Das Rezept klingt eigentlich ganz einfach: Wer Wahlen gewinnen will, muss den Leuten aufs Maul schauen, darf ihnen aber nicht nach dem Mund reden. Für die SPD bedeutet dies, sich wieder mehr um die Kernklientel zu kümmern, das sind die rund 46 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die jeden Morgen früh aufstehen und zur Arbeit gehen und am späten Nachmittag wieder nach Hause kommen. Müde zwar, aber zufrieden, weil man etwas geleistet hat. Wer aber seine Kernklientel aus den Augen verliert und in einen „Gerechtigkeitskampf für Leistungsempfänger und Minderheiten“ zieht, darf sich nicht wundern, wenn er, wie geschehen bei den Kommunalwahlen in NRW, nur noch auf 22 Prozent der Stimmen landesweit kommt. Sören Link hat in Duisburg gezeigt, wie man Wahlen gewinnen kann, auch Frank Dudda in Herne ist das gelungen wie auch Marc Herter in Hamm. Jeweils für die SPD, einst die alles beherrschende Partei im bevölkerungsreichsten Bundesland, die sich aber seit Jahren im Abstiegskampf befindet.
Wie hat er das gemacht, fragen sich viele. Von Frank Dudda las ich dazu: „Aus meiner Sicht wollen die Leute einen Gerechtigkeitsplan.“ Er zählte auf: Investitionen in Schulen, Kitas, Sprachförderung für Einwandererkinder, klare Kante gegen Sozialhilfemissbrauch. Von Marc Herter hörte ich: „Wir haben uns um die Dinge gekümmert, die die Menschen am Abendbrottisch beschäftigen.“ Ziel sei gewesen, Hamm zur „familienfreundlichsten Stadt Deutschlands“ zu machen. Also Kita-Gebühren halbieren, Schulen sanieren, Turnhallen bauen, Straßen reparieren, Busverkehr verbessern, Radwege errichten. Kostenloses ÖPNV-Ticket für Schüler und Auszubildende.
Den Bürgern zuhören
Und Sören Link(49)? Nein, gezaubert hat Sören Link nicht, aber er hat seinen Bürgerinnen und Bürgern zugehört, wenn sie ihm ihren Ärger erzählt haben, weil sie unzufrieden waren mit dem, was sich ihnen für Bilder vor ihrem Fenster oder ihrer Haustür boten. Wer hat schon gern volle Mülltüten vor seinem Haus, um nur ein Beispiel zu nennen. Und wer diese Probleme beim Namen nennt, ist kein Rassist.
Sören Link ist seit 13 Jahren Oberbürgermeister in Duisburg. Und seit mehr als einem Jahrzehnt beklagt er die Probleme, die Armutsmigration aus Südosteuropa und Sozialleistungsbetrug in der einstigen Stahl-Hochburg-und in anderen Städten des Ruhrgebiets- mit sich bringen. Und wenn schon „ein Minijob genügt, um als EU-Bürger umfassenden Zugang zu Sozialleistungen zu bekommen“, kann das Menschen verärgern. Nachzulesen im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, dem der Duisburger Wahlsieger Sören Link ein langes Interview gab, das es in sich hat und aus dem der Blog-der-Republik zitiert.
Mit Leib und Seele OB
Politikverdrossen sei er nicht, betont Sören Link am Anfang des Spiegel-Gesprächs. Er sei „mit Leib und Seele Oberbürgermeister“ und freue sich, wiedergewählt worden zu sein. Und wie, darf man hinzufügen, er musste zwar in die Stichwahl, hängte aber seinen AfD-Konkurrenten meilenweit ab. Daran sah man, wie beliebt der SPD-Mann in seiner Stadt ist, weil er bei den Menschen ist, wie das die Genossen in Rheinland-Pfalz seit über 30 Jahren erfolgreich sind: Nah bei de Leut, ist ihr Motto, die SPD hat der CDU dieses Land, in dem Helmut Kohl einst Ministerpräsident war und aus dem Heiner Geißler stammte, abgenommen, erst durch Rudolf Scharping, Kurt Beck setzte diese Politik fort, ihn löste Malu Dreyer ab und seit gut einem Jahr regiert Alexander Schweitzer in Mainz. Bodenständig, bürgernah, die Sorgen der Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stets im Blick. Was nicht heißt, dass man die Sozialpolitik vernachlässigt.
Das tut auch Sören Link nicht. Wer in Not ist, dem wird geholfen. Keine Frage. Das gilt auch für Flüchtlinge, für Ausländer. Aber, betont Link im Spiegel-Gespräch: „Wir stehen hier vor einer Gerechtigkeitsfrage. In Duisburg und in anderen Kommunen sind Menschen aus Rumänien und Bulgarien unter dem Vorwand der Arbeitnehmerfreizügigkeit als vermeintliche Arbeitnehmer eingewandert. Das bedeutet, dass für EU-Bürger ein Minijob ausreicht, um umfassende Sozialleistungen zu beziehen. Es kamen in der Folge Menschen zu uns, die nie in das Sozialsystem eingezahlt haben- aber nahezu von Beginn an Sozialleistungen beziehen, die aus ihrer Perspektive unfassbar hoch sind. Sie finanzieren sich damit ein besseres Leben, als sie es in ihren Herkunftsländern hatten. Sosehr ich das menschlich nachvollziehen kann, bleibt es ungerecht. Denn die einen gehen arbeiten und zahlen Steuern, die anderen halten die Hand auf und werden voraussichtlich niemals einer Arbeit nachgehen können, weil sie die Voraussetzungen nicht mitbringen.“
Arme in einer armen Stadt
Arme Menschen in einer armen Stadt. Duisburg hat rund eine halbe Million Einwohner, gemessen daran sind 26000 Rumänen und Bulgaren fünf Prozent. Eine Kleinigkeit? Sören Link erklärt das eigentliche Problem, das damit einhergeht: „Mehr oder weniger organisierter Sozialleistungsmissbrauch und die Unfähigkeit des Staates, den durch klare Regeln zu unterbinden.“
Es bietet sich folgendes Bild in einigen Bezirken. Sören Link beschreibt das im „Spiegel“-Interview: „Sie sehen dort an vielen Stellen überbelegte, schrottreife Häuser… Müllprobleme, offenliegende Stromkabel, rapide verfallene Straßenzüge, eine Wohnung, in der die Elektrizität abgeschaltet worden war, lief ein Dieselgenerator neben einem schlafenden Kind in einem Kinderzimmer. Dazu Erwachsene, die sich laut lautstark und teilweise auch aggressiv benehmen. Anwohner bekommen das Gefühl: „Hier kippt etwas.“ Das ist Gift für den sozialen Frieden.“
Das Problem ist, dass Deutschland einerseits die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU braucht, weil Branchen wie die Fleischindustrie ohne ausländische Arbeitnehmer „kaum lebensfähig“(Spiegel) wären. Man frage Clemens Tönnies in Rheda-Wiedenbrück. Aber, so betont Link im -Interview mit dem Hamburger Nachrichtenmagazin weiter, „was wir nicht benötigen, ist die missbräuchliche Einwanderung in die Sozialsysteme. Und es kann nicht Aufgabe der Stadt Duisburg und des Sozialstaats Deutschlands sein, all diese Menschen, die aus bitterster Armut in Rumänien und Bulgarien fliehen, hier mit staatlichen Geldern zu subventionieren.“
Schattenseite der Migration
Hier zeigt sich die Schattenseite der Armutsmigration. Der Wirtschaftsstandort Deutschland profitiert davon. Man tauscht den einen sozialen Frieden gegen den anderen ein. Ein Problem, das nur 20 größere oder kleinere Städte hätten, räumt Link ein, was sich aber weit verbreitet durch das Netz und Bilder, die politisch instrumentalisiert würden. Von der AfD. Sören Link findet: „Was hier passiert, ist ungerecht und muss aufhören.“ Ich kann ihn verstehen.
Kontrollen müssten her, fordert er, Melderechtskontrollen, um zu wissen, wer wo lebt und wer nur vorgibt, dort zu wohnen. Link wörtlich: „Damit versuchen wir, der Familienkasse zuzuarbeiten, damit die Kollegen dort gegen Kindergeldbetrug vorgehen können. Das Geschäftsmodell Kindergeldbetrug ist keine Raketenwissenschaft, das lässt sich unterbinden“.
Wer klare Kante als Kommunikationsstil bevorzugt, muss mit Kritik leben. Sören Link erweckt nicht den Eindruck, als scheue er diese Debatte. Er sah und sieht es als seine Pflicht an, gerade angesichts des anhaltenden Sinkflugs seiner Partei auf Fehlentwicklungen in der Migration hinzuweisen. Daran vorbei zu reden, mache ebenso wenig Sinn, wie Probleme schönzureden. „Die Menschen merken doch, dass Probleme existieren. Ich kann niemandem sagen: Da fliegt kein Müll aus dem Haus, wenn er direkt vor uns auf dem Gehweg landet. Migration ist eine schwierige Herausforderung, erst recht, wenn soziale Komponenten eine Rolle spielen“. Und die SPD hätte diese Probleme benennen müssen, das hätte ihr geholfen. Link vermisst einen Politiker vom Stil Gerhard Schröders, der klar artikuliert habe und kernig aufgetreten sei.
Ausgleich, Aufstieg, Ungerechtigkeit
Doch die Grundidee der SPD bleibe richtig und aktuell, so Sören Link im „Spiegel“: „Der soziale Ausgleich muss erkämpft, Aufstiegschancen müssen ermöglicht und Ungerechtigkeit muss bekämpft werden. Dazu gehört auch, dass der Staat gegen Sozialleistungsmissbrauch vorgehen muss. Die Uhr tickt, um dieses drängende Problem zu lösen.“
Neben der Bekämpfung sozialen Missbrauchs plädiert der SPD-Politiker Link dafür, dass „Steuerhinterziehung geahndet werden muss. Sie ist eine Straftat“, so Link in der Erklärung für den Blog-der-Republik. „Hier sind vor allem die Länder in der Verantwortung, denen die Bereiche der Steuerfahndung unterstehen.“
Auch in Fragen der Erbschaftssteuer sieht Sören Link politischen Handlungsbedarf. „Bei sehr hohen Erbschaften sollte der Staat etwas stärker eingreifen können. Und dabei geht es ausdrücklich nicht um das viel zitierte Eigenheim, das an die Kinder weitervererbt wird. Aber wenn große und sehr große Vermögen vererbt werden, dann sollte das schon gerecht besteuert werden. Ich hoffe, dass die Regierung die Kraft zu einer Neuregelung findet.“ Wenig Hoffnung scheint Link in der Frage der Vermögensteuer zu sehen. „Ich stehe ausdrücklich hinter der Forderung meiner Partei, sehr hohe Vermögen zu besteuern. ..Die SPD ist aber Teil einer Koalition, in der die CDU aktuell noch nicht zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer zu bewegen.“
Bildquelle: SPD Duisburg













