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Home Politik

Entscheidend is auf´m Platz – Aber der DFB war auch außerhalb eine Niete

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
25. November 2022
Zitrone

Jeder blamiert sich so gut wie er kann. Das gilt im aktuellen Fall für die deutschen Fußball-Nationalspieler wie die Führung des DFB, des größten Weltfußballverbandes. Erst dicke Lippe riskieren und dann kleinlaut beigeben. So war das mit dem DFB und dem Präsidenten Bernd Neuendorf, dem ich zuvor noch im Blog Haltung unterstellt hatte. Und der dann, einen Tag später, in die Knie ging, als die Fifa mit Sanktionen drohte für den Fall, dass einer wie Manuel Neuer mit der One-Love-Binde auflaufen würde. Pro Menschenrechte. Eigentlich selbstverständlich, nur nicht für die Fifa und ihren Infantino, den Uli Hoeneß  „eine große Katastrophe für den Weltfußball“ genannt hat. 

Man stelle sich nur mal vor, Neuer wäre hart geblieben und hätte die Binde getragen. Ich hätte es gern erlebt, wie ein Schiedsrichter den weltbesten Torwart mit Gelb belegt hätte. Und man stelle sich mal vor, die gesamte DFB-Elf wäre als Reaktion darauf vom Platz gegangen. Weltweit übertragen vom Fernsehen, Millionen und Abermillionen hätten das Schauspiel erlebt, die Haltung eines hochbezahlten Kickers. Unterstützt vom DFB-Präsidenten. Und vom Manager und DFB-Direktor Oliver Bierhoff. Der Beifall wäre ihnen sicher gewesen. Derselbe Bierhoff beklagte anschließend den Druck, dem man ausgesetzt gewesen sei. Pardon, Herr Bierhoff, aber das klingt lächerlich.

DFB-Führung ohne Mut

Die DFB-Führung ohne Mut, so das harte Urteil des Bayern-Ehrenvorsitzenden Uli Hoeneß. Recht hat der Mann. Andere blieben in der Fußballsprache. Ohne Eier wären die Spieler und Offiziellen gewesen. Ein Spruch, den ich vom jungen Oli Kahn kenne, als der noch das Tor der Bayern wie der Nationalmannschaft hütete. Ein anderer Spruch belegt die ganze Peinlichkeit der kickenden Millionäre und ihres Präsidenten: Ohne Rückgrat fahr´n wir zur WM. Maulhelden nannten andere Medien die DFB-Funktionäre, weil sie den Mund zuvor arg voll genommen hatten und dann sprachlos blieben. Aus anderer Quelle kam das mit der dicken Hose und der heißen Luft. Schlappschwänze, so nannten wir früher solche Männer, darf ich sagen, weil ja keine Frau dabei war. Gianni Infantino wird sich ins Fäustchen lachen. Geld schießt Tore, Geld macht Katar zum WM-Ausrichter, Geld geht vor Moral. Mit Geld kann man alles kaufen. Oder?

Und weil die iranische Mannschaft sich geweigert hatte, die Hymne des Landes mitzusingen, aus Protest gegen das Mullah-Regime und seine sogenannten Revolutionsgarden, die massenhaft Demonstranten, Frauen, Männer und Kinder verhaften, einsperren und sogar ermorden lässt, wirkt das Auftreten der deutschen Kicker und ihrer Führung umso erbärmlicher. Die iranischen Fußballer müssen wirklich mit Konsequenzen rechnen, sie können im Gefängnis landen, verprügelt werden, ihre Familien können drangsaliert werden. Was ist dagegen eine gelbe Karte der Fifa?! Oder ein Punktabzug? Oder ein Ausschluss vom Turnier? Lächerlich.

Entscheidend is auf´m Platz

Kommen wir zum Spiel. Ja, Adi Preißler, der einstige Dirigent der Meistermannschaft des BVB in den 50er Jahren, hat es auf den Punkt gebracht: Grau ist alle Theorie, entscheidend is auf´m Platz. Kürzlich las ich das Zitat aus dem Mund von Otto Rehhagel. Mag sein, dass der alte Trainer-Fuchs einen ähnlichen Satz gesprochen hat. Das Original gehört Adi Preißler, dem Mann, der aus Duisburg stammte und dann nach Dortmund wechselte, weil er dort mehr nebenbei verdienen konnte und besseres Essen bekam. So war das damals, als Kicker als Prämie noch eine Tankstelle erhielten oder ein Kino. Darüber würden die Jungs von heute nur müde lächeln.

Ja, entscheidend is auf´m Platz. Und dort haben sie es ebenso vergeigt gegen die quicklebendigen Japaner. Sie hätten es gewinnen können, natürlich. In der ersten Halbzeit hatten sie Chancen für zwei Spiele. Aber im Verlauf des Spiels wurden die Japaner immer besser und gewannen verdient, sagt man dazu. Die internationale Presse reagierte entsprechend. „Harakiri von Deutschland“, so eine Zeitung aus Spanien. Die New York Times kam zum Fazit: „Dies sind die Tage, an denen die Mächtigen fallen.“ Klar, erst Argentinien gegen die Saudis, dann die Deutschen gegen die Japaner. Der Schweizer Zeitung „Blick“ blieb „die Spucke weg. ..Japan schafft die Sensation. Und lässt Deutschland sprachlos zurück.“  Das italienische Blatt „La Repubblica“ griff ganz nach oben, „um den Fall der Götter“ beschreiben zu können. Nach Argentinien stürzt auch Deutschland ab.“ Italien selber konnte sich gar nicht für das Turnier in Katar qualifizieren.

Was bleibt, ist die winzige Hoffnung, gegen Spanien zu gewinnen. Aber dann müsste Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen. Ein Lob kam vom holländischen „Algemeen Dagblad“: „Deutschland macht Eindruck mit Statement, aber lässt seine Beine nicht sprechen und geht gegen Japan unter.“ Dass dieser Eindruck- die Mannschaft verschloss mit beiden Händen ihren Mund- ein krachendes Statement gegen die Fifa gewesen sei und die Spieler eine deutliche Botschaft abgegeben hätten, kann ich nicht nachvollziehen. Es war ein Mini-Protest.  Bei allem Ärger stieß mir aber die moralische Reaktion vom Boulevard-Blatt mit den großen Buchstaben auf. „Schämt Euch!“ So der Titel auf der ersten Seite. Ausgerechnet diese Zeitung zeigt mit dem Finger Richtung deutsche Mannschaft und DFB-Spitze. Dabei ist doch eines klar: Wer mit dem Zeigefinger auf andere zeigt, muss wissen, dass drei Finger derselben Hand auf ihn zurückweisen. Der Vergleich stammt vom ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann.

Niedergang des deutschen Fußballs

Und weil Fußball ja mehr ist als die schönste Nebensache der Welt und Millionen Experten in Deutschland vor den Fernsehern Spiele, Spieler und Trainer bewerten, gibt es nach Japan eine Debatte über den Niedergang des deutschen Fußballs. Dabei ist der meiner Meinung nach längst im Gang. Wir haben in der Bundesliga nur eine Mannschaft von Format, den FC Bayern München, der Klub mit den meisten Mitgliedern, dem meisten Geld, den meisten Titeln. Und natürlich liegt der Verein wieder mal auf Platz 1 und dürfte die Meisterschale wieder nach München holen. Zum elften Mal hintereinander. Insgesamt zum 32. Mal. So Leid es mir tut um den BVB, die Leipziger oder wen auch immer. Sie können schon seit Jahren nicht mithalten. Und da die Überlegenheit der Bayern so überragend ist, weil sie auch jeden Spieler, den sie wollen, kaufen können, werden sie in der Liga auch nicht mehr gefordert. Und deshalb sinkt das Niveau der deutschen Nationalmannschaft immer weiter. Deutschland war vier Mal Weltmeister. Wer immer mal wieder vom fünften Stern träumen sollte, den erinnere ich als Schalke-Fan an die letzte deutsche Meisterschaft der Königsblauen im Jahre 1958. Meister der Herzen, den Titel überlassen die Bayern gern anderen. Aber das ist so etwas wie die gelbe Zitrone. 

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