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Der zurückhaltende SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich: Nie war er so wertvoll wie heute

Norbert Bicher Von Norbert Bicher
11. Februar 2025
Rolf Mützenich, Bildrechte: Dr. Frank Gaeth, CC BY-SA 4.0

In gängige Politiker-Klischees passt Rolf Mützenich nicht. Seine Freundlichkeit ist für alle, die ihm begegnen, verblüffend. Kein Schreihals, der mit Lautstärke auf sich aufmerksam macht. Talkshows der Fernsehsender sind ihm suspekt, weil sie sich nicht ernsthaft mit der Lösung von Problemen beschäftigen. Er sucht den Kontakt zu den Menschen vor Ort, um ihnen direkt in hunderten von Veranstaltungen quer durch die Republik seine Position und die der SPD nicht nur in Wahlkampfzeiten zu erklären. Kommunikation in den Internet-Plattformen lehnt er ab, weil sie weniger zur Aufklärung beitragen als festgefahrene Meinungen und Hass verbreiten.

Rolf Mützenich (65), seit 2019 Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und seit 2002 direkt gewählter Abgeordneter im Kölner Wahlkreis Nippes, Ehrenfeld und Chorweiler, ist der Beweis dafür, dass man auch in wichtigen politischen Ämtern die Bodenhaftung behalten kann. Als drittes und jüngstes Kind 1959 in einem Arbeiterhaushalt in Köln-Poll geboren, war ihm der Werdegang nicht in die Wiege gelegt. Schon als Kind spürte er die  Arroganz jener, für die Bildung als Privileg der Besserverdienenden selbstverständlich war. Er kämpfte sich nach der Hauptschule in einem Aufbau-Gymnasium zum Abitur. Seine Erfahrungen in dieser Zeit waren so eindrücklich, dass der Spiegel feststellte: „Man fragt sich danach nicht mehr, warum Mützenich Sozialdemokrat wurde, sich bei den Falken engagierte, der Sozialistischen Jugend.“

Mützenich studierte Geschichte und Politikwissenschaft und promovierte 1991 an der Universität Bremen mit einer Arbeit über „Atomwaffenfreie Zonen und internationale Politik“. Ein Thema, das ihn nie los gelassen hat, an dem er litt, weil sich die Hoffnung auf Abrüstung weltweit ins Gegenteil verkehrte und mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine den Krieg nach Europa zurückbrachte.

Es war nur konsequent, dass er deshalb bei seinem Einzug in den Bundestag 2002 für seine Fraktion in den Auswärtigen Ausschuss ging und später als stellvertretender Fraktionsvorsitzender für Außen- und Sicherheitspolitik verantwortlich wurde.

2019 wurde er nach dem Rückzug der Partei- und Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles als deren Nachfolger an der Fraktionsspitze gewählt und in diesem Amt immer wieder mit überzeugenden Stimmanteilen bestätigt. Die Abgeordneten schätzen seinen zurückhaltenden Führungsstil, mit dem es ihm dennoch gelang, die Fraktion auch in schwierigen Zeiten der Ampel zusammenzuhalten.

Diese nicht leichte Aufgabe hat den Kölner viel Kraft gekostet. Aber er ist an ihr auch gewachsen. So zurückhaltend er sich im Umgang mit Menschen und Medien gibt, so sehr ist ihm das Rednerpult im Bundestag immer mehr zu einer wichtigen, von politischen Freunden und Gegnern beachteten Bühne geworden. Die Reden von „Mütze“, wie ihn seine Abgeordneten liebevoll nennen, gehören inzwischen zu den Highlights der parlamentarischen Auseinandersetzungen. Nicht zuletzt sein Vorwurf an den Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, Friedrich Merz, er habe mit Inkaufnahme der AfD-Unterstützung das „Tor zur Hölle“ geöffnet, hat Anhänger und Gegner dieses  Vorwurfs elektrisiert.

Wer Rolf Mützenich persönlich erlebt hat, wer seine abwägende Urteilskraft kennt, ahnt, wie verstörend für ihn der Tabubruch von Friedrich Merz war, leichtfertig die Parteien der demokratischen Mitte gegen die Extremisten der „Nazi-Partei“ (NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst) auszuspielen.

Die Stimme des Kölner Abgeordneten im Kampf gegen die demokratiefeindlichen Kräfte der AfD ist seither für viele Menschen im Land zum Kompass geworden, seine Warnung wird von den Hunderttausenden geteilt, die in den letzten Wochen gegen das Erstarken rechtsextremer Demokratieverächter auf die Straße gingen. Rolf Mützenich, in diesem Prozess ein wichtiger Wortführer,  würde sich das niemals als persönlichen Verdienst anrechnen. Weil er sich nie in den Vordergrund drängt. Dennoch war er nie so wertvoll wie heute.

Bildquelle: Dr. Frank Gaeth, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

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Comments 1

  1. Dr. Christoph Fischer says:
    10 Monaten ago

    In diesen Tagen für die SPD Wahlkampf zu machen, ist nicht immer einfach. In Köln dabei zu erleben, wie der Politikstil von Rolf Mützenich ankommt und überzeugt, für mich eine große Motivation, auch gerade deswegen, weil Mützenich nicht die Instrumente bemühen muss, die heute in der Politik als allein Erfolg versprechend gelten. Es genügt, Politik für Menschen zu machen, gradlinig zu sein und eine politische Richtschnur zu haben. Wie Norbert Bicher treffend schreibt: Nie war er so wertvoll wie heute. Eine sozialdemokratische Orientierung.

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