Die Freiheitliche Partei Österreich (FPÖ) ist in der Alpenrepublik der Hauptgegner aller anderen Parteien, vor allem der derzeitige Vorsitzende, Herbert Kickel, ist aus Sicht vieler einschliesslich des im Januar dieses Jahres ausgeschiedenen Kanzlers und damaligem Vorsitzendem der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) Karl Nehammer nicht koalitionsfähig. Er hat in seiner nun vorliegenden Autobiografie seine negativen Erfahrungen in der vergangenen gemeinsamen Regierung, er als Generalsekretär der ÖVP und FPÖ Kickl damals als Innenminister unter Sebastian Kurz geschildert. Allerdings fehlt in dieser Beschreibung eine Erklärung, warum fünf ÖVP/FPÖ Koalitionen in fünf von neun österreichischen Bundesländern existieren, ohne die Bedenken, die ansonsten Nehammer gegen die FPÖ hat, was ihren Umgang mit Demokratie, mit Russland, mit der EU hat, ganz zu schweigen von der Migration und Remigrationsrhetorik der Partei.
Oder gar , wie das 9 Millionen Einwohner zählende Österreich weiterhin neun Bundesländer finanzieren will. Zugegebenermassen, auch Deutschland schaffte es nicht, im Zuge der Einigung 1990 die Bundesländer neu zu ordnen.
„Sich selbst treu bleiben“ so der Titel der Autobiographie, die der 53 jährige Karl Nehammer vorgestellt hat, unterstützt wurde er von seinen früheren Pressesprechern beim Schreiben. Als Ghostwriter engagierte er einen früheren Sozialdemokraten. Nehammer stieg in Folge der Skandale rund um Sebastian Kurz unerwartet vom Innenminister zum Bundeskanzler und Parteivorsitzenden der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) auf. Und nach vier Jahren im Amt und der verloreneren Wahl sowie erfolglosen Koalitionsgesprächen mit den Sozialdemokraten wechselte er just ins Amt des Vizepräsidenten der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg, als einziger dort ohne ökonomisches Vorwissen. Übrigens Monatssalär 31 536,60 Euro, 7659 Euro mehr als in seinem Kanzlerjob.
Der einstige Heeresleutnant und an der Uni Krems (bei WIen) ausgebildete Kommunikationscoach hat es weit gebracht, stellt er fest und nun erwartet man auf den 200 Seiten tiefe Einblicke in den kometenhaften Aufstieg, auch Seitenblicke auf die gravierenden Probleme der Partei, des Landes, der Finanzkrise und der Pandemie in Österreich.
Aber leider wird man enttäuscht. Beschrieben werden eher Kleinigkeiten bei Staatsbesuchen in der Türkei oder in Ägypten. Die zündende Idee, wie man angesichts auch des Nachbarn Ungarn in der Asylfrage zu einer gemeinsamen EU Lösung kommen soll, bleibt aus. Unvergessen Nehammers Besuch bei Ukraine Präsident Zelensky und bei Russlands Diktator Putin kurz nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine 2022. Ihm scheint es nicht erwähnenswert, dass er sich dabei eines Vermittlers aus der PR Branche bediente, des früheren BILD Chefs Kai Dieckmann.
Unerwähnt die auf dem Papier, aber nie in der Realität eingeführte Impfpflicht in der COVID Pandemie in Österreich und der Streit darum.
Abgrenzung zu Ex Kanzler Kurz, der heute in rechten Medien wie Welt TV, Exxpress(Ö), Servus TV (dem rechtslastigen RedBull Fernsehen Österreichs und Mitinhaber des ecoWING Verlages) und anderen seine mögliche Rückkehr in die Politik nicht ausschliesst, sucht man vergebens. Zündende Ideen zur Neupositionierung der schwächelnden ÖVP ebenso.
Man kann also den Titel der Biografie vielleicht auch so verstehen, dass die „Treue“ vor allem ihm selbst und seiner Familie gilt, weniger politischen Leitideen, auch wenn gelegentlich schon mal von „Leitkultur“ die Rede ist. Aber was damit gemeint sein könnte, bleibt unklar.
Karl Nehammer, Sich selbst treu bleiben, ecoWING Verlag, Salzburg, 26,00 Euro.
Bildquelle: Europäische Volkspartei, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons













