wie erfolgreich dieses Bemühen ist. Zugleich verliert die Union so gleichzeitig an die AfD und an ihre enttäuschten bürgerlich-liberalen Anhänger. - die politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen sollen zu einem Duell zwischen der AfD und dem „linken Lager“ bestehend aus SPD, Grünen und Linken zugespitzt werden. So sollen diese Parteien nach links getrieben werden, um ihre Politik- und Bündnisfähigkeit zu schwächen.
Die Trennlinie soll nach dem Wunsch der AfD nicht mehr zwischen ihr und den demokratischen Parteien verlaufen, sondern zwischen den „bürgerlich-konservativen“ und dem „sich radikalisierenden linken Lager“ – so wörtlich eine Abgeordnete der AfD aus Brandenburg in einem Video auf X. Als Vorbild gelten die USA und einige westeuropäische Länder. Für die Machtergreifung und Regierungsbeteiligung der Rechtspopulisten und Faschisten spielte in allen diesen Ländern ein sogenannter Kulturkampf eine wesentliche Rolle. Dieses ist fraktionsübergreifend auch ein wesentlicher Teil der Strategie der AfD und wird in Zusammenarbeit mit gleichgerichteten Netzwerken und Medien bis hinein in die Union systematisch betrieben. Ein Beispiel war die Kampagne gegen die Wahl von Prof. Frauke Brosius-Gersdorf zum Mitglied des Bundesverfassungsgerichtes. Begründung: ihre fundierte Position zum Abtreibungsparagrafen § 218.
Leider sind wesentliche Teile der Führung der Union diesem Vorgehen der AfD nicht gewachsen, ein Teil sympathisiert auch mit Positionen der AfD. Das Problem ist während des Bundestagswahlkampfes signifikant von der heutigen Bundestagspräsidenten Julia Klöckner markiert worden und bringt das ganze Problem der Abwehr des Rechtsextremismus auf den Punkt. Klöckner postete wörtlich: „Für das, was Ihr wollt, müsst Ihr nicht AfD wählen. Dafür gibt es eine demokratische Alternative: die CDU.“ Nach heftigen Protesten hat sie diese Aussage in ihren Medienauftritten wieder gelöscht. Vorher hatte allerdings der Generalsekretär der CDU, Linnemann, diese Aussage schon gelikt.
Es war sehr klar, was in Teilen der Union gedacht wird: wir haben Positionen der AfD übernommen, vor allem bei der Migrationsfrage, in der Relativierung der Klimapolitik, im Kampf gegen Grüne, gegen alles, was auch nur grün oder links angehaucht erscheint – nun, liebe Wähler, wählt uns auch!
Diese Anbiederung an die AfD ist ein Verrat an demokratischen Werten, die die Bundesrepublik bisher tragen. Sie ist auch hochgradig selbstzerstörerisch. Das zeigen die Ergebnisse für die CDU vor allem bei den ostdeutschen Landtagswahlen 2024. Und bei der Bundestagswahl konnte festgestellt werden, was aus dem Versprechen von Friedrich Merz, die AfD bei den Wahlen zu halbieren, geworden ist. Die Quittung für die Kopie des schlechten Originals erhält die CDU regelmäßig – die AfD ist im Osten laut Umfragen auf über 1/3der Wählerstimmen gewachsen.
Daraus sollte Union endlich lernen:
- keine Anbiederung an die AfD
- keine Übernahme rechtsextremer Positionen
- kein Kulturkampf gegen politische Konkurrenten.
Und insgesamt: für eine gute Politik die Zusammenarbeit der demokratischen Parteien anstreben. Schon bei der Wahl der Richter zum Bundesverfassungsgericht kann dafür ein Zeichen gesetzt werden.
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