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Home Politik

Berlin bleibt Berlin-Chaos nämlich – Wegner gewählt- im 3. Wahlgang

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
27. April 2023
Berliner

Nun ist er also gewählt, der Kai Wegner(50) von der CDU zum Regierenden Bürgermeister von Berlin. Im dritten Wahlgang, was nicht schlimm ist. Mehrheit ist Mehrheit. Wer will, kann Konrad Adenauer bemühen, der hatte nur eine Stimme mehr, seine eigene. Manchmal braucht es halt drei Wahlgänge. Und für eine Stadt wie Berlin ist das doch typisch. Chaos ist hier der Normalfall. In der Hauptstadt muss es immer wieder anders sein. Dass der politische Rechtsaußen in der Politik, die AfD, behauptet, sie habe Wegner mitgewählt: Klingt unschön, spielt aber keine Rolle. Jeder kann wählen, wen er will. Und Kai Wegner muss das nicht beschweren. Er kann nicht verhindern, dass diese Partei ihm angeblich ihre Stimme gegeben hat. Wegner, ein Konservativer. Ja und? Mir fällt da ein, wie einst in Hessen ein gewisser Volker Bouffier Ministerpräsident wurde, ein Freund von Roland Koch, keine Liberalen, gewiss nicht. Und dann wurden sie von den Grünen, mit denen sie regieren mussten, in die Mitte geschoben.  

Berlin bleibt Berlin. Nach 20 Jahren wird wieder ein Christdemokrat die Stadt regieren oder besser gesagt: auf dem Stuhl des Regierenden Bürgermeisters sitzen. Ob er es schafft, die Hauptstadt flott zu kriegen, dass sie wieder regierbar wird, dass was geht in Berlin und zwar nach vorn? Dass man über Berlin nicht nur dann redet, wenn wieder mal eine Regierung die Friedrichstraße glaubt für Autos sperren zu müssen. Dass es sogar möglich wird, in Berlin eine Wahl abzuhalten, wie das in anderen Teilen der Bundesrepublik der Fall ist seit Jahrzehnten- das kann man nur hoffen. Ich habe fast den Eindruck, dass längst nicht alle Berliner begriffen haben, wie peinlich das war, dass hier in der Hauptstadt eine Wahl wiederholt werden musste. Die halbe Welt hat sich doch tot gelacht über Berlin. Vorbild? So nicht.

Spannend, nervig, laut, dreckig, schöln

Berlin, Hauptstadt, Millionen-Metropole, eine Stadt zwischen Ost und West, Jahrzehnte geteilt, zerrissen, etwas verrückt, eine Stadt, in der sich alle Probleme der Republik bündeln, auch die politischen. Da leben die Roten, die Reichen und die Armen, die Obdachlosen und die Spieler-Typen quasi nebeneinander. Da ist das herausgeputzte Regierungsviertel, das neue Berlin, das aber mit dem Wohnort Berlin wenig zu tun hat. Berlin ist Theaterstadt, Touristenstadt, täglich wird die Stadt mit Tausenden und Abertausenden von Menschen aus aller Welt überflutet. Berlin ist spannend, dreckig, nervig und laut, mal gelassen, dann frech. Und schön. Teuer. Oder wie es Wowereit in seiner typischen Art sagte: Arm, aber sexy. Ich habe ein paar Jahre dort gelebt und gearbeitet, es war eine tolle Zeit. Da wurde Berlin gerade umgegraben, verändert. Schwer zu regieren?   

Dass die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Wegner die Wahl gewonnen hatte, lag doch auch an der Unfähigkeit der SPD in Berlin. Daran, dass sie so zerstritten ist, dass man es kaum näher beschreiben kann. Und wer zerstritten ist, gewinnt keine Wahl. So ist das. Franziska Giffey war Bundesministerin im Kabinett Merkel, sie schied aus, um die Führungsrolle in Berlin zu übernehmen, im Roten Rathaus. Sie musste ihren Doktorgrad der Uni Berlin wieder abgeben, was ihre Glaubwürdigkeit in Zweifel zog. Ob zu Recht oder Unrecht, wen interessiert das schon. Wegner mag blass sein, konservativ, warum hat seine CDU die Wahl gewonnen? Das kann man ihm doch nicht vorwerfen, sondern eher der Konkurrenz, die wenig zu bieten hatte.  

Als Regierende Bürgermeisterin konnte Frau Giffey nicht überzeugen, und zwar vor allem ihre eigenen Anhänger in der SPD nicht. Es war nicht nur die Parteilinke, die mehr als Vorbehalte hat bis heute gegen ihre einstige Vorzeigefrau. Und es war nicht nur ihr früherer Förderer Heinz Buschkowsky aus Neukölln, der sie öffentlich kritisierte. Frau Giffey war im Wahlkampf das Problem der SPD in Berlin und sie ist es heute. Das Verhalten der Berliner Sozialdemokraten bei der Wahl des Regierenden Bürgermeisters ist mehr eine Abrechnung mit Franziska Giffey. Sie wird sich über ihre politische Zukunft Gedanken machen müssen. Klar ist: die Berliner SPD will sie nicht. Und sie wollte wohl auch die Fortführung von Rot-Grün-Rot nicht, weil die Chemie zwischen ihr und der Grünen Spitzenfrau nicht stimmte. Weil Bettina Jarrasch einen Traum glaubte, sich erfüllen zu können. Sie wollte Regierende werden. Das gehört auch zum Thema.  

Koalitionen sind Zweckbündnisse

Das alles hat nichts zu tun mit einem Ja oder Nein zu einer Großen Koalition, die man nicht mögen muss und lieben schon gar nicht.  Koalitionen sind immer Zweckbündnisse, das Gerede von Liebesheiraten in der Politik ist Quatsch. Völlig fehl am Platz. Es muss die Chemie zwischen den möglichen Regierungspartnern stimmen, man muss gemeinsam etwas wollen, besser machen wollen zum Wohle aller. Ob das noch möglich sein wird nach diesem Wahl-Chaos?

Für den Bundeskanzler Olaf Scholz ist das Berliner Theater mehr als unschön. In der Runde der Ministerpräsidenten sitzt ein CDU-Mann mehr. Schön ist das nicht und kein Ausweis seiner Popularität, aber es entspricht der Stimmung in dieser Republik, wo die Christdemokraten unter Friedrich Merz im Grunde nichts tun müssen, als der Ampel-Regierung unter Scholz die Bühne zu überlassen. Und da stehen die Darsteller von SPD, der FDP und den Grünen und sie streiten und streiten und streiten. Und merken offensichtlich nicht, wie sie mit ihrer von Selbstdarstellung getriebenen Sucht die Zustimmung der Mehrheit des Volkes mehr und mehr verlieren und kaputt machen, was sie politisch schon erreicht haben. Es geht unter, dass diese Regierung von Scholz uns gut über den Winter gebracht hat, was eine Menge ist in Zeiten von Krieg, Inflation und Flüchtlingen. Und dass die Dinge überhaupt gut stehen in diesem Land, das nicht gespalten ist, wie gelegentlich vorlaut geredet wird, darf nicht vergessen werden. Vieles kann besser werden, ja, aber es geht uns gut, trotz allem. Wir reden über Krisen, aber wir leben doch nicht in einer. Ja, es gibt Probleme, die wir dringend lösen müssten, wir müssen uns mehr dem Klimawandel stellen, ran an die Aufgaben. Aber es wird gehen. Etwas mehr Gelassenheit wäre angebracht. 

Berlin bleibt Berlin. Ob Kai Wegner es regieren darf? Und es kann? Er folgt auf Leute wie Ernst Reuter, Willy Brandt, Richard von Weizsäcker, Eberhard Diepgen. Und ganz aktuell auf Franziska Giffey. Lassen wir ihm zumindest die Chance auf die ersten 100 Tage. Es wird schwer genug.

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