Hysterische Arbeitgeberverbände zeichnen ein Zerrbild der sozialen Lage in Deutschland / SPD kämpft für den Sozialstaat
Verbände der deutschen Wirtschaft und der Arbeitgeber haben sich in einen Wettbewerb um die Zeichnung des düstersten Gemäldes der Lage in Deutschland begeben. Sie beschreiben und beschreien unser Land am Rande des Absturzes in ein wirtschaftliches und soziales Elend. Dabei werden sie nur noch von der AfD übertroffen, deren Vorsitzende Weidel Deutschland mit der Lage auf der legendären Titanic vor deren Untergang in der eiskalten Arktis vergleicht. Dass die Bundesrepublik Deutschland immer noch die stärkste Volkswirtschaft in der Europäischen Union und die drittstärkste Volkswirtschaft in der Welt ist, wird mal eben an die Seite gewischt und dass das Leben und Arbeiten in unserem Land trotz aller Probleme, die es gibt, immer noch für den weitaus größten Teil der Bevölkerung attraktiv und auskömmlich ist, wird ignoriert. Stattdessen wird der gesamte Sozialstaat mit seinen Leistungen für Rentnerinnen und Rentnern, für Gesunde und Kranke, für zu pflegende Menschen und für ihre Pflegerinnen und Pfleger, für arbeitslose und arbeitssuchende Menschen, für die soziale Sicherheit in allen Lebenslagen, für Sicherheit im Alltag, für die Würde des Menschen als Verpflichtung aller staatlichen Gewalt negiert und in seinen Grundfesten zu erschüttern versucht. Ja, es muss so deutlich benannt werden: Ein Großteil der Verantwortlichen in Wirtschaft und Unternehmen, großen und kleinen, will aus kleinlichen und kleinkarierten Gründen den Sozialstaat schleifen, will die sozialen Leistungen für die Menschen kürzen oder gar ganz streichen. Diese sich selbst so nennenden Unternehmerinnen und Unternehmer wollen nur den eigenen Vorteil sichern oder sogar vergrößern – zulasten anderer. Das ist unsozial und das ist für unsere Gesellschaft lebensgefährlich.
Arbeitgeber lachen Ministerin Bas höhnisch aus
In dieser aufgeheizten Stimmung, angefeuert von ideologisch bornierten Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern und begleitet von ebenso eingestellten Medien, ist es schwer, den Blick auf die Realität zu lenken und sich politisch nicht instrumentalisieren zu lassen. Wer darauf hinweist, dass es ohne einen funktionierenden Sozialstaat keine verlässliche und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und damit keine gute Zukunft für Unternehmen und Unternehmerinnen und Unternehmer geben kann, wird inzwischen öffentlich niedergemacht. Und wer wie die SPD-Vorsitzende und Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas das vieldiskutierte Rentengesetz mit der Absicherung des Rentenniveaus auf 48 Prozent sachlich erläutert, wird beim Arbeitgebertag höhnisch ausgelacht. So weit ist es inzwischen gekommen. Weil die Ministerin das nicht einfach hinnimmt und sich dagegen wehrt, wird sie von den Verbänden der Arbeitgeber angegriffen und an den Pranger gestellt. Schlimm!
Der sogenannte DeutschlandTrend den das Meinungsforschungsinstitut Infratest-Dimap für die ARD ermittelt, hat herausgefunden, dass die übergroße Mehrheit dafür ist, dass das Rentenniveau von 48 Prozent gesichert wird. Gegen eine Absenkung, wie sie von der sogenannten Jungen Gruppe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion verlangt wird, haben sich 76 Prozent der befragten Menschen ausgesprochen. Das ist eindeutig. Deshalb ist es richtig, dass die SPD an ihrer Linie festhält und diese im jetzt abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren auch durchgesetzt hat. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können sich jedenfalls darauf verlassen, dass ihre Interessen für eine verlässliche Absicherung auch im Alter von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gegen viele Widerstände vertreten werden. Da können Arbeitgeber und ihre Verbände mit medialer Unterstützung – ganz vorn der Springer-Verlag mit Bild und Welt – noch so viel Sturm laufen, die Menschen fallen darauf nicht rein und die SPD steht.
Stern schreibt: Gut gemacht, Frau Bas!
„SPD-Chefin Bärbel Bas hat mit einer Kampfansage die Arbeitgeber erzürnt. Deren Verbände beschweren sich über ihren Ton. Ach Gottchen, da jammern ja genau die Richtigen!“ Das schreibt Nico Fried im Magazin „Stern“ und weiter: „Gut gemacht, Frau Bas! Wenn es angeblich den Untergang des Wirtschaftsstandortes Deutschland vorantreibt und die Gesellschaft spaltet, dass eine SPD-Chefin ein paar – sicherlich unbequeme – Wahrheiten ausspricht, dann ist das eher ein Zeichen dafür, dass es höchste Zeit, war, von politischer Seite der organisierten Arbeitgeberschaft endlich mal wieder Paroli zu bieten. Sie scheinen es nicht mehr gewohnt zu sein.“
Seit vielen Jahren mäkeln die Verbände der Arbeitgeber über politische Entscheidungen. Keine Regierung konnte es ihnen jemals recht machen. Selbst Kanzler Schröders Agenda 2010, die von CDU/CSU bekämpft und über den Bundesrat verwässert worden ist, war ihnen damals nicht genug. Umgangssprachlich heißt das: sie kriegen den Hals nicht voll! Dabei hätten gerade die Arbeitgeberverbände alle Hände voll zu tun, mit den Unzulänglichkeiten in den eigenen Reihen aufzuräumen. Dass die Tarifbindung in Deutschland auf einen historischen Tiefpunkt angekommen ist, haben jedenfalls nicht Bundesregierungen und schon gar nicht die SPD bewirkt. Sie sind auch kein Ergebnis sozialpartnerschaftlichen Verhaltens. Auch der Kampf gegen den Mindestlohn und seine notwendigen Erhöhungen macht die bigotte Haltung im Arbeitgeberlager deutlich. Sie wollen niedrige Löhne und schicken ihre Beschäftigten lieber als sogenannte Aufstocker zum Job-Center, um anschließend lautstark die hohen Sozialkosten zu beklagen. Und die vielen Fehlentscheidungen und Fehlinvestitionen vor allem in großen Unternehmen haben nicht Betriebsräte und Gewerkschaften zu verantworten. Für die Folgen, die die Beschäftigten direkt treffen, sollen allerdings Politik und Gesellschaft Verantwortung übernehmen. Es wird höchste Zeit, dass diese schweren Fehler von den Verbänden wenigstens eingestanden werden, anstatt mit dem Finger immer auf andere zu zeigen. Nochmal Nico Fried: „Die großen Arbeitgebertage sind verkommen zu Tribunalen, bei denen sich die Politik rechtfertigen muss, nur um sich immer neue Klagen über den Standort Deutschland anzuhören, Warnungen vor Abwanderung und Drohungen mit Arbeitsplatzabbau. Das Einzige, was auf diesen Veranstaltungen äußerst selten beklagt wird, sind eigene Irrtümer, strategische Fehlentscheidungen ganzer Industrien oder gar die Raffgier einzelner Unternehmensführer. Zu blöd für ihre Aufgabe ist in Deutschland natürlich immer nur die Politik.“
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Das ist in Artikel 20 des Grundgesetzes niedergeschrieben, der wie der Artikel 1, der die Würde des Menschen als unantastbar festlegt, durch die Ewigkeitsklausel geschützt und nicht verändert werden darf. Aus dem Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 erwächst die staatliche Verpflichtung, soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit für die Menschen in Deutschland zu gewährleisten. Ja, die Sozialpolitik darf nicht als Abfallprodukt der Wirtschaftspolitik verunglimpft werden. Sie ist eine eigenständige staatliche Aufgabe, die die Menschen schützen und stützen soll. Für nicht wenige Arbeitgeber und ihre Verbände reduziert sich Sozialpolitik allerdings auf ein Anhängsel der wirtschaftlichen Entwicklung. Sie kleiden das in den gängigen Zweisatz, dass nur verteilt werden könne, was zuvor erwirtschaftet worden sei. Was für Unternehmen und ihre Wettbewerbsfähigkeit durchaus gilt, ist aber nicht so einfach auf die staatliche Verantwortung zu übertragen. Für das große Ganze ist soziale Sicherheit der Menschen nicht nur eine persönliche Absicherung, sondern in Summe die entscheidende Grundlage für eine gute wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen. Soziale Sicherheit ist eben nicht die bequeme Hängematte für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern sie ist Sprungbrett für das persönliche Wagnis im Wandel, für Veränderungen, für Neues. Übrigens erwarten nicht wenige Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, dass unser Staat für die Bereitstellung der von ihnen so dringend benötigten Fachkräfte sorgt, obwohl so manche von ihnen sich den Mühen der betrieblichen Ausbildung entziehen.
SPD muss sich treu bleiben und Haltung zeigen
Solchen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern mit ihren willfährigen Verbandsvertretern den politischen Kampf anzusagen, ehrt eine sozialdemokratische Arbeits- und Sozialministerin. Bärbel Bas hat Haltung gezeigt. Darauf kommt es in solchen Situationen an. Nicht einknicken, nicht zurückrudern, sondern stehen bleiben, für die eigene Überzeugung kämpfen, also Haltung zeigen. Selbstverständlich weiß die Ministerin durchaus zu unterscheiden, dass es auch andere im Arbeitgeberlager gibt, die die soziale Stabilität, die staatlich geförderte Qualifikation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie den großen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu schätzen wissen und das nicht aufgeben möchten. Aber die müssen sich dann auch mal deutlich zu Wort melden, müssen sich an die Seite der Ministerin stellen. Der Blick in die Vereinigten Staaten von Amerika unter Trump oder nach Osten in die geknechtete russische Gesellschaft oder die skrupellose chinesische Gewaltherrschaft macht doch deutlich, dass das keine erstrebenswerten Verhältnisse für uns sind. Dort mögen die unternehmerischen Erfolgsaussichten noch so verlockend sein, für ein friedliches und sicheres Leben nach unseren gewohnten Maßstäben eignen sich diese Gesellschaften nicht.
Nach den skandalösen Angriffen der Trump-Regierung auf die europäischen Demokratien müssten die Arbeitgeberverbände endlich aufwachen und unseren demokratischen sozialen Rechtsstaat zusammen mit den Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft verteidigen. Das wäre gelebte Sozialpartnerschaft und das würde ihnen helfen, aus ihrem isolierten Elfenbeinturm heraus und in die Wirklichkeit zu kommen. Dass die sich selbst so nennende AfD inzwischen ganz unverhohlen um die Unterstützung der ideologisch aufgeladenen Trump-Prätorianer wirbt, die die Vernichtung der Europäischen Union und die Beseitigung der europäischen Demokratien mit ihren humanitären und sozialen Grundlagen verlangt, müsste selbst den verbohrtesten Unternehmerinnen und Unternehmern die Augen öffnen. Mit Kontakten zur AfD und mit Einladungen zu Gesprächen mit ihren Vertretern mutieren Unternehmerinnen und Unternehmer zu Helfershelfern rechtsextremistischer Umtriebe. Solche Verhaltensweisen haben Deutschland schon einmal in die Diktatur getrieben. So geschichtsvergessen sollten selbst die härtesten SPD-Gegner im Arbeitgeberlager nicht sein.
Die SPD muss sich jedenfalls treu bleiben, ihrer Geschichte verpflichtet. Auch deshalb ist Bärbel Bas zuzustimmen, deshalb braucht sie Rückhalt. Ein funktionierender Sozialstaat ist die beste Grundlage für die Sicherung der sozialen und politischen Stabilität in unserem Land. Und er bildet eine Brandmauer gegen die Verfassungsfeinde, die unsere Demokratie und unsere demokratischen Institutionen beseitigen wollen. Die Wahlergebnisse für diese in den größten Teilen rechtsextreme AfD sind jedenfalls keine Entschuldigung für Rücksichtnahme im Kampf gegen die Verfassungsfeinde in der AfD. Im Gegenteil: Sie sind Ansporn und Antrieb zugleich, diese Verfassungsfeinde zu bekämpfen.
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