Die Republik hat neue Verfassungsrichter. Drei Stellen am Bundesverfassungsgericht waren nachzubesetzen, zwei Frauen und ein Mann wurden nun vom Bundestag gewählt. Das klingt ausgewogen, war jedoch keine leichte Sache. Die Wahl war im ersten Anlauf gescheitert, eine ursprüngliche Kandidatin aus dem Rennen gegangen und das Geschehen insgesamt geprägt vom Kampf um Mehrheiten und Meinungen.
Doch darum soll es hier nicht gehen. Enttäuschend ist vielmehr ein anderer Aspekt dieser Wahl – einer, der bislang kaum thematisiert wird: Erneut wurde keine Rechtsanwältin zur Verfassungsrichterin gewählt.
Dabei wäre genau das ein notwendiger Schritt hin zu mehr Pluralismus in den Senaten gewesen. Denn bis heute fehlt am Bundesverfassungsgericht eine weibliche Stimme aus der Anwaltschaft – ein Mangel, der über Jahrzehnte hinweg nicht behoben wurde (immerhin: Bundesverfassungsrichterin Wallrabenstein war zwischen 2001 und 2008 als Rechtsanwältin tätig). Ich bin überzeugt, dass es in der Republik Rechtsanwältinnen gibt, die den nunmehr Gewählten ebenbürtig sind. Trotzdem sind nach wie vor Menschen aus Rechtslehre und Rechtsprechung hier besonders stark repräsentiert. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Verfassungsrichter aus der Anwaltschaft schon immer die Ausnahme waren. Und doch kamen gerade aus diesem Bereich vorbildliche Juristen. So etwa Friedrich Wilhelm Wagner, später Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts und ein Mensch, an dem sich noch Generationen aufrichten können. Als Anwalt kämpfte er gegen die Nationalsozialisten, als Verfassungsrichter prägte er die junge Bundesrepublik entscheidend mit und in der Politik setzte er sich unter anderem für die Abschaffung der Todesstrafe ein.
Fehlende weibliche Vorbilder aus der Rechtsanwaltschaft? Man muss nur den Blick weiten und sich die Besetzung der Landesverfassungsgerichte anschauen. Dort ist aktuell in Berlin mit Lucy Chebout eine waschechte Rechtsanwältin nebenamtlich als Verfassungsrichterin tätig. Trotz dieser Fortschritte gibt es für die Rechtsanwaltschaft auch in den Ländern weiterhin Hürden. Teilweise verhindern sogar gesetzliche Vorgaben, dass eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt zugleich Präsidentin oder Präsident des Landesverfassungsgerichts sein kann. In Thüringen etwa existiert mit § 2 ThürVerfGHG eine solche „Ausschluss-Vorschrift“. Anders dagegen in Nordrhein-Westfalen, wo es in § 3 VerfGHG NRW keine solche justizbezogene Einschränkung gibt. So fortschrittlich manche Personalentscheidungen bei den Landesverfassungsgerichten auch ausfallen, so sind doch vor allem die Chefpositionen weitgehend fest in der Hand der Justiz. Das mag man, gerade wenn es sich um Menschen aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit handelt, aufgrund der besonderen fachlichen Nähe für richtig halten. Warum dann aber – in manchen Bundesländern – standardmäßig ein Präsident des Oberlandesgerichts zugleich oberster Landesverfassungsrichter wird, leuchtet mir nicht ein.
Schließlich bedeutet Pluralismus am Verfassungsgericht auch, verschiedene berufliche Hintergründe und Perspektiven einzubinden. Die Anwaltschaft – und insbesondere ihre weiblichen Vertreterinnen – bleibt dabei bis heute weitgehend außen vor.
Bildquelle: Bundesverfassungsgericht













