Man muss sich nicht gleich dem Urteil von Andreas Audretsch anschließen, dem Vizevorsitzenden der Grünen im Bundestag, dass sich Jens Spahn „zum schlechtesten Fraktionsvorsitzenden aller Zeiten“ entwickelt. Aber die Frage ist berechtigt, was dieser bisher getan hat, um die Kuh vom Eis zu holen bei der Frage der Gesetzgebung zur Rentenreform. Unabhängig vom Inhalt muss man doch feststellen, dass die Kommunikation in die Öffentlichkeit nur als unprofessionell, ja dilettantisch zu bezeichnen ist. Es wäre Spahns Aufgabe gewesen, beim Gesetzentwurf der Bundesregierung, der ja erst noch im Bundestag beschlossen werden muss, in seiner eigenen Fraktion und mit dem Koalitionspartner, also der SPD, zu sondieren, welche Änderungs- oder Modifikationsmöglichkeiten denkbar sind – und das sehr offensiv zu kommunizieren. Alle Beteiligten auf Regierungsseite und in den Mehrheitsfraktionen hätten viel Dampf aus dem Kessel nehmen können, wenn sie von Anfang an die alte Weisheit betont hätten, dass kein Gesetz aus dem Bundestag herauskommt, wie es hineingegangen ist.
Eine derartige Aussage muss man weder vom Kanzler noch von den übrigen Kabinettsmitgliedern erwarten, sehr wohl aber von einem oder beiden Fraktionsvorsitzenden der – darf man es so nennen? – Koalitionspartner. Jeder, der die Gewaltenteilung ernst nimmt und nicht erwartet, dass im Bundestag nur noch abgenickt wird, was die Regierung für richtig hält, hätte Verständnis für diese Rollenverteilung gehabt – wenn sie von Anfang an praktiziert und kommuniziert worden wäre. Jetzt ist es dafür eigentlich zu spät, weil es nur noch als müder Versuch gewertet würde, eine gesichtswahrende Lösung zu finden. Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch hat hier im Übrigen zu wenig Erkennbares getan, das für ein reibungsloseres Funktionieren der Koalition hätte sorgen können. Eine verpasste Chance, die sichtbar gemacht hätte, wie ernst es beiden politischen Seiten ist, gemeinsam erfolgreich zu sein.
Dass alle Schuld an dem Schlamassel auf Kanzler Friedrich Merz geschoben wird, ist ebenso falsch, wie es richtig ist, dass sich CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann in dieser Angelegenheit vornehm zurückhält. Die – zumindest nach außen hin – nicht deutlich genug erkennbaren Aktivitäten des CDU-Fraktionsvorsitzenden Spahn sind jedoch enttäuschend. Er hat seine Rolle anscheinend bis jetzt noch nicht gefunden. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt: Vielleicht gelingt es ihm ja doch noch, im Bundestag auch von Seiten der SPD ein Verständnis und die Bereitschaft dafür zu gewinnen, dass die Funktion des Bundestags im Sinne der Gewaltenteilung nicht weiter ausgehöhlt wird. Die bisherige Debatte über die Rentenreform ist auf jeden Fall ein Beispiel für misslungene Kommunikation und sollte sich nicht wiederholen.













