Köln, die größte Stadt von NRW, wird nach zehn Jahren wieder von einem SPD-Oberbürgermeister regiert – darauf hätte vor der Stichwahl kaum jemand gewettet. Der Vorsprung der Grünen-Kandidatin Berivan Aymaz war im ersten Wahlgang mit 28.1 Prozent stabil. Thorsten Burmester schien mit 21.3 Prozent abgeschlagen. Der Empfehlung des CDU-Kandidaten, im zweiten Wahlgang für den SPD-Mann zu stimmen, war überraschend. Zumal die CDU in Köln kein monolithischer Block ist, sondern eine zerstrittene Truppe. Die Überraschung am 28. September: Burmester lag mit 53.5 Prozent vorn, die grüne Gegenkandidatin kam auf 46.5 Prozent der Stimmen.
Burmesters Rechnung war aufgegangen. Er hatte sich von der Dominanz der Grünen im Innenstadtbereich nicht irre machen lassen und immer darauf verwiesen, dass Köln mehr sei als die angesagten Viertel in der Südstadt, im schicken Agnesviertel, im Univiertel oder in Ehrenfeld. Burmester ackerte in den rechtsrheinischen Problemvierteln wie Kalk, Mülheim oder Höhenhaus. Dort holte er einen großen Teil seiner Stimmen. Und kurios: Den absoluten Stimmenanteil von 85 Prozent fuhr er ausgerechnet im Villenviertel Hahnwald ein, wo sich die Sympathie für die SPD eher in engen Grenzen hält.
Es war zum einen die Bodenständigkeit, die Allüren freie Schnörkellosigkeit, mit der er überzeugte. Zum anderen war es der gewachsene Unmut über das oft selbstherrlich wirkende Auftreten der Grünen, das die Bürgerinnen und Bürger abstrafen wollten. Sie empfanden beispielsweise die von den Grünen vorangetriebene Verkehrspolitik weniger als ökologisch denn ideologisch. Zu recht: Da beklagte sich der Intendant der Kölner Philharmonie, weil die Besucher aus dem Umland wegen einer neuen Verkehrsführung keine Chance mehr hatten, problemlos in die Tiefgarage der Philharmonie zu fahren.
Viel Unmut hatte sich aufgestaut in den zehn Jahren, als die parteilose, aber von den Grünen benannte Oberbürgermeisterin Henriette Reker, getragen von einer Ratskoalition aus CDU, Grünen und Volt, die Stadt regierte, Zunehmende Verschmutzung und Verwahrlosung der Stadt, nicht eingedämmte Drogenproblematik rund um den heruntergekommenen Neumarkt, katastrophale Unzuverlässigkeit der Kölner Verkehrsbetriebe. Das Milliarden-Desaster um die Kölner Oper. Burmester weiß um die Unzufriedenheit vieler Bürger. Und er kennt die riesigen Aufgaben, die vor ihm liegen. „Köln“, so seine klare Ansage, „hat viele Probleme und alle sind dringend.“
Der 62jährige scheint da ein Gegenmodell, ein Hoffnungsschimmer gegen Pleiten, Pech und Pannen zu sein. Er hat eine lange, wenn auch nicht spektakuläre Erfahrung in vielfältigen Bundes- und NRW-Landes- Administrationen: Als Unterabteilungsleiter im Innenministerium unter Minister Otto Schily zum Beispiel, als Referent von Bundeskanzler Gerhard Schröder, als Mitarbeiter in der Regierung von Hannelore Kraft. Und zuletzt als Sportfunktionär, zunächst als Generalsekretär des Behindertensportverbands, dann Generalsekretär des Deutschen olympischen Sportbundes (DOSB).
Einer, der Burmester seit Beginn der 90er Jahre kennt, seine beruflichen Stationen verfolgt und ihm zur Bewerbung um die OB-Kandidatur in Köln geraten hat, ist der ehemalige oberbergische SPD-Bundestagsabgeordnete, langjährige Präsident des Deutschen Behindertensportverbands und dessen heutige Ehrenpräsident Friedhelm Julius Beucher. Der begnadete Netzwerker aus Bergneustadt traut dem neuen OB zu, dass er das richtige Händchen hat, um die Stadt trotz schwieriger Ratsverhältnisse zu lenken.
Ein solches Händchen hat er auch bitter nötig, wenn er am 6. November sein Amt offiziell antritt. Denn mit der Rekordzahl von elf im Rat vertretenen Parteien werden Mehrheitsbildungen kompliziert. Die Grünen liegen mit 22 Sitzen vorn, gefolgt von CDU und SPD mit jeweils 18 Sitzen. Mit Burmesters kommt die SPD auf 19 Stimmen. Zugelegt haben Volt (5), vor allem aber die Linke (10) und die AFD (8). FDP und Kölner Stadtgesellschaft haben sich zusammengeschlossen und kommen auf vier Sitze, um den Fraktionsstatus zu retten. BSW erhält zwei, Gut und Klimafreunde ebenfalls zwei und Die Partei einen Sitz.
Die magische Zahl für eine Ratsmehrheit sind 46 Sitze. Ob sich die Fraktionen da zu einem stabilen, vor allem politisch tragbaren Bündnis zusammenraufen können, ist fraglich. Manchem gilt es da als erfolgsversprechender, mit wechselnden Mehrheiten im Rat zu arbeiten. Das würde vor allem Thorsten Burmesters Verhandlungsgeschick herausfordern. Wie weit ihm dabei die eigene Fraktion ein verlässlicher Partner ist, bleibt abzuwarten. Die SPD-Fraktionsführung müsste vor allem eins begreifen: Sie darf nicht denselben Fehler machen, den sie gegenüber dem letzten SPD-Ob Jürgen Roters (2009 – 2015) begangen hat. Damals engte die Fraktion unter ihrem Vorsitzenden Martin Börschel das sozialdemokratische Stadtoberhaupt ein nach dem Motto: Egal wer unter uns Oberbürgermeister ist.
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