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Home Politik

Annalena Baerbock ist das Lächeln vergangen

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
14. Juni 2021
Baerbock

Nein, eine Kanzlerkandidatin der Grünen muss kein akademisches Studium absolviert haben, nicht den Doktorgrad in Wirtschaftswissenschaften oder Jura erlangt haben. Das ist nicht erforderlich. Aber eines muss eine Kandidatin wie Annalena Baerbock können: Ihre Angaben zu ihrem Lebenslauf müssen stimmen, nicht nur das Datum der Geburt,  Geburtsort, sondern vor allem ihre persönlichen Angaben zu ihrem Leben, zu ihrem beruflichen Werdegang, und wenn vorhanden zu ihrem Studium. Und wenn sie weitere Angaben macht zu ihren Tätigkeiten in Brüssel oder sonst wo, müssen sie stimmen. Es ist nicht nur, wie es die „Süddeutsche Zeitung“ in ihrem Leitartikel urteilt, der Schludrigkeit der Kandidatin zu verantworten, wenn diese Angaben, die von ihr sind, nicht richtig sind. Dieser „gedopte Lebenslauf“-so die SZ- hat sie angreifbar gemacht, weil sie mehr sein, mehr darstellen will, als sie ist. Und diese „Schummeleien“ sind eben meiner Meinung nach kein Zufall, das ist so gewollt gewesen von der Grünen Frontfrau. Um anderen zu imponieren, um zu gefallen im Rennen um die Macht. Eine Weile haben führende Medien mitgespielt, haben sie hochgejubelt. Jetzt hat der Alltag sie erfasst und jetzt bekommt sie zu spüren, was ein inzwischen älterer Grüner, Joschka Fischer, der die Grünen 1998 erstmals unter dem Kanzler Gerhard Schröder(SPD)in die Bundesregierung führte, mit seinem Hinweis meinte: Das Kanzleramt sei die Todeszone. Wer so hoch hinaus will, lebt gefährlich. Der darf keine Fehler machen, weil er im Licht der Öffentlichkeit steht, jeder Schritt beobachtet, jede Begegnung gefilmt, jede Äußerung auf die Waage gelegt wird.

Die Fehler und Ungereimtheiten der Frau Baerbock sind eben nicht mit einer Handbewegung wegzuwischen. Und wenn dazu noch weitere Unklarheiten kommen, wenn Nebeneinkünfte erst nachgemeldet werden, wenn die Bundestagsabgeordnete Baerbock sich mehrfach korrigieren muss, weil einige Aussagen von ihr einfach nicht so ganz stimmen, ja dann wird nachgefragt, nachgeforscht, weil man ja wissen will, wer denn diese Frau Annalena Baerbock in Wirklichkeit ist. Denn in Wirklichkeit ist sie keine Völkerrechtlerin, hat sie keinen Bachelor und wie sieht es eigentlich mit dem Master aus, den sie in London erworben hat? Für umgerechnet 11000 Euro hat sie einen Jahreskurs an der LSE-London School of Economics- absolviert. Ihre Promotion hat sie nicht abgeschlossen, Unstimmigkeiten ergaben Nachfragen nach angeblichen Mitgliedschaften im UNHCR, die es für Einzelpersonen gar nicht gibt und beim German Marschall Fund, wo sie mal einen Kurs machte, nicht mehr. Auch das mit der Büroleiterin bei der EU musste korrigiert werden. Und so weiter, und so weiter. In ihrem neuesten Buch, dessen Rezension ich gerade in der SZ gelesen habe, und das den vielsagenden Titel trägt: „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“ schreibt die Kanzlerkandidatin über ihren Lebenslauf nur so viel: „Sie habe Politik und im Nebenfach öffentliches Recht studiert und sei später an die London School of Economics gewechselt.“ Zitiert nach der SZ. Warum hat sie diese schlichte Form nicht schon immer gewählt?

So bleiben Fragen zum Studium in Hamburg, zur begonnenen Promotion, zum Master-Abschluss in London, zu Tätigkeiten und Mitgliedschaften. Immerhin will Annalena Baerbock Bundeskanzlerin werden. Da wüsste man von ihr vor der Wahl schon Genaueres. Warum will sie mehr scheinen als sein? Hat sie das nötig? Ja, diese Fragen kommen mir in den Sinn. Und Frau Baerbock musste sich diese Fragen von den ARD-Kollegen vor Tagen gefallen lassen.  Zu Recht. Ich verabscheue den Hass und die Hetze in den sozialen Netzen, mit denen sich Frau Baerbock auseinandersetzen muss, seit sie ihren Anspruch aufs Kanzleramt formuliert hat, seit sie die Erste Frau der Grünen ist, weil Robert Habeck verzichtet hat. Aber sie muss liefern und was sie abliefert, muss passen, auf Punkt und Komma. Sie strebt nach dem politisch wichtigsten Amt, das diese Republik zu vergeben hat. Da geht es um viel, sehr viel, für sie, für uns, für alle. 

Der Grünen Parteitag hat Annalena Baerbock mit sensationellen fast 99 Prozent der Stimmen die Kanzlerkandidatur übertragen. Wie schon zuletzt war es eine gefällige Inszenierung der Partei, die sich diszipliniert verhielt und ihren führenden Leuten keine Steine in den Weg legte. Man spürte durch alle Tage den Willen der Grünen, nach der nächsten Bundestagswahl mindestens mitregieren oder am besten die Kanzlerin stellen zu wollen. Deshalb gaben sie sich kompromissfähig, hielten sich Linke in der Partei mit überzogenen Forderungen zurück, suchen sie die Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern, kündigen sie an, sich um Geringverdiener kümmern zu wollen. Was aber nicht heißt, dass es den Grünen vor allem um Benachteiligte und Unterdrückte der Gesellschaft geht. Sie wollen mehr, deshalb betonen sie auch „Deutschland. Alles ist drin.“ Sie zielen auf alle konkurrierenden Parteien, auf die Union, die SPD und die FDP und deren Wählerschaft, um ihnen die Erbhöfe streitig zu machen.

Baerbock hat ihrer Rede am Schluß, als das Mikrophon noch offen war, das Wort „Scheiße“ hinzugefügt. Vielleicht meinte sie damit nicht nur ihre Rede, die nicht überzeugte, sondern alles, was mit ihrer Selbstdarstellung zu tun hatte, mit ihrem Lebenslauf und ihren Daten mit all den Ungereimtheiten. Ob diese Gesellschaft in ihrer Mehrheit dieser Grünen Kanzlerkandidatin auf dem Weg zum ökologischen und generationsgerechten Umbau folgen wird, erscheint mir mehr als fraglich. Annalena Baerbock hat vor Monaten noch eine Ausstrahlung gehabt, die man als Signal an die jüngere Generation verstehen konnte, an die Frauen, an alle, die bereit sind, diesen Staat entsprechend den Notwendigkeiten des Klimawandels zu verändern. Frau Baerbock war das strahlende und alles überzeugende Gesicht einer solchen politischen Bewegung. Der Kandidatin ist inzwischen durch eigene Fehler das Lächeln vergangen. Sie ist mehr als angeschlagen. Annalena Baerbock hat ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt.

Bildquelle: flickr,  Bündnis 90/Die Grünen Nordrhein-Westfalen, CC BY-SA 2.0

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