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Home Politik

Antisemitismus,Hass und Hetze

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
15. Mai 2021
Ignatz Bubis

Ignaz Bubis, der frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, pflegte sich stets als deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens zu nennen. Damit hatte er Recht. Denn als Deutscher hatte er Rechte und Pflichten, durfte wählen, hatte wie alle anderen Deutschen auch die Rechte des Grundgesetzes auf seiner Seite. Natürlich. Selbstverständlich ist das. Wenn wir weiter zurückblicken in die Geschichte, stoßen wir auf Deutsche jüdischen Glaubens, die im Ersten Weltkrieg für das Deutsche Reich gekämpft und ihr Leben gelassen haben. Und die dann dennoch von Hitler, Himmler, Goebbels und Co. ermordet wurden. Wieso in Deutschland lebende Juden immer mal wieder verantwortlich gemacht werden für die Politik des Staates Israel, das hat mit Politik nichts zu tun. Das ist der Versuch der Diffamierung von Juden in Deutschland, das ist der Beginn von Antisemitismus, der sich ja auch in Hass und Hetze im Netz und auf der Straße ausdrückt. Der sich zeigt im Verbrennen von israelischen Flaggen vor Synagogen, der sich äußert auf sogenannten Demonstrationen, auf denen sogenannte Demonstranten „Scheiß Juden“ grölen. All das ist Antisemitismus, es ist kriminell, es handelt sich um Straftaten, die zu ahnden sind und zwar ohne Wenn und Aber.

Es hat mich mehr als gestört, als ich vor Tagen im Rundfunk die Meldung hörte, vor der Bonner Synagoge in der Tempel-Straße hätten Menschen demonstriert, mit Steinen gegen das Glas oberhalb der Eingangstür geworfen, die Scheibe beschädigt, sie zeigte Risse. Ich hab es mir am nächsten Morgen angesehen.  Da stand dann ein Polizeiauto mit zwei Polizisten im Innern des Fahrzeugs. Warum war am Tag vorher kein Streifenwagen an der Synagoge? Es war doch nach den ersten Meldungen über Schüsse vom Gaza-Streifen auf Israel und der israelischen Gegenwehr klar, dass Synagogen von Israel-Feinden aufgesucht würden, um herumzuschreien. Ich begreife das nicht, ich habe es schon nach Halle nicht begriffen. Wo war damals die Polizei, als es passierte?

Auch 76 Jahre nach dem Ende des Nazi-Terror-Regimes, 76 Jahre nach der Befreiung der letzten Konzentrationslager wie in Dachau, 76 Jahre nach Ende des Holocaust, oder um es mit Richard von Weizsäcker zu sagen: 76 Jahre nach der Befreiung von Nazi-Deutschland durch die Alliierten bleibt Deutschland das Land, in dem das Schreckliche stattgefunden hatte: Der Völkermord an den Juden, dem sechs Millionen Menschen jüdischen Glaubens in ganz Europa zum Opfer fielen. Und 76 Jahre später passiert es immer mal wieder, dass im Land der Täter, der Erfinder des industriellen Massenmords gegen Juden gepöbelt wird, dass sie angegriffen und verleumdet, ihre Flaggen angezündet werden. Ich schäme mich, dass so etwas immer mal wieder möglich ist, hier bei uns in Deuschland. In Bonn ist es wieder passiert, in Gelsenkirchen, in Münster, in Solingen.

„Schauen Sie nicht weg“, hat der Zentralrat der Juden am Freitag gefordert. Allein, dass dies nötig ist, ist beschämend. Man müsste eigentlich erwarten, dass die Mehrheit der Deutschen die Feinde der Juden- und es sind ihre Feinde- beim Namen nennt, sie zur Rede stellt, vor ein Gericht bringt, damit sie bestraft werden. Vor Jahren schon haben wir den Aufstand der Anständigen gefordert. Wo ist er, dieser Aufstand gegen den Mob? Volksverhetzung ist kein Kinderspiel. Und wer israelische Flaggen vor einer Synagoge anzündet, der begeht Volksverhetzung. Das ist keine politische Demonstration, das ist kriminell und sollte als solches auch bestraft werden. Diese Leute, diese Hasser und Hetzer müssen wissen und spüren, dass sie eine Minderheit sind, die wir verachten und deren übles Tun wir nicht bereit sind, zu akzeptieren. Es reicht ganz offensichtlich nicht, immer wieder nur das „Nie-Wieder“ zu sagen bei bestimmten Anlässen, wenn es darum geht, der Nazi-Verbrechen zu gedenken, wenn wir uns versammeln, um an den Mut der wenigen NS-Widerständler zu erinnern. Es reicht nicht, zumal wir nicht das ganze Volk erreichen. Es gibt zuviele Sympathisanten, der politische Arm des Rechtsextremismus hat ja ohnehin seit Jahren einen Platz in allen Landtagen, im Bundestag und im EU-Parlament. Man fasst sich an den Kopf.

Nichtjüdische Deutsche haben diese deutsche Vergangenheit, die schwer wiegt und nicht so schnell vergessen wird, mitzutragen. Auch für sie gilt, dass zur deutschen Staatsräson das Existenzrecht Israels gehört, zu einem Staat, der nach dem Völkermord an den Juden 1948 zu deren Heimat wurde. Darum wurde gekämpft, gab es Kriege, wurde und wird geschossen, gestorben. Zu meinem Verständnis von einer friedlichen Lösung im Nahen Osten gehört auch die Zwei-Staaten-Lösung, gehört ein Staat Palästina. Aber das ist ein anderes Thema, auch wenn es Teil des Problemes ist. Auch in Deutschland lebende Muslime dürfen ihre mögliche Wut auf die Regierung Netanjahu nicht bei uns austragen und schon gar nicht in der Art, wie gerade geschehen, dass sie israelische Flaggen anzünden und Steine auf Synagogen werfen, dass sie Deutsche jüdischen Glaubens diffamieren. Auch Muslime haben hier keine Sonderrechte- wie übrigens andere Deutsche auch nicht.  Man darf die überharte Politik eines Netanjahu gegenüber der arabischen Minderheit im Lande kritisieren- Krawall mit brennenden Fahnen zählt nicht dazu. Wer sich so aufführt, will Israel schwächen. Er sollte bedenken, wer hinter den Unruhen steht, wer die Waffen finanziert, die von Gaza Richtung Tel Aviv gefeuert werden. Da ist der Iran zu nennen, der Israel vernichten will, da ist die Hamas zu nennen, eine Terror-Organisation, die Hisbollah, die vom Libanon aus ihre Angriffe gegen Israel führt. Da ist der türkische Herrscher Erdogan zu nennen und nicht zuletzt einer der Übelsten, der syrische Diktator Assad, der Bomben auf seine eigenen Landsleute hat werfen lassen, um seine miese menschenverachtende Herrschaft zu sichern.

Das Demonstrationsrecht gehört in Deutschland zu den Grundrechten. Weil das so ist, sollte sich der, der sich an solchen Demos beteiligt, umhören und umschauen, wer einen Protestzug organisiert. Wenn vor einer Synagoge demonstriert wird, wenn gegen Juden gepöbelt wird, wenn israelische Flaggen angezündet werden, hat das mit politischer Demonstration nichts zu tun. Das ist purer Antisemitismus. Solche Demonstrationen sollten besser verboten werden, weil sie das hohe Recht der Demonstrationsfreiheit missbrauchen. Und noch etwas: Asylbewerber, die sich an solchen Aktionen beteiligen, mit Steinen werfen, Flaggen in Brand setzen, gegen Juden pöbeln, müssen damit rechnen, in ihre Heimat zurückgeschickt zu werden. Sie haben hier nichts zu suchen.

Bildquelle: Jüdisches Museum Frankfurt

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