Die schwarz-rote Koalition hat sich also geeinigt auf einen Wehrdienst-Kompromiss. Das ist gut, aber kein Grund zum Jubeln. Denn die Einigung ist ja keine Lösung der Probleme, sollte es mal ernst werden, was wir nicht hoffen. Man fragt sich, warum Deutschland sich mit der Wieder-Aktivierung einer Wehrpflicht so schwer tut, die 2011 unter der CDU-Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Verteidigungsminister zu Guttenberg(CDU) angesichts der damaligen Sicherheitslage außer Kraft gesetzt, aber nicht abgeschafft worden war.
Es läuft in diesem Land eine merkwürdige Debatte. Vielfach hat man den Eindruck, dass die einen die Gefahrenlage verkennen. Bei anderen könnte man fast kommentieren: Ist mir doch egal. Ich werde mich für dieses Land, das für mich so wenig tut, auch nicht einsetzen und mein Leben schon gar nicht. Da macht sich ein Egoismus breit, den es früher so nicht gab. Gemeinsinn, Gemeinschaft, ein Wir-Gefühl, all das scheint bei nicht wenigen verlorengegangen zu sein. Lieber rot als tot? Auch das ist hin und wieder herauszuhören. So schlecht steht es mit diesem Land und seinen Bürgerinnen und Bürgern nicht.
Dabei kommt die Bedrohung doch eindeutig aus Moskau. Man kann über die Nato-Osterweiterung streiten, sie nicht für gut finden und dem Westen ein Stück Verantwortung dafür zuschieben, dass der russische Präsident Wladimir Putin darin eine Gefahr für sich und sein Riesenreich sieht. Aber es kann doch niemand widersprechen, dass Putin den Krieg gegen die Ukraine angefangen, dass er das einstige Bruderland überfallen hat. Es ist doch wohl unstreitig, dass er Kriegsverbrechen begangen hat beziehungsweise seine Truppe. Die Entführung von Kindern aus der Ukraine, das Vergewaltigen ukrainischer Frauen durch russische Soldaten, die pausenlosen Angriffe mit Raketen, Bomben und Drohnen auf zivile Ziele, um die Infrastruktur, Straßen, Brücken, Energie, Wasser zu zerstören, damit die ukrainische Bevölkerung mürbe und kriegsmüde gemacht wird. Russland will sich die ganze Ukraine einverleiben und wenn Kiew sich weiter dagegen wehrt, will man das Land vernichten.
Das alles wäre schon schlimm genug, aber dass sich Putin damit zufrieden geben würde, bezweifeln viele Politiker und Experten in ganz Europa. Sie befürchten vielmehr, dass er nach der Eroberung/Vernichtung der Ukraine die baltischen Staaten angreift, dass er in Polen einmarschieren würde, dass er am Ende eine Bedrohung für Europa ist, auch für Deutschland. Deshalb müssen wir wieder aufrüsten, die Bundeswehr verteidigungsfähig, oder wie es Pistorius sagt, kriegstüchtig machen. Deshalb der notwendige Streit über den Wehrdienst, den vor allem die SPD nicht mehr so haben will, wie er einst war, und wie er damals auch unter den SPD-Kanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt akzeptiert wurde. Mit der Möglichkeit, den Kriegsdienst zu verweigern und stattdessen einen Ersatzdienst zum Beispiel in Pflegeberufen zu leisten. Bundeswehr, Wehrpflicht, Ersatzdienst waren gesellschaftlich anerkannt.
Allerdings muss man einräumen, dass 2011, als die Regierung Merkel die Wehrpflicht außer Kraft setzte, die Bundesrepublik von Freunden umzingelt war, niemand sah eine Kriegsgefahr, die Sowjetunion hatte sich aufgelöst, der Eiserne Vorhang lag auf dem Schrottplatz. Sehr zum Verdruss von Putin, der das Ende der sowjetischen Weltmacht- herbeigeführt von seinen Amtsvorgängern Gorbatschow und Jelzin- als größte Katastrophe bedauerte.
Wir rüsten nach und auf, wir machen die Bundeswehr wieder zu einer Verteidigungsarmee, all das innerhalb der NATO, die auch ihre militärischen Anstrengungen verstärkt, um sich und uns verteidigen zu können für den Fall eines russischen Angriffs auf das Baltikum, Polen, Deutschland. Nicht mehr und nicht weniger. Niemand in Westeuropa, nicht Deutschland, nicht Frankreich, nicht England will einen Krieg führen gegen Russland. Wir rüsten auf, investieren Milliarden, damit es keinen Krieg gibt. Wir bilden junge Leute zu Soldaten aus, damit sie nicht in den Krieg ziehen müssen. So war es im Kalten Krieg, so soll es jetzt sein. Als Abschreckung.
Andere Länder haben angesichts der Bedrohung der Nato-Staaten den Wehrdienst längst aktiviert. Deutschland hat einen Kompromiss beschlossen, weil es eine Wehrpflicht für alle in Betracht kommenden Jahrgänge scheut. Kritiker urteilen, da gehe Parteiräson vor dem Sicherheitsinteresse. Ich denke, das ist zu kurz gegriffen, ohne den Kompromiss hätte es keine Lösung gegeben. Und dann stünde die schwarz-rote Regierung vor einem Scheiterhaufen.
Ja, es ist eine Lösung, die Union und SPD das Gesicht wahren lässt. Verteidigungsminister Boris Pistorius hat sich hier durchgesetzt, dass alle Männer eines Jahrgangs gemustert werden. Damit hat der Minister eine Idee, die zwischenzeitlich diskutiert wurde, nämlich nur einen Teil eines Jahrgangs für die Musterung auszulosen, zum Scheitern gebracht. Man muss sagen, zum Glück. Denn mit einer solchen Lösung hätte er immer noch nicht die Frage beantworten können, wer im Ernstfall eingezogen wird. Denn das muss er wissen, ohne den Ernstfall bleibt der Wehrdienst freiwillig.
Die Union hat durchgedrückt, dass die Musterung neuer Rekruten schon Anfang 2026 beginnt, wobei man sich fragen muss, ob das überhaupt in dieser kurzen Zeit geht. Denn es fehlen die Räume, in denen die jungen Männer gemustert werden sollen, sie müssen angemietet werden, man braucht Personal, das mustern soll, es muss angeworben und geschult werden.
Ferner muss der Verteidigungsminister nach dem Verlangen der Union alle sechs Monate dem Parlament berichten, ob die Personalziele auch erreicht werden. Unklar bleibt vorerst, was passiert, wenn die angestrebten Zahlen nicht erreicht werden.
Die SPD kann für sich geltend machen, dass der Wehrdienst freiwillig bleibt und dass die zivilen Freiwilligendienste gestärkt werden. Man merkt, dass Teile der SPD, allen voran die Jusos und die Parteilinke dem Militärischen distanziert gegenüberstehen, um es höflich zu formulieren. Dabei erkennen sie aber durchaus die Bedrohung durch Russland für Europa an.
Die Koalition, der Kanzler, sein Vize, der Verteidigungsminister, die Fraktionschefs können aufatmen, der Kompromiss ist da, die Regierung hat ihre Handlungs-Kompetenz unterstrichen, sie hat geliefert. Das allein ist schon angesichts des Dauerstreits in Berlin quasi in jedem Bereich ein Erfolg, aber es ist eben auch nur ein Formelkompromiss, der das Grundproblem nicht beiseite schiebt, man geht eine Wette auf die Zukunft ein. Niemand kann auch nur annähernd garantieren, dass sich genügend Freiwillige melden, um den Dienst an der Waffe in der Bundeswehr und für die Sicherheit der Bundesrepublik zu leisten. Ob ein attraktiver Wehrsold, ein Zuschuss zum Führerschein und großflächige Werbeplakate an den Straßen und in den U-Bahnhöfen des Landes ausreichen, um die Distanz zur Bundeswehr, zu unserer Gesellschaft und zur Bundesrepublik zu überbrücken, ist mehr als fraglich.
Es fehlt mir auch an der Entschlossenheit der politischen Führung in dieser Frage, die eines Tages lebensbedrohend sein kann. So richtig engagiert sich niemand, weder der Kanzler noch sein Vize und auch die Regierungsparteien nicht, als scheuten sie hier, Farbe zu bekennen. Dieses Land ist es ungeachtet aller Kritik an manchen Zuständen Wert, dass man es verteidigt. Ein besseres hatten wir nie.
Bildquelle: Picryl, Public Domain














DER ERFUNDENE FEIND
Weil Deutschland keinen Feind bereits über Jahre mehr hat, muss ein Feind erfunden werden.
Nur damit wird man der neuen Euro- NATO gerecht und kann eine sinnlose Aufrüstung rechtfertigen.
Die beiden größten Länder der Erde Russland und China brauchen keine Erweiterungen, sie haben genügend
eigene Probleme.
Im Rahmen einer neuen Globalisierung ist auch ein neuer weltweiter Fortschritt zu realisieren, in Frieden und Wohlstand für die Menschen.