Ich habe nach dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 (zu) lange versucht, das Vorgehen der Israelis im Gaza-Streifen zu verstehen und zu rechtfertigen. Ich habe mit Freunden heftig diskutiert, die sich meiner Ansicht nach zu schnell und zu einseitig gegen Israel positioniert hatten. Ich habe ihnen antisemitische Reflexe unterstellt – und manchen von ihnen damit Unrecht getan, wie ich eingestehen muss. Denn heute weiß ich: Ich hätte nicht so lange zu den israelischen Verbrechen schweigen dürfen. „Wer schweigt, stimmt zu“ – diesen Vorwurf muss ich mir gefallen lassen, ich mache mir diesen Vorwurf selbst.
Das Massaker der Hamas an mehr als 1200 unschuldigen israelischen Zivilisten am 7. Oktober 2023 hatte auch mich ins Mark getroffen. Die wenigen Kurzvideos und die Berichte überlebender Augenzeugen haben mich nicht schlafen lassen. Diese islamistischen Mörder! Diese Menschenhasser! Diese Schlächter! Diese Vergewaltiger und Kindermörder! Ich hatte Verständnis für die Israelis, die nun forderten, die Hamas zu vernichten.
Meine Solidarität mit Israel ging weit: Ich bin ein entschiedener Gegner der Todesstrafe. Und doch hatte ich keine Einwände, wenn das israelische Militär Führer der Hamas-Mörderbande gezielt tötete. Es war Krieg und die Hamas-Führer waren die triumphierenden Angreifer und Massenmörder.
Nur ganz allmählich wuchsen meine Zweifel. Was war das Kriegsziel der israelischen Regierung? Wieviele palästinensische Zivilisten mussten sterben, um einen einzigen Hamas-Kämpfer auszuschalten? Warum muss der Gaza-Streifen komplett plattgewalzt und unbewohnbar gemacht werden, warum werden die Menschen dort wie Vieh hin- und hergejagt? Warum zeigt die israelische Regierung keine Gnade? Keine Empathie für Frauen und Kinder? Der Gegner ist doch längst besiegt.
Und erst dann erwachte nach und nach die Einsicht, dass für den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und seine teils rechtsextremistische Regierung nicht die militärisch zerstörte Hamas der Feind ist – sondern offenbar das gesamte palästinensische Volk. Seite an Seite mit US-Präsident Donald Trump scheint der Israeli die Vertreibung der mehr als zwei Millionen Bewohner des Gaza-Streifens zu planen. Welch eine grauenvolle Vorstellung!
Und nun greift offenbar die nächste Stufe des unmenschlichen Plans: die Palästinenser sollen ausgehungert werden. Seit Oktober 2023 starben in diesem kleinen Küstenstreifen nach internationalen Schätzungen mehr als 60.000 Menschen. Die meisten Häuser sind unbewohnbar, die verzweifelten Menschen wissen nicht, wohin sie vor den pausenlosen Angriffen fliehen sollen. Die Grenzen sind geschlossen. Und jetzt gehen offenbar die letzten Nahrungsmittel aus. Die UN stehen zur Hilfe bereit, werden aber nicht ins Land gelassen. Jeden Tag verhungern Kinder, Erwachsene sterben an Mangelernährung. An den Ausgabestellen für Nahrung werden verzweifelte Menschen von israelischen Soldaten erschossen – an die angebliche Notwehr kann man nicht glauben.
Gegen den israelischen Premier Netanjahu gibt es inzwischen einen Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs – unter anderem wegen „Ausrottung und Mord“ und unmenschlicher Handlungen Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien Teil eines systematischen Angriffs im Rahmen der staatlichen Politik Israels, so das Gericht. Der Chefankläger führte weiter aus, Israel habe Hunger als Methode der Kriegsführung eingesetzt und wolle die Zivilbevölkerung des Gazastreifens kollektiv bestrafen.
Und was macht die Welt? Was macht Europa? Was macht vor allem Deutschland? Viel zu spät, viel zu zögerlich, viel zu vorsichtig werden hier die Verbrechen Netanjahus attackiert. Noch im Wahlkampf kündigte der damalige CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz an, Netanjahu nach Deutschland einladen zu wollen. Es gebe Mittel und Wege, den Premier nicht festnehmen zu lassen – tönte Merz damals. Internationales Recht, dem auch Deutschland zugestimmt hat – wen interessiert das schon? Merz gab den Mini-Trump.
Doch selbst von Seiten des Kanzlers ist inzwischen vorsichtige Kritik an der israelischen Politik zu vernehmen. Insgesamt aber ist Deutschland nach wie vor der Bremser, wenn es um eine klare europäische Haltung gegenüber der Rechtsregierung in Israel geht. Wenn es darum geht, dem mordenden israelischen Militär keine Waffen mehr zu liefern und generell über einen Boykott des Landes nachzudenken. Denn im Schatten des Gaza-Krieges verüben rechtsradikale israelische Siedler und Soldaten Verbrechen an Palästinensern auch im Westjordanland.
Bei allem Verständnis für die besondere Haltung und Verantwortung unseres Landes gegenüber Israel: Wir als Deutsche dürfen zu den ungeheuren Kriegsverbrechen und den Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht schweigen. Wer um die von den Hamas-Terroristen ermordeten Israelis trauert, der sollte nicht tatenlos zusehen, wie Babys, Kinder und Frauen in den Trümmern des Gazastreifens verhungern. Umgekehrt gilt das natürlich auch. Alles andere ist Heuchelei.
Nein, ich werde weiterhin an keiner Demonstration gegen den Gaza-Krieg teilnehmen, auf denen Fahnen der Hamas-Schlächter wehen, auf denen der 7. Oktober als Tag der Befreiung gefeiert wird, auf dem antisemitische Parolen gebrüllt werden und das Existenzrecht Israels – „From the River to the Sea“ – negiert wird. Nein, mit den Unterstützern der islamistischen Mörderbanden stehe ich nicht Schulter an Schulter. Das „Nie wieder!“ und der Kampf gegen Antisemitismus bleiben für mich aus tiefstem Herzen Verpflichtung und Antrieb; das kann auch ein Netanjahu nicht ändern.
Doch ich werde auch nicht länger schweigen zu den Verbrechen der Netanjahu-Clique. Zu ihren Kriegsgräueln und Morden, zu ihren Vertreibungs- und Vernichtungs-Fantasien. Viel zu lange habe ich das mit einem „Aber“ und dem Hinweis auf die Hamas-Mörder relativiert. Das alles hat indes längst nichts mehr zu tun mit Notwehr. Es ist offenbar Teil des faschistischen Traums von einem Groß-Israel. Im Gaza-Streifen und im Westjordanland.
Der Krieg gegen die Menschen in Gaza muss enden. Sofort!
Bildquelle: Wikipedia, gloucester2gaza, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons














ISRAEL UND GAZA
Viel zu lange schon wurde nicht auf die von der menschengemachten Katastrophensituation durch die weltweiten Staaten wirkungsvoll reagiert.
Staatsräson, politische Freundschaften, Machenschaften all dies sind völlig unangebrachte Erklärungen und Verhalten der internationalen Staatengemeinschaft hier entsprechend der VERNUNFT UND HUMANITITÄT so spät zu handeln! Die Verbrechen von der Hamas und Israel zeigen, dass unsere „Weltordnung“ neu justiert werden muss. Die UNO sollte hier eine tatsächlich neue Machtbefugnis erhalten, um menschenfeindliche Herde frühzeitig zu erkennen und zu begegnen, nötigenfalls sogar mit abgestimmter Gewalt. Denn was sich Netanjahu an Verbrechen geleistet hat, darf nicht wieder auf unserer Erde passieren!