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Home Politik

Egon Krenz Erinnerungen kann man sich sparen

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
28. Juli 2022
EgonKrenz

Im Blog-der-Republik werden gelegentlich Bücher besprochen, zumeist politische und historische. Ein Buch jedoch werde ich nicht lesen und es auch nicht empfehlen, es sei denn, Sie sind Ostalgiker, der die DDR immer schon für die bessere Hälfte Deutschlands gehalten hat, das deutsche Paradies, wie es die SZ in ihrer lesenswerten Rezension auf den Punkt gebracht hat. Wenn Sie das unbedingt lesen wollen, dass es schade gewesen sei, dass die DDR abgewickelt wurde, weil es dort die eigentliche Demokratie gegeben habe, keinen Antisemitismus, wenn Sie all die Lügen, die die SED und ihre Führung um Ulbricht, Honecker und Krenz ihren Bürgerinnen und Bürgern fast täglich auftischte, für die eigentliche Wahrheit gehalten haben und heute, 33 Jahre nach dem Fall der Mauer es immer noch tun, dann jedoch kann ich Ihnen auch nicht helfen. Dann sollten sie den geballten Unsinn, diese auf viele Seiten zusammengepresste Geschichtsklitterung des Egon Krenz lesen. Oder meinetwegen auch auswendig lernen.

Nein, dieses Buch werde ich nicht kaufen, ich werde mir auch kein Rezensionsexemplar besorgen. Die Zeit ist mir zu schade.Ich habe vor einiger Zeit ein Interview mit Egon Krenz, dem letzten SED-Staatsratsvorsitzenden, gelesen und danach brauche ich keine weiteren Erzählungen dieses Herrn. Nur eine Frage würde mich interessieren: Glaubt der inzwischen 85jährige Krenz wirklich an die Märchen, die er da von sich gibt? Dass die DDR die bessere Alternative zur BRD gewesen sei, etwa. Das ist eigentlich schon beste Satire zumindest für den Zeitgenossen, der je die Gelegenheit gehabt hat, diesen sozialistischen deutschen Teil-Staat mal zu bereisen. Ich war in Ostberlin, Hauptstadt der DDR, wie das damals hieß. Als Student in den 60er Jahren, später als Bonner Korrespondent der WAZ und der Augsburger Allgemeinen. Da habe ich all die Dinge drüben gesehen, die die Menschen in Jena und Rostock, Leipzig und Dresden nicht hatten. Dazu zählten viele Dinge des Konsums, zum Mangel der Deutschen Demokratischen Republik zählte auch die Pressefreiheit, gehörten die Zeitungen, die im Grunde nur das abdruckten, was die SED-Führung für richtig hielt. Langweiliger ging es nicht. Reisefreiheit war auch etwas, was es nicht gab, es gab keine Versammlungsfreiheit, keine Redefreiheit. Wer politisch anderer Meinung war und Kritik übte an Honecker und Co, landete im Gefängnis. Schon vergessen all die Schikanen, die man über sich ergehen lassen musste, wenn man die Türen zum Paradies durchschritt?

Eine Zumutung

Dieses Buch, das ich nicht gelesen habe und nicht lesen werde, ist eine Zumutung. Woher ich das weiß? Eben von jenem erwähnten Interview, das der einst mächtige Egon Krenz vor Zeiten über sein Leben in der DDR, die BRD und so weiter einer deutschen Zeitung gegeben hat und in dem ein Großteil des von Krenz verbreiteten Unsinns zu lesen war. Dazu die Lektüre der Süddeutschen Zeitung mit einer Rezension über dieses Werk. Krenz war der letzte DDR-Staatsratsvorsitzende. Ich erinnere mich noch, als eine Bonner Journalistengruppe mit Willy Brandt Mitte Oktober 1989 in Moskau war. Der SPD-Politiker reiste auf Einladung von Michail Gorbatschow in die sowjetische Hauptstadt. Und von Gorbatschow erfuhr Brandt, dass Honecker am nächsten Tag von Egon Krenz abgelöst werde. Brandt behielt die damals sensationelle Nachricht für sich, lediglich Bundeskanzler Helmut Kohl wurde von ihm telefonisch unterrichtet. Mit Krenz sollte wohl das bevorstehende Ende der DDR hinausgezögert werden. 50 Tage blieben dem kommunistischen Hardliner Krenz, dann fiel die Mauer. Und das sogenannte sozialistische Paradies brach in sich zusammen.

Krenz war sein ganzes Berufsleben lang Parteifunktionär, die einzelnen Stationen kann man sich schenken. Im zarten Alter von 47 Jahren kletterte Krenz in der Partei-Hierarchie so weit nach oben, dass er der Kronprinz Honeckers wurde und eben dessen Nachfolger. Krenz Sprache ist die gelernte der SED. Die Vertreibung der Sudetendeutschen nennt er „Umsiedlung“, Betroffene mögen es mir verzeihen, es ist nicht meine Diktion, diese brutale Menschenrechtsverletzung schönzuschreiben. Der spätere CSSR-Präsident und Präsident der Tschechischen Republik, Vaclav Havel, hat sich für diese Verbrechen entschuldigt. Das ist halt der Unterschied. Krenz faselt vom „Schwindelkurs“ der D-Mark gegenüber der Ostwährung und will damit verschweigen, dass die Ost-Mark im eigenen Lande kaum was wert war. Wer konnte, versuchte Ost- gegen D-Mark zu tauschen. Was schwierig und verboten war. Wer als Westdeutscher die DDR bereiste, wurde oft von Ostdeutschen angesprochen, heimlich versteht sich. Gelacht habe ich über die These von Krenz, die Mauer 1961 sei nicht von der DDR, sondern schon 1948 vom Westen errichtet worden- durch die Währungsreform in den drei Westzonen.

Ein echter Wahlfälscher

Und wenn es nicht soviele Tote gegeben hätte, könnte man Krenz Erzählungen über den Aufstand in der DDR am 17. Juni 1953 als kabarettreif bezeichnen, vergleicht er diese Proteste doch tatsächlich mit dem von den Gewerkschaften ausgerufenen Generalstreik gegen Ludwig Erhards  Wirtschaftspolitik am 12. November 1948 in der amerikanischen und britischen Zone. Ich weiß nicht, ob Krenz die Formulierung über die lupenreine Demokratie in der DDR von Gerhard Schröder kopiert hat, der einst als Kanzler seinen Freund Putin einen lupenreinen Demokraten genannt hatte. Aber Krenz meint damit tatsächlich eine Wahl in der DDR im April 1968: damals hätten „94,49 Prozent der Bürger in einem Volksentscheid für eine neue Verfassung gestimmt.“ Steht da, wörtlich Krenz. Kein Witz. Ob der uns auf den Arm nehmen will? Es weiß doch jedes Kind, dass Wahlen in der DDR eine Farce waren, die Bürgerinnen und Bürger gingen zum „Zettelfalten“, um nicht aufzufallen. Dabei ist Krenz ein echter Wahlfälscher gewesen. Als Vorsitzender der zentralen Wahlkommission war er aktiv dabei, als das Ergebnis der Kommunalwahlen im Mai 1989 auf 98,85 Prozent zugunsten der Einheitsliste manipuliert wurde. Die Folge waren Proteste gegen die SED, gegen die Wahlfälschung, Proteste, die nicht mehr abebbten und das Ende der DDR im Grunde einleiteten. Und jetzt schreibt Krenz sowas. Aber es kommt noch besser, wir bleiben im Kabarett-Stil: Krenz äußert seine Zufriedenheit darüber, dass es in der DDR bei Wahlkämpfen nicht zu Schlammschlachten gekommen sei  wie 1961 in der BRD, als die Adenauer-CDU dem SPD-Kanzlerkandidaten Willy Brandt dessen uneheliche Geburt vorhielt. An das Wahlkampfblatt der CDU, das in alle Haushalte geworfen wurde, erinnere ich mich noch gut, es hat mich empört: „Willy Brandt alias Herbert Frahm“ war da zu lesen.

Die Niederwerfung des Aufstands 1968  in der CSSR, des sogenannten „Prager Frühlings“, (Havel gehörte dazu), nennt Krenz eine „konzertierte Aktion der verbündeten Warschauer-Pakt-Staaten. Die SZ vergleicht die Wortwahl von Krenz mit der von Putin, der den Überfall auf die Ukraine ja als eine „Spezialoperation“ schöngeschrieben hat.  Und beim nächsten Kapitel darf wieder gelacht werden: Als Willy Brandt 1970 die DDR besuchte und in Erfurt im „Erfurter Hof“ den DDR-Ministerpräsidenten Willi Stoph traf, riefen Hunderte DDR-Bürger begeistert: Willy, Willy“, sie meinten damit nicht den Gastgeber. Krenz weiß heute, wer sich wirklich hinter den jubelnden DDR-Menschen verbarg: weil der Kreml gegen den deutsch-deutschen Alleingang von Walter Ulbricht war, hätten die „Freunde aus Karlshorst“- das war damals der Sitz des sowjetischen Geheimdienstes KGB- diese Provokation inszeniert. Ja, auf sowas kommt der normale Bürger aus der Bundespublik nicht, wenn er nicht den tiefen Einblick in die kommunistischen Machenschaften hatte wie Krenz. Der im übrigen in seinem Werk auch behauptet, die DDR habe keinen Antisemitismus geduldet. Richtig ist, dass sich Ostberlin geweigert hat, Israel irgendwelche Entschädigungszahlungen zu leisten für jüdische Naziopfer. 

Der SZ-Rezensent, aus dessen Buch-Kritik ich in meinem Beitrag mehrfach zitiert habe, kommt zu dem Schluss: „Ein roter Faden von Geschichtsfälschungen zieht sich durch das ganze Buch. Der Verlag, der sich auf DDR-Schönfärberei spezialisiert habe, so die SZ, habe zwei weitere Erinnerungsbände von Krenz angedroht. Letzter Satz: „Das kann ja noch heiter werden.“  Warum sowas zugelassen wird? Sie sind gut, wir haben Rede-, Presse- und Meinungsfreiheit.

Bildquelle: CC BY-SA 2.0 DE https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/de/deed.en, via Wikimedia Commons

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Comments 1

  1. Kette says:
    2 Jahren ago

    Ich habe das buch von krenz gelesen und mich über jedes wort geärgert, aber es geht mir wie mit der bild-zeitung. Eigentlich zum kotzen, aber der eventuell zu lesende klatsch reizt einen ja schon…robert kette

    Antworten

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