Gewidmet der Spremberger Bürgermeisterin Christine Herntier, die sich mutig wehrt
Im Jahr der nächsten Bundestagswahl jährt sich zum 70. Mal die Entstehung des Lehrstücks „Biedermann und Brandstifter“ von Max Frisch, das mich damals als Gymnasiasten sehr beeindruckt hat.
Die topaktuelle Handlung ist schnell erzählt: Herr Biedermann lässt sich von 2 Ganoven einwickeln, ihnen den Dachboden seines Hauses zur Verfügung zu stellen. Stolz ist dieser Spießbürger auf seine zunächst tolerante, „mitmenschliche“ Duldung der Knastbrüder.
Als diese beginnen, Benzinfässer aufs Dach zu schaffen, hält er trotz intensiven Geruchs die ehrliche Fassbeschriftung für einen Scherz. Als in seinem Beisein auch eine Zündschnur verlegt und Holzwolle („wegen des guten Funkenflugs“) beschafft wird, beschließt er, die allmählich unheimlichen Dachbewohner zu einem Gänsebraten ins Wohnzimmer einzuladen, auf dass sie Freunde würden und sie ihm und seinem Haus nichts täten. Denn seine Frau und er hätten schon längere Zeit nicht gut geschlafen.
Ein Gauner fragt:
„Wofür halten Sie uns, Herr Biedermann?“
Biedermann:
„Sie müssen nicht denken, mein Freund, dass ich keinen Humor habe, aber ihre Art zu scherzen,
ich muss schon sagen!“
Der Gauner bestätigt:
„Scherz ist die drittbeste Tarnung. Die zweitbeste ist Sentimentalität. Aber die beste und
sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit. Komischerweise. Die glaubt niemand.“
Der Autor verdeutlicht das Geschehen durch den immer wieder auftretenden Chor der Feuerwehrleute – etwa mit folgenden Sätzen
Der Chorleiter:
„Dass Du sie duldest, die Fässer voll Brennstoff,
Biedermann Gottlieb, … was hast du gedacht?“
Biedermann:
„Gedacht? Meine Herren, ich bin ein freier Bürger. Ich kann denken, was ich will…. Ich habe das Recht, überhaupt nichts zu denken!
Und abgesehen davon: Was unter meinem Dach geschieht – ich muss schon sagen,
schließlich bin ich der Hauseigentümer!“
…und später: „kurz und gut, meine Herren, ich hab es satt, Ihr mit euren Brandstiftern!…
Kann man eigentlich nichts andres mehr reden heutzutage?
…Nicht jeder Mensch ist ein Brandstifter, Herrgottnochmal!…Ein bisschen Vertrauen…“
Der Chor:
„Uns nämlich dünkte, es stinkt nach Benzin.“
Biedermann trotzig:
„Ich rieche nichts… rein gar nichts!“
Die Taktik der Ganoven, ihr Tun und ihre Absicht nicht zu verbergen, geht auf, so dass sich Biedermann schließlich aus Angst, die Dachbewohner zu reizen, genötigt sieht, seinen gewachsenen Verdacht zu verleugnen; sie trieben aber den Scherz zu weit.
Und Biedermann schwört, sie nicht für Brandstifter zu halten; zum Beweis hilft er seinen „Freunden“ am Ende mit Streichhölzern aus.
Im Nachspiel bei Engeln und Teufeln beklagen sich Biedermanns, selbst in ihrem Hause verbrannt:
„ Was unsereiner durchgemacht hat! Wir sind schuldlose Opfer!“
Unsere deutsche Gesellschaft besteht aus vielen Biedermanns. Sie riechen und sehen die Gefahr. Aber ein Verbot von Benzinfässern im Dachgebälk ihrer schönen Villa könnte ja den Grundsatz „in dubio pro reo“ von Menschen verletzen, die gar nichts Schlimmes vorhaben, sondern nur mit liberaler Toleranz niemandem in den Arm fallen wollen, wenn Benzinfässer mitten im Leben positioniert, die Entrechtung von Minderheiten versprochen und Galgen für Volksverräter gefordert werden.
Ohne Einschränkung solcher „Freiheiten“ wird die Demokratie des Grundgesetzes allerdings keine gute Zukunft haben.













