Vor der COP 30 der UNO in Brasilien ist die Lage ernst, und es ist wichtig, mal nicht nur auf das Klimaschutzdefizit zu schauen, sondern die vielen anderen Fehlentwicklungen mitzudenken; denn letztlich hängt alles mit allem zusammen.
Die Menschheit kommt offenbar nicht damit zurecht, dass sie unfreiwillig zu einer Einheit geworden ist – einer Einheit des Betroffenenseins, aber unfähig, sich als Einheit des Handelns zu organisieren; sie hat die Erde zum Dorf gemacht, aber die dörfliche Gemeinschaft samt Almende nicht aufs Ganze übertragen.
So überschwemmen relativ kleine Gruppen von Experte mit Kreativität und Begeisterung den großen Rest der Menschheit mit Produkten und Möglichkeiten, ja auch Freiheiten, die zunächst attraktiv, ja verführerisch, wenn nicht gar süchtig machend sind. Dass diese Innovationen insbesondere auch die menschliche Lebenszeit auf allen Kontinenten beträchtlich verlängert haben, ist nicht zu ignorieren und ist echter Fortschritt.
Diese Tsunamis des Attraktiven und Nützlichen haben aber fast immer auch zerstörerisches Potential, unter anderem in Form von Eingriffen in die elementaren Lebensgrundlagen, die die Natur an Ver- und Entsorgung bis vor gut 100 Jahren unentgeltlich zur Verfügung stellte. Diese Dienstleistungsfunktionen sind aber auch in Zukunft unverzichtbar.
Das klingt abstrakt und hat doch so viele konkrete Erscheinungsformen, die die gesamte Menschheit betreffen, wie z.B.
– die erwähnten Umwelteffekte bei Klima, Boden- und Wasserqualität
– der Wettbewerb als Treibsatz für immer Neues, immer schneller auf den Märkten, ungenügend auf Folgen geprüft und ggf. reguliert
– die explosive Wechselwirkung von Warenproduktion, Werbung und Konsumgier
– immer neue Waffen mit noch mehr Zerstörungskraft, Treiber eines offenbar nicht stoppbaren Rüstungswettlaufs
– die Verletzlichkeit der zivilisatorischen Lebensgrundlagen durch die digitale Vernetzung, die niemals ausreichend gegen kriminelle und feindliche Störungen gesichert werden kann, aber immer unverzichtbarer ist für funktionierende Versorgung mit Nahrung, Wasser und Strom
– die ebenfalls auf Konkurrenz ausgerichtete Staatenordnung, die offenbar weder Frieden noch Menschenwürde schaffen noch garantieren kann.
– die bewusste und unbewusste Manipulation des Denkens durch nie gekannte Überschwemmung des Hirns mit Artefakten, wobei jedermann Sender und Verstärker sein kann mit seiner Intelligenz oder Dummheit, seinem Missionstrieb oder seiner Boshaftigkeit – kurz mit seiner Lust und Laune. Nun kommen auch noch Maschinen hinzu, „Informationen“ zu produzieren oder zu verfälschen, z.B. Textautomaten, die fälschlich „Künstliche Intelligenz“ genannt werden.
Man könnte auch noch die Überschwemmung der Welt mit neuartigen Drogen hinzufügen, deren Bekämpfung offenbar auch nicht gelingt.
Alle die genannten Bereiche stehen in Wechselwirkung und beschleunigen einander.
Da dabei Segen und Fluch so eng beieinander liegen, sind sie kaum beherrschbar. Selbst wenn die Menschheit jene Einheit des Handelns etabliert hätte, täte sie sich sehr schwer mit wirksamen Verboten. Die Zulassung für Gutes und das Verbot von Zerstörerischem abzugrenzen, verlangt filigrane Regulierung, Kontrolle und Sanktionshoheit, also Bürokratie und Aufsicht, also Freiheitsbeschränkung, die ihrerseits wieder bekämpft werden.
Diese Einsicht in das Versagen des Menschen bei der Sicherung seiner selnst geschaffenen Zukunft ist nicht neu oder originell. Die Versuche mit dem Völkerbund vor 100 Jahren und den vereinten Nationen seit 80 Jahren beweisen, dass es nach großen Katastrophen sogar eine gewisse Bereitschaft zu Gemeinschaftlichkeit gibt. Aber ganz offenbar nimmt diese Bereitschaft ab, wenn der Schmerz nachlässt. So ist heute festzustellen, dass die Entwicklung die Richtung geändert hat: nun geht es zurück in undemokratische und egoistische Ordnungen der Vergangenheit, weil die Menschen eben doch Wohlstandssicherung und -mehrung an die Spitze ihres Wertekatalogs stellen, also kurzsichtig in Raum und Zeit geblieben sind.
Da sind sich dann demokratische Regierungen und Diktatoren einig: die Massenloyalität muss erhalten werden, damit die Wiederwahl klappt, bzw. sich keine Fronde gegen den Herrscher entwickelt.
Säße man zwischen den Sternen und blickte herab auf die irdische Szene mit den vernunftbegabten Menschen, so wäre die Verwunderung groß, was Vernunft alles NICHT in den Griff bekommt. Man sähe mit Bewunderung, was die Wissenschaft an Wegen der Problemlösung beschreibt, und wie alles Wissen an den Ladentheken zerschellt.
Man könnte frei nach Bert Brecht ausrufen:
Erst kommt das Fressen, dann kommt die Vernunft!
Bildquelle: Pixabay













