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Was für ein Buch! Man liest es in einem Zug. Ein Knüller – Tim Weiner zerlegt die CIA

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
19. Juli 2025
Buchtitel "The CIA in the 21st Century"

Anfangs war ich skeptisch. Ein Buch über die CIA? Was wird das schon sein, in der Trump-Zeit geschrieben, bestimmt eine Hochjubelei des Präsidenten aller Präsidenten? Dachte ich, weil ich den preisgekrönten Autor nicht so gut kannte, und bestellte das Werk, las langsam, weil beladen mit allen Vorurteilen über den US-Geheimdienst, den ich immer schon für den schlimmsten aller Dienste gehalten hatte, gleich nach dem KGB. Und ich las weiter mit zunehmendem Tempo und Neugier, konnte kaum aufhören mit dem Lesen. Spannend wie ein Krimi, ja mehr als das, weil es ja passiert ist, nicht erfunden wie ein Roman, aber wie ein Thriller mit Mord und Todschlag, Korruption, Milliarden Dollar sind im Spiel, Kriege, Horror, Waterboarding, aufgehängt an den Füßen an einer Decke, Folter. Und das alles im Namen der Vereinigten Staaten von Amerika. Waren die nicht mal Vorbild für uns Deutsche, haben die uns nicht die Demokratie beigebracht? Tim Weiner hat es beschrieben, recherchiert, er hat Interviews mit den Mächtigen des Geheimdienstes geführt, er kennt sich aus und versteht es mitreißend zu schreiben, ohne den Wahrheitsgehalt zu vernachlässigen. Was für ein Buch!?

Wer immer noch Zweifel haben sollte, ob denn die Horror-Geschichten über den US-Präsidenten Donald Trump stimmen, wer Zweifel haben sollte, ob dieser Mann im Oval Office in Washington an irgend einer Stelle seines Herzens, Hirns oder was auch immer, noch ehrlich sein sollte, ein Mann, dem neben dem Dollar und dem Deal irgendwas Moralisches oder Menschliches wichtig sein sollte, der muss Tim Weiner lesen. Donald Trump ist, wie er von den Kennern in  Amerika beschrieben worden ist, ein Präsident, den nichts Anderes interessiert als sein Vorteil. Dem jedes Recht egal ist, wenn es ihm im Wege steht. Sollte die Leserin oder der Leser dieser Zeilen die neueste Version über Trump in den Medien nicht für möglich halten, es geht um die Verwicklung Trumps in die Jeffrey-Epstein-Affäre, um Akten um den toten Sexualstraftäter Epstein, darum, dass Trump einst ein Wahlversprechen abgegeben hatte, alle Dokumente dieses Falles zu öffnen, glauben Sie dem Präsidenten der USA besser kein Wort. Auch wenn er jetzt eine amerikanische Zeitung verklagt, glaube ich Trump nicht. Er hat schon so oft gelogen, sich die Wahrheit zu Recht gebogen, wie es seine Art ist, wie er es seit Jahr und Tag tut. Lesen Sie Tim Weiners Buch über die CIA, dann wissen Sie mehr über Trump und werden ihm in Zukunft noch weniger Glauben schenken.

Zur Erinnerung zitiere ich in diesem Zusammenhang die SZ in ihrem Wochenend-Kommentar mit dem Titel zu Trump: „Nun  ist er verwundbar.“ Der Autor-Peter Burghardt, Korrespondent der Zeitung in Washington seit 2022, schildert, dass Trump und Epstein Freunde waren, nun verfolge ihn diese Vergangenheit, „weil er vielleicht gerade die größten Fehler seiner politischen Karriere macht.“ Jahrelang, erinnert Burghardt, hätten der „Multimillionär Epstein und seine Bekannten Minderjährige und junge Frauen missbraucht- nach dessen Tod machte dann das Gerücht einer Kundenliste die Runde, versteckt beim FBI“. Und diese Liste soll es nun nicht mehr geben? Trump habe einst versprochen, im „Deep State“ aufzuräumen. Viele seiner Fans seien überzeugt, dass in diesem liberalen Machtkartell auch Kinderschänder zu finden seien. Sie glauben, so Burghardt, dass „Epstein seine Klienten erpresst habe und ermordet wurde.“ Offiziell heißt es ja, Epstein habe sich 2019 das Leben genommen. Es gibt viele Fotos mit Epstein und Trump, oft neben jungen Frauen, was kein Beweis sei , dass Trump an Straftaten beteiligt gewesen sei, kommentiert Burghardt, weiter. Aber am Versuch, das Thema verschwinden zu lassen, sei er gescheitert. Was für ein Präsident!? Ich schreibe das ergänzend zu dem Buch, weil es dazu gehört, zu Trump.

Aber zurück zur Mission, zur CIA. „Wir müssen fähig sein, uns höchst unmoralisch zu verhalten, und uns dabei von den höchsten moralischen Grundsätzen leiten lassen.“ Das Zitat von Hugh Cunningham, Ausbildungsleiter der „Central Intelligence Agency“(CIA), steht am Anfang des rund 600 Seiten langen Wälzers. Moral und Unmoral. Natürlich gelten auch für Geheimdienste die Gesetze, auch in Amerika. Und doch übertreten sie diese, bringen Leute um, um angeblich Gefahren für Amerika abzuwehren. Das tun sie im Grunde im Auftrag des Präsidenten. Man denke an die Ermordung des islamistischen Terroristen und Al-Qaida-Chefs Osama bin Laden, der für die tödlichen Anschläge auf New York und Washington verantwortlich war mit Tausenden von Toten. Jahre dauerte die Jagd von US-Spezialkräften auch des CIA, ehe bin Laden auf Anordnung des US-Präsidenten Barack Obama getötet wurde.

Die Lügen vor der UNO

Die CIA hatte ihre Hände im Spiel, als es darum ging, den Herrscher und Diktator des Irak, Saddam Hussein, zu beseitigen. Die Vorwürfe gegen Saddam, er habe Massenvernichtungswaffen, erwiesen sich als falsch, weil erlogen, beschreibt der Autor des Missions-Buches detailliert. Der damalige US-Präsident Bush junior, nicht unbedingt einer der Erfinder von Intelligenz oder der hohen Kunst der Politik, sondern ein ruppiger Texaner, wollte den Krieg. Also lieferte man ihm ein Narrativ, das erfunden war. Und US-Außenminister Powell belog die in New York versammelte Weltgemeinschaft, gemeint die UNO-Vollversammlung. Übrigens wurde Amerika oder George W. Bush nie dafür verklagt, dabei war es ein Angriffskrieg der Weltmacht USA, die den Irak vernichtete, das Land hat sich davon nie erholt. Man darf, ja muss aus deutscher Sicht hinzufügen, dass der damalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder(SPD) dem US-Präsidenten Bush die Stirn bot und eine deutsche Beteiligung an diesem Krieg mit der Erklärung ablehnte, dass er, Schröder, für solches Abenteuer nicht zur Verfügung stehe. Bush und seine politischen Konsorten, muss man weiter sagen, haben die Schröder-Fischer-Regierung schwer attackiert, es folgte eine Kampagne gegen Deutschland, das alte Europa gegen das neue. Ja, von wegen Herr Bush und all die anderen. Es war ein Kriegsverbrechen. Ich rechne es heute noch Schröder hoch an, dass er den Mut aufbrachte dem US-Präsidenten sein Nein zum Krieg entgegenzuschleudern.  Und an die Adresse der damaligen CDU-Chefin Angel Merkel füge ich hinzu: Dass Merkel damals in einem Gastbeitrag in der „Washington Post“ den deutschen Kanzler Schröder attackierte, fand ich und finde ich heute noch mies. Der Titel von Merkels Gastkommentar in der Post: „Herr Schröder spricht nicht für alle Deutschen.“ Ja, so war das und wird nicht vergessen.

Die Verhör-Methoden des CIA entsprachen nicht amerikanischen Gesetzen. Weiner schreibt auf Seite 129: „Am 15. August wäre Abu Subaida beinahe an der Wasserfolter gestorben, und in den folgenden Tagen erzählte er seinen Peinigern alles, was sie hören wollten.“ Aber eben nur, was sie hören wollten, nicht, was der Wahrheit entsprach.  „Er erfand phantastische zukünftige Verschwörungen, damit nur die Folter endete. Diese falschen Geständnisse stießen in der Zentrale auf Wohlwollen.“ Und das Waterboarding wurde einen Gang heruntergeschaltet, so Weiner. Der Islamist Abu Subaida aus dem Umfeld von Bin Laden wurde in den Verhören auch schon mal in eine Kiste, die aussah wie ein Sarg gesteckt. Dort lag er tagelang, konnte sich nicht bewegen, es war natürlich stockdunkel. So etwas nennt man weltweit Folter, wobei ich kein Mitleid mit Osama bin Landen habe, den ich für einen Verbrecher halte. Aber selbst gegen Verbrecher wie ihn ist nicht alles erlaubt, auch sie haben das Recht angehört zu werden. Man darf sie nicht einfach totschlagen, was im Laufe der Geheimdienstjahre auch schon mal passiert ist. Um Folter zu verteidigen, weist Tim Weiner auf die politische Sprache hin, „die mit den Worten George Orwells, Lügen wahrhaftig und Mord respektabel erscheinen lassen und dem reinen Wind den Anschein von Solidität verleihen soll“. In diesem Sinne war Waterboarding keine Folter, weil die USA  foltern nicht, wie es Bush gesagt hat.

Wahnsinnige Summen setzten die CIA-Mitarbeiter weltweit ein, um andere Geheimdienste auszuspionieren, sie zu kaufen, sie zu bestechen. Der Erfolg blieb immer zweifelhaft, nicht wenige Geschichten wurden erfunden, um bei den Vorgesetzten Eindruck zu machen. Ein Kapitel für sich ist Guantanamo auf Kuba. Im Grunde ein Gefängnis der USA, in dem vermutete Terroristen gefangen gehalten wurden über Jahre, ohne dass ihnen ein Prozess gemacht wurde. Sie waren Gefangene, auf ewig, Barack Obama hatte das Wahlversprechen abgegeben, Guantanamo zu schließen. „Die Geschichte wird ein hartes Urteil über diesen Aspekt unseres Kampfes gegen den Terrorismus fällen. Und auch über diejenigen von uns, die ihn nicht beenden“. So Obama. „Stellen sie sich eine Zukunft vor- in zehn oder zwanzig Jahren- in der die Vereinigten Staaten von Amerika immer noch Menschen, die keines Verbrechens angeklagt sind, auf einem ‚Flecken Erde festhalten, der nicht zu unserem Land gehört. Ist es das, was uns ausmacht? Ist es die Vision, die unsere Gründerväter hatten? Ist das Amerika, das wir unseren Kindern hinterlassen?“

Das letzte Buch dieser Art

Diese Skrupel hat ein Trump gewiss nicht. Er möchte einfach nur Grönland haben, Kanada, den Panama-Kanal, um nur diese Beispiele zu nennen. Einer wie Trump lässt Bomben über dem Iran abwerfen, um das dort vermutete Atomwaffenbau-Projekt zu zerstören. Tim Weiner lässt kein gutes Haar an Trump, dessen Karriere er sich ziemlich genau vorknöpft, darüber schreibt, wie Russlands Putin Trumps Wahlkampf begünstigte, diesen medial massiv unterstützte und gegen Hillary Clinton eine mediale Kampagne fuhr.  Mit Erfolg, muss man ergänzen, denn Trump gewann ja 2016. Die Vorwürfe, dass ausgerechnet der ehemalige Geheimdienst-Mann Putin mitgeholfen habe den Amerikaner Trump zum Präsidenten zu machen, hat in Amerika niemanden vom Stuhl gerissen. Auch nicht die Geschichten über einige seiner Aufenthalte in Moskau, die Geschichten über Frauen, über Trumps angebliche Vorliebe für Frauen slawischen Ursprungs hinderten Millionen Wählerinnen und Wähler in Amerika nicht daran, diesen Mann, der vielleicht vom Golf etwas versteht, aber dem seriöse Politik doch ziemlich fremd erscheint, ihre Stimmen zu geben. Anders war es ja auch später nicht, als er zunächst eine Wahl verlor, was er aber nicht akzeptierte, und dann seine Anhänger dazu trieb, das Kapitol zu stürmen, die Herzkammer der Demokratie in Amerika, die Möbel teils zu zerstören, fünf Menschen dabei zu töten, andere zu verletzen. Er wurde nicht verurteilt. Wer kann das verstehen? Tim Weiner beschreibt den Trump, wie er ihn und wie Amerika den Mann kennengelernt hat, eine mindestens zwielichtige Figur auf dem Stuhl des Präsidenten des mächtigsten Landes der Erde, ein notorischer Lügner, ein vorbestrafter Mann. Früher waren die Amerikaner im Kalten Krieg mit den Russen, den Kommunisten, heute scheint der Präsident der USA den Kreml-Chef zu verehren, vielleicht deshalb, weil Putin als amtierender Diktator sich noch mehr und schlimmere Dinge herausnehmen kann als ein Trump, der aber dabei ist, diese Grundlagen für sich zu schaffen und dabei die Fundamente der Demokratie zu schleifen.

Tim Weiner seziert die CIA wie es niemand vor ihm getan hat, er zerlegt sie in Teile, in gute und schlechte Agenten, mit hoher intellektueller Kraft oder minderen Charakters. Leute, die sich mit aller Kraft für ihr Land einsetzen, Leute, die ihr Amt missverstehen, die Macht, die ihnen zuteil wird. Wenn man so will, nimmt er den Geheimdienst auseinander, weil er diesen Leuten das Geheimnisvolle entzieht, das sie als Tarnung brauchen. Er beschreibt ihre Arbeit in aller Klarheit, wie man das noch nie zuvor gelesen hat. Weiner beschreibt den Dienst und die für ihn arbeitenden zumeist Männer in aller Deutlichkeit, ohne Rücksicht zu nehmen, indem er ihnen durch Recherche, durch Interviews mit CIA-Leuten die Kapuze vom Kopf nimmt. Und nun sehen alle den Geheimdienst vor sich stehen- nackt.  Ein Fazit eines Lesers, der diesen Teil der US-Geschichte aus der Ferne erlebt hat, vom Fernseher aus, aus den Zeitungen, aus dem Buch Tim Weiners: Korea, Vietnam, Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, Iran, Israel wo eigentlich hat sich das Wirken der Amerikaner, ihres Militärs und ihrer Geheimdienste positiv ausgewirkt? Nein, ich vergesse den Anteil der USA an der Befreiung Deutschlands von der Nazi-Herrschaft nicht. Aber was darf vor diesem Hintergrund und mit Blick auf einen völlig unzuverlässigen US-Präsidenten Trump die Ukraine noch erwarten? Was glauben Sie, liebe Leserin, lieber Leser wird Trump machen, wenn Putin ihm den großen Deal verspricht? Der Westen sollte sich auf eigene Füße stellen, Europa muss sich selber helfen. Tim Weiner sieht das so: Trump „war bereit, Moskau die Ukraine zu überlassen, wie er es in Afghanistan mit den Taliban getan hatte. Dem größten europäischen Land stand eine bittere Zukunft bevor.“  Und es ist noch nicht vorbei.

Nein, es ist kein Trump-Buch, auch wenn dieser Text den Eindruck erwecken könnte. Aber am Ende des Buches stellt Tim Weiner selbst vor dem Hintergrund der radikalen Politik Trumps und seinen Attacken gegen die Meinungsfreiheit fest: „Unter einer solchen Regierung (gemeint Präsident Trump) hätte dieses Buch nicht offen erarbeitet und geschrieben werden können. Gut möglich, dass es für einige Zeit das Letzte seiner Art sein wird.“

Tim Weiner: Die Mission. Die CIA im 21. Jahrhundert. S.Fischer-Verlag. Frankfurt/M 2025. 608 Seiten. 29 Euro. ISBN 978-3-10-397505-5

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