Sie liegt in ihren letzten Zügen.
Und das alles wegen der Besetzung eines vakanten Postens am Verfassungsgericht in Karlsruhe?
Ja.
Manchmal sind es scheinbare Kleinigkeiten, die eine Ende einleiten.
„Petitessen“, wie Willy Brandt das so gerne nannte.
Aber eben nur scheinbar.
Es geht um eine existenzielle Attacke gegen unser Gemeinwohl, unsere demokratische Verfassung, die freiheitlichste, die Deutschland je hatte.
Was waren wir stolz darauf!
Nie wieder würde es Faschismus in Form von Nazi- Ideologie geben, haben wir immer wieder zu hören gekriegt.
Gut, wir ahnten schon damals, dass die Republik nur mit Hilfe alter PG aller Fraktionen wieder aufgebaut werden konnte.
Da war der wichtigste Mann an der Seite des ersten Bundeskanzlers, der die Nürnberger Rassegesetze 1935 entscheidend mit geprägt hatte, die die in den Öfen von Auschwitz und Birkenau ihr grausiges Finale fanden.
Der Ministerpräsident, der in den letzten Kriegstagen noch gnadenlos Todesurteile fällte, und 30 Jahre später ebenso gnadenlos Linken im Radikalenerlass Berufsverbot erteilte.
Um nur zwei Beispiele zu nennen.
Ja, das gab es alles. Es gab aber auch den Kanzler, der sich bittere und hasserfüllte Vorwürfe einfing, weil er nicht nur zwischen 1933- 45 aus dem Ausland gegen die Hitlerei kämpfte sondern später am Ort der Gräuel auf den Knien um Verzeihung bat.
Ich füge bewusst auch den Pfälzer hinzu, dessen Traum ein Europa ohne Grenzen und Nationalstaaterei war. Es schien ihm gelungen zu sein, trotz schwarzer Parteikassen und Spendenskandalen.
Wir hatten Demokratie gelernt.
Das hatten die Vorfahren in den Jahren 1919- 1933, in der Weimarer Republik nicht.
Als Weltkrieg I am 9. November 1918 endete, gab es keinerlei demokratische Erfahrung.
Der erste Kanzler Ebert, ein Sozialdemokrat, der bald darauf Präsident werden sollte, hätte am liebsten aus alter Gewohnheit den Kaiser nicht ins Exil nach Holland fliehen lassen, sondern als repräsentatives Oberhaupt behalten.
Mit seinem Inneminister Noske (auch SPD) zerschlug er 1919 und 1920 blutig Versuche, eine wirklich linke Republik entstehen zu lassen.
Die alte Wehrmacht, die Deutschland mit ihrer Führung in die Niederlage 1918 getrieben hatte, blieb in ihren Strukturen erhalten, und basierend auf dem Versailler Frieden von 1919, der Deutschland die alleinige Schuld mit irren Reparationen auferlegte, konnte die Republik nach einer kurzen Scheinblüte zwischen 1925- 1928 nicht überlebensfähig sein.
Wir waren eine ungelernte Demokratie – DAS ist der wesentlich Unterschied zur Bundesrepublik nach 76 Jahren Grundgesetz.
Heute ist niemand in diesem Land auch nur annähernd in einer Situation der frühen 1930er, als alles wirtschaftlich zusammenbrach und es so gut wie kein soziales Netz gab.
Diese Lage machte nicht allein, aber zum großen Teil Hitler möglich.
Woher kommt der Wunsch bei fast einem Drittel der Bevölkerung, einer gesichert rechtsextremen, die Verfassung beseitigen wollenden Partei das Ruder in die Hand zu drücken?
Ich raff das nicht!
Ist es Wohlstandsverwahrlosung oder einfach nur Russisch-Roulette?