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CDU-Vize Spahn: 1000 Euro plus Freiflug für jeden Syrer, der geht – Besinnlicher Advent im Wahlkampf

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
11. Dezember 2024
Jens Spahn

Der Tyrann Syriens, Assad, ein Massenmörder, einer, der foltern ließ in Spezialgefängnissen, der Bomben auf seine eigenen Landsleute abwerfen ließ, um sein Regime zu retten, ist gestürzt, in Moskau gelandet, wo er hingehört neben Putin, dem russischen Despoten, der Krieg gegen die Ukraine führt, Frauen vergewaltigen und Kinder entführen ließ, der die Städte und Dörfer der Ukraine zerstören lässt. Erleichterung in vielen Teilen der Welt, Jubel bei Millionen Syrern, die vor dem Tyrannen geflüchtet sind, auch nach Deutschland, Freudentränen vergießen sie, dass es vorbei ist, dass der Schlächter Assad weg ist. Sollten wir nicht mit ihnen feiern, dass ihre Heimat befreit ist? Doch was fällt einem stellvertretenden CDU-Fraktions-Vorsitzenden Jens Spahn, der mal Minister war im Kabinett von Angela Merkel und der zu den Minister-Anwärtern in einer möglichen Regierung Friedrich Merz zählt, ein? 1000 Euro Handgeld und Freiflug für jeden Syrer, der zurückkehrt in sein Land. Dann kann er sich am Wiederaufbau des zerstörten Landes beteiligen. Da gehen die Wellen hoch bei so einem Thema, denn  sofort wird damit der Neid geweckt. Wieso kriegen die Syrer das Geld, was ist mit deutschen Rentnern? Fehlt noch der giftige Hinweis, sie wären eingereist in die deutschen sozialen Sicherungssysteme.

„Wenn sich im Heimatland die Dinge normalisieren, stabilisieren, wenn es dort Perspektive gibt, dann gibt es die Erwartung, auch zurückzukehren.“ Hat Spahn auch gesagt. Wenn, wenn, wenn. Es wird Jahre dauern, bis das Land wieder so weit ist, dass man dort in Frieden leben kann. Wenn überhaupt. Das kann heute niemand wissen. Und deshalb sollte man auch eher schweigen.

Handgeld, das ist es, was auf den Markt des Weihnachtsgeschäftes geworfen wird von einem führenden Christdemokraten, von dem man doch gerade in der Vorweihnachtszeit eher Besinnliches erwarten könnte, Mitgefühl mit den Syrern nach dem Sturz des Diktators. Aber es gilt hier im Land die Debatten-Klubs zu besetzen, es geht um Geflüchtete, um Ausländer, die möglichst schnell in ihre Heimat zurückgeschickt werden sollen. Man will der AfD das Thema wegnehmen, vielleicht den Rechtsextremisten zuvorkommen. Ausländer raus, Remigration heißt es bei der AfD und deren Sympathisanten. Bei Spahn sind das 1000 Euro und Freiflug. Ist das nix? Dass niemand weiß, wie es in Syrien aussieht, spielt keine Rolle. Ob es noch Häuser und Wohnungen gibt, die bewohnbar sind und nicht zerbombt, ist egal. Hauptsache schnell zurück in die Heimat. Wie es dort mit der Wasser-Versorgung aussieht, mit der Verpflegung? Wären die Syrer überhaupt in ihrer alten Heimat sicher vor Banden? Übrigens will der künftige US-Präsident Trump 13 Millionen Menschen aus Amerika abschieben.

Suche nach Folterknechten

Die Medien sind voll mit Berichten über Syrien, über den Mörder Assad, darüber, dass es im Syrien von Assad mehr als 80 Folter-Arten gab. Es hat die Suche nach den Tätern, den Folterknechten des Tyrannen begonnen, damit sie zur Rechenschaft gezogen werden. Sie dürfen nicht davonkommen, die mitgemacht, die sich schuldig gemacht haben. Täter, die sich auch nach Deutschland abgesetzt haben. Sie SZ lässt den Juristen Anwar al-Bunni zu Wort kommen, der in Berlin wohnt und von dort aus versucht, syrische Kriegsverbrecher zu enttarnen. Der Jurist saß von 2006 bis 2011 im Gefängnis: Er hatte als Menschenrechtsanwalt gearbeitet, George W. Bush nannte ihn einen politischen Gefangenen, der Deutsche Richterbund verlieh dem Richter seinen Menschenrechtspreis. 2014 gelang ihm die Flucht nach Deutschland. Seine Familie, schildert er im SZ-Interview, habe zusammen 73 Jahre in den Knästen Assads gesessen, seine Brüder, seine Schwester, sein Schwager. Seit dem Wochenende grübele er -wie wohl fast alle Syrer- über die Möglichkeit der Rückkehr.

Aber die Lage vor Ort ist ungewiss und doch läuft die Debatte über Aufnahmestopp, beschleunigte Rückkehr, es können viele vor allem in der Union nicht erwarten, dass die Syrer Deutschland wieder verlassen. Wir haben Wahlkampf, Merz gegen Scholz, da zählt es, jeder Tag, jede Attacke. Mit dem Sturz des Diktators Assad ist für die rund eine Million Syrer, die größte Flüchtlingsgruppe in Deutschland, eine Lage entstanden, in der ihr Aufenthaltsrecht neu bewertet werden muss. Aber es muss zuvor geklärt werden, ob sie in ihrer alten Heimat sicher sind oder ob neue Gefährdungen anstehen. Deshalb werden rund 47000 Asylanträge syrischer Flüchtlinge vorerst nicht bewertet. So hat es Bundesinnenministerin Nancy Fäser(SPD) entschieden. So will es die Rechtslage.

Es gibt aber auch Flüchtlinge, die hier anerkannt sind. Im Mai 2024 zählte die Bundesagentur für Arbeit über 220000 syrische sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Rund 160000 Syrerinnen und Syrer haben sich einbürgern lassen. Immer mehr hier lebende Syrer dürfen und wollen Deutsche werden. Mancher deutsche Arbeitgeber wird seine syrischen Beschäftigten halten wollen, weil sie gute Arbeit leisten. Syrische Ärzte, die in Praxen vor allem auf dem Land die ärztliche Versorgung garantieren, werden hoffentlich bleiben.

Ohne den Anflug von Hetze

Wir sollten die Debatte fernab des Stammtisches führen, menschlicher vor allem. Ohne den Anflug von Hetze. Wer jetzt schon darüber schwadroniert, wie es der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Alexander Throm tut, heizt die Diskussion nur an. „Es gilt zu prüfen, ob der Schutzstatus nicht entfällt“.  Das sagte er nur wenige Stunden nach dem Sturz von Assad. Als hätte er es erwartet, was nicht zu erwarten war zumindest nicht in der Kürze der Zeit. Aber im Wahlkampf hat man locker den Finger auf der Taste und los gehts mit den Parolen. So ähnlich hat sich auch ihr Außenpolitiker Jürgen Hardt geäußert, der FDP-Außenexperte Ulrich Lechte sah unmittelbar nach dem historischen Ereignis in Damaskus den „Wegfall der Fluchtgründe“. Und für die Unions-Fraktions-Vize Andrea Lindholz stand die Frage nach dem Ende des Aufenthaltsrechts der Syrer an.

Niemand kann ernsthaft jetzt schon sagen, wie es ausgeht in Syrien nach Assad. Kaum einer kann die Islamistengruppen einschätzen, die gerade die Macht im Land erobert haben. Es ist Wahlkampf in Deutschland, da interessieren Kleinigkeiten nicht, da wird forsch ins Mikrophon geblasen, damit die Wählerinnen und die Wähler auch wissen, wo sie später ihr Kreuzchen machen müssen. Dass die Verhältnisse sich „grundlegend geändert“ hätten in Syrien, das mag für den Moment und ein paar Tage richtig sein, wissen kann es niemand. Und doch wird es hinausposaunt in die Welt. Man kann im übrigen nur hoffen, dass die ausländischen Mächte nicht sogleich dazu übergehen, sich in Syrien einzumischen, ihnen zu sagen, wo es langgeht. Die Syrerinnen und Syrer brauchen gewiss Hilfe aus Europa und aus Deutschland beim Wiederaufbau des Landes, vielleicht Berater, aber keine Oberlehrer. Sie werden Geld brauchen, weil Assad große Teile des Landes hat bombardieren lassen. Ich denke nur an Aleppo, das ich 2010, kurz vor dem Bürgerkrieg, besucht hatte. Es war wirklich schön, ein Musterbeispiel war der Handwerkerbezirk in der Stadt. Assad hat ihn dem Boden gleichgemacht, ich habe die Bilder gesehen. Alles kaputt.

Besonnenheit und Solidarität

Vielleicht braucht es eine Internationale Konferenz, die aber nicht über den Kopf der Syrer hinweg entscheiden darf, sondern die Wünsche der Einheimischen zur Grundlage nehmen muss. Auch die Frage nach der Zukunft der deutschen Asylpolitik muss später gestellt werden. Dass das Bundesamt für Migration die Bearbeitung offener Asylanträge aussetzt, ist nicht zu kritisieren. Damit wird kein Flüchtling zurückgeschickt. Auch nicht mit 1000 Euro. Es braucht Besonnenheit.

Weniger ist mehr. Leiser ist besser.  Mehr Gemeinsamkeit, mehr Solidarität, Nächstenliebe statt Rücksichtlosigkeit, aufeinander achten, einander achten. Vergessen sollten alle Politiker nicht, dass es dabei um Menschen geht, die nicht freiwillig ihre Heimat verlassen haben, sondern die geflohen sind vor einem Mörder und Folterer. Sie wollten ihr Leben und das ihrer Familien retten. Viele, rund eine Million, kamen nach Deutschland. Wurden eingebürgert, arbeiten hier, zahlen Steuern, ihre Kinder gehen auf deutsche Schulen, syrische Ärzte helfen Deutschen, die krank werden. Lassen wir das Geschrei, lassen wir diese unanständige Debatte. Die Würde des Menschen, die im Mittelpunkt unseres Grundgesetzes steht, gilt auch für Syrerinnen und Syrer, sie gilt für alle Geflüchteten. In wenigen Tagen ist Weihnachten. Vielleicht sollte der eine oder andere christdemokratische Wahlkämpfer einfach mal die Geschichte von der Geburt Jesu lesen im Evangelium nach Lukas. Über die Geburt in einer Krippe in einem Stall, weil es nirgendwo in der Gegend für Maria und Josef einen Platz gab in einer warmen Stube.

Bildquelle: Wikipedia, User „ich“, CC BY-SA-3.0

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