1. Die finanziell prekäre Situation der Ukraine
Die Ukraine konnte sich bereits vor Kriegsbeginn 2022 nicht selbst finanzieren, sie war auf Kredite auf dem privaten Kapitalmarkt und seitens des Internationalen Währungsfonds (IMF) angewiesen. Seit Kriegsbeginn ist sie natürlicherweise vollständig abhängig von Finanzzuflüssen aus dem Westen. In dieser Analyse des Haushalts 2025 der Ukraine wurde stilisierend gesagt, der Haushalt ginge zu 100% für das Militär, für den Krieg, drauf, der zivile Teil des Haushalts werde vollständig seitens des Westens finanziert – seit Amtsantritt der Trump-Administration also von den Europäern. Ob diese Zahlungsflüsse als Kredit oder als Geschenk bezeichnet werden, ist unerheblich – die aufgetürmte Schuldenlast der Ukraine ist so hoch, dass kein Geldgeber ernstlich mit einer Rückzahlung rechnen kann.
Am 10. Dezember 2025 hat der Präsident der Ukraine den Haushalt für das Jahr 2026 unterzeichnet – von Kommentatoren wurde er als „unrealistisch“ eingeschätzt. Er sieht Einnahmen in Höhe von ca. 69 Mrd. US-Dollar und Ausgaben von rund 114 Mrd. US-Dollar vor. Wie in den vergangenen drei Jahren ist der größte Ausgabenposten der für Verteidigung und nationale Sicherheit, für die 66 Mrd. US-Dollar bzw. 27,2 % des BIP veranschlagt sind. Gefolgt vom Schuldendienst, der 12 Mrd. US-Dollar kosten wird.
Anders als in den Vorjahren wurde beschlossen, bestimmte zivile Ausgabenposten zu erhöhen. Insbesondere die Ausgaben für Bildung werden um ein Drittel auf 6,6 Mrd. US-Dollar) steigen – davon wird das meiste für eine 30-prozentige Gehaltserhöhung für Lehrer eingesetzt. Auch für das Gesundheitswesen ist eine deutliche Erhöhung der Ausgaben eingeplant. Im Kontrast dazu wurde das – eh geringe – Budget der Staatlichen Agentur für Wiederaufbau und Entwicklung der Infrastruktur auf knapp die Hälfte gekürzt.
Schätzungen des ukrainischen Finanzministeriums besagen, der ukrainische Staat benötige im Jahr 2026 an externer Finanzhilfe ca. 49 Mrd. US-Dollar. Das entspricht 42 Mrd. €.
Der gesamte Haushaltsanasatz für das Jahr 2026 liegt etwas höher als in der überarbeiteten Fassung des Haushaltsplans für 2025. Dies gilt jedoch nicht für die Ausgaben des Verteidigungsministeriums, die auf 45 Mrd. US-Dollar gekürzt wurden. Die Höhe der Finanzierung anderer kriegsbezogener Strukturen, wie etwa der Sicherheitsdienste, blieb unverändert.
Dies alles deutet darauf hin, dass in den kommenden Monaten eine weitreichende Anpassung zur Erhöhung der Ausgaben höchstwahrscheinlich notwendig sein wird. Mit dem Haushalt 2025 hatte die Ukraine es ähnlich gehalten.
Dies haben die finanzierenden Institutionen antizipiert. IMF und Europäische Kommission haben den externen Unterstützungsbedarf der Ukraine für die Jahre 2026 und 2027 auf etwa 137 Mrd. € geschätzt, also knapp 70 Mrd. €/a. Mit dem IMF habe man verabredet, dass dieser ein Drittel, die EU zwei Drittel trage. So kommt man in der Beschlussvorlage für den Europäischen Gipfel am 18./19. Dezember 2025 auf 90 Mrd. € bzw. 45 Mrd. €/a.
2. Der Beschluss des Europäischen Rates vom 19. Dezember 2025
Der Europäische Rat stand vor einer Entscheidung, zu der Bundeskanzler Friedrich Merz sich im Vorfeld eindeutig positioniert hatte.
„… meine Position: Ich möchte, dass wir die eingefrorenen russischen Vermögenswerte < für die weitere Unterstützung der Ukraine> nutzen …. Aus meiner Sicht ist das … die einzige Option. Wir stehen … vor der Wahl, europäische Schulden oder russisches Vermögen für die Ukraine einzusetzen, und da ist meine Meinung klar: Wir müssen das russische Vermögen nutzen.“
Damit hat der Kanzler sich nicht durchgesetzt. Gewählt wurde für die 90 Mrd. € die Option „europäische Schulden“, abgesichert durch die Mittel des EU-Haushalts. Die Ukraine erhält das „Darlehen“ zinsfrei, die EU muss dafür Kredite aufnehmen, der Haushalt wird durch die Zinszahlungen belastet. Drei Mitgliedstaaten, die Slowakei, Tschechien und Ungarn, haben sich einerseits konstruktiv gezeigt, sie haben auf ihr Veto-Recht, welches sie bei dieser Konstruktion haben, verzichtet, sie haben auf der anderen Seite eine Art Haftungsausschluss für sich herausverhandelt.
3. Bedeutung
Die Bedeutung dieses Beschlusses liegt auf drei Ebenen.
- Es ist sonnenklar: Wenn die EU die Finanzierung der Haushaltsdefizite der Ukraine einstellt, dann ist der Krieg beendet. Mehr noch: Dann bricht die brüchige Konstruktion des zivilen ukrainischen Staates zusammen. Etliche Menschen werden sich entscheiden, wo sie ihre Zukunft planen zu verbringen, viele werden der Ukraine den Rücken kehren. Auch diese Flüchtlingswelle muss von den Europäern finanziert werden. Ein Vermeiden dieser Lasten ist keine reale Option. Es geht nur um das Wie.
- Von außen gesehen geht es um die Verlässlichkeit und Einheit der Europäer, die weiteren Lasten des Bündnisses mit der Ukraine zu schultern. Da machen die Europäer einen schwächlichen Eindruck. Sie verweigern die wirkliche Solidarität, die eingegangenen Verpflichtungen, die sich aus der Solidarität mit der Ukraine ergeben, von der aktuellen Generation von Staatsbürgern (und Wählern) tragen zu lassen – die führenden politischen Kräfte trauen sich das nicht, weil sie ihre Abwahl befürchten. Deswegen werden allein Optionen erwogen, die die Last auf die Zukunft verschieben, und das nicht kostenneutral sondern mit Zins und Zinseszins.
- Die Solidarität „der Europäer“ wurde auf die der EU abgemeiert. Wo bleibt der Zugang auf UK, Norwegen und andere, in die Solidaritätszahlungen an die Ukraine über die nächsten zehn Jahre einzutreten?
Um die Option „Absicherung durch beschlagnahmtes Vermögen der russischen Zentralbank“ wird viel Schaum geschlagen, die einfache Wahrheit wird umgangen. Der Bundeskanzler behauptet zwar, man habe die „Wahl, europäische Schulden oder russisches Vermögen für die Ukraine einzusetzen.“ Aber das ist doch nicht wirklich eine Alternative.
Der Titel dieser Option „Reparation Loan“ sagt es bereits: Dieses Vermögen soll zum Wiederaufbau nach Ende der Kampfhandlungen reserviert und dann eingesetzt werden – in Übereinstimmung mit dem 28-Punkte-Plan der Trump-Administration, einer Regelung, der Russland anscheinend und bemerkenswerterweise zugestimmt hat. Wird dieses Vermögen stattdessen zur Weiterführung des Krieges an die Ukraine gegeben, dann fehlt es später zur Finanzierung von Reparationsleistungen. Der Wiederaufbau der Ukraine aber ist unabweisbar. Wer soll dann den Ersatz für die vorab im Krieg verpulverten Mittel stellen? Niemand anders als die Europäer selbstredend. Auch beim erwogenen Zugriff auf die Mittel Russlands handelt es sich faktisch um ein Verschieben von Verpflichtungen in die Zukunft.
4. Innenpolitische Bedeutung
Wir sind dabei, der nachfolgenden Generation neben den Renten- und Klimawandellasten aktuell noch die Solidaritätslasten aus dem Konflikt um die Ukraine sowie die Wehrpflicht aufzuhalsen.
Die wird sich wehren. Wir provozieren den nächsten Generationenkonflikt mit dem entsprechenden Aufstand dieser Generation. Solange wir keine mittelfristige Finanzplanung für die Lasten aus der Unterstützung der Ukraine im kommenden Jahrzehnt vor Augen haben, fallen wir schutzlos auf Narrative wie das des Bundeskanzlers hinein. Dessen Behauptung, wir könnten unsere Lasten vermindern, indem wir die Weiterführung des Krieges Russlands Staat bezahlen lassen, ist kontrafaktisch.













