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FDP-Chef Lindner auf dem Irrweg – Zum Scheitern der Liberalen bei der Wahl

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
10. Oktober 2022
Schild Sackgasse

Die Anhängerschaft, so hörte ich FDP-Chef Christian Lindner Stunden nach der vergeigten Landtagswahl in Niedersachsen, „fremdle“ mit der Ampel, weil die Liberalen mit zwei linken Parteien regierten und deshalb auch irgendwie links verortet würden und nicht mehr als Partei der Mitte. Eines stimmt ja, die politischen Schnittmengen zwischen FDP und Grünen und FDP und der SPD muss man suchen, aber ist das wirklich das Problem? Ich glaube nicht. Demokratische Parteien müssen stets in der Lage sein, miteinander zu koalieren. Wo kämen wir hin, wenn nach jeder Wahl die Matadore der Parteien entscheiden würden: Die Wählerinnen und Wähler haben leider schlecht gewählt, für uns ist nichts dabei, die jeweilige Wunschkonstellation hat keine Mehrheit bekommen. Das wäre das Ende unserer erfolgreichen parlamentarischen Demokratie, die wir seit 1949 haben. Und die FDP hat ja Erfahrung mit Koalitionen, mit der SPD, Grünen, der CDU.

Ich kann die Enttäuschung von Lindner und Co gut verstehen, dass sie den Einzug ins Landesparlament in Hannover nicht geschafft haben. Dazu kommt ja, dass die FDP in diesem Jahr schon aus zwei Landesregierungen geflogen ist, in Schleswig-Holstein und in NRW, im Saarland blieb sie wie jetzt in Hannover draußen.  Aber man muss Niederlagen einstecken können. Dass sich Herr Lindner jetzt verstärkt in der Berliner Ampel um Profilierung seiner FDP kümmern, sich darauf konzentrieren will, dass FDP-Lieblingsthemen entschieden werden, halte ich für falsch. Die FDP ist Teil der Ampel-Regierung neben der SPD und den Grünen, entsprechend dem Ergebnis der Bundestagswahl vom September letzten Jahres ist sie das schwächste Mitglied dieser Koalition. Das heißt aber nicht, Herr Lindner, dass Sie nicht die Möglichkeit gehabt hätten und haben, sich in und mit der Ampel zu profilieren. Es ist ein Fehler, wenn der FDP-Chef sich künftig gegen die Grünen und die SPD durchsetzen will. Das schafft den Streit, der in der Öffentlichkeit der gesamten Regierung schaden würde, auch der FDP. Die Menschen wollen sehen, dass entschieden wird entsprechend den Bedürfnissen im Lande.

Und diese Bedürfnisse sind groß, sie sind keine Erfindung von der SPD und auch keine der Grünen. Es ist die Lage in Europa, die uns und  anderen Völkern vieles abverlangt, was niemand auf dem Schirm hatte. Den Krieg mit all seinen Folgen-Inflation, die drohenden Gas-Engpässe, das Ansteigen der Geflüchteten-Zahlen aus der Ukraine, der mögliche Wohlstandsverlust weiter Teile der Bevölkerung- hat uns Russlands Präsident Putin aufgezwungen. Und die deutsche Politik war und ist gezwungen, darauf zu reagieren wie übrigens  alle europäischen Staaten, ja sogar die USA spüren die Konsequenzen. Das kostet auch unser aller Geld. Es geht darum, dass wir über den nächsten Winter kommen, das ist eines der wichtigsten Ziele der Ampel-Regierung, des SPD-Kanzlers Olaf Scholz wie des Grünen-Wirtschaftsministers Robert Habeck und natürlich auch von FDP-Chef, dem Bundesfinanzminister Christian Lindner.

Das Gerede von Liebesheiraten in der Politik sollten wir stoppen, es gibt so etwas nicht. Geheiratet wird zwischen Menschen, nicht zwischen Parteien. Es sind immer Zweckbündnisse. Es macht keinen Sinn, vor einer Wahl sich auf Koalitionen festzulegen, das führt oft genug dazu, dass man seine Versprechen nicht einlösen kann. Denn die Wählerinnen und Wähler entscheiden. Also muss erst gewählt werden, dann wird gezählt und dann kann man rechnen. Man braucht eine Mehrheit, natürlich. Und die muss man suchen. 1969 sah sich der CDU-Kanzler der Großen Koalition, Kurt-Georg Kiesinger nach der Wahl als Sieger, als solcher ging er am späten Abend ins Bett und wachte am nächsten Morgen als Verlierer auf, weil sich der SPD-Politiker Willy Brandt mit dem FDP-Vorsitzenden Walter Scheel auf die Bildung der sozialliberalen Koalition verständigt hatte. Das war für manche Liberale auch kein Traum, aber es folgten gute Jahre für das Land, immerhin hielt das Bündnis 13 Jahre.

Wenn Christian Lindner meint, die FDP habe bisher zu wenig stattgefunden in der Ampel, also zuviele Zugeständnisse gemacht, dann halte ich ihm entgegen, was die anderen Partner der Koalition alles geschluckt haben: die SPD musste sich von ihrem Kanzler Scholz anhören-und zwar ohne vorherige Aussprache-, dass die Regierung einen Sonderfonds für die Bundeswehr einrichten werde in Höhe von 100 Milliarden Euro, um Deutschland militärisch besser aufzustellen angesichts des Krieges von Russland gegen die Ukraine. Damit nicht genug, betonte Scholz, dass man den Verteidigungsetat auf zwei Prozent des BSP anheben werde, ein in der SPD sehr umstrittener Punkt. Die Grünen mussten quasi über Nacht zustimmen, dass Kohle-Kraftwerke wieder ans Netz genommen und dass Kernkraftwerke länger laufen werden. Wahrlich keine Kleinigkeit. Dass bei aller Notwendigkeit die Klimaziele ein wenig in den Hintergrund rücken, darf man, muss man beklagen, denn dem Planeten droht der Untergang.

Und was hat die FDP zugestehen müssen? Nicht einmal das Tempolimit wird eingeführt, was nach meiner Schätzung in fast ganz Europa gilt, nur bei uns in Deutschland ist das kein Thema. Volle Pulle, auch wenn das viel mehr Benzin und Diesel schluckt, die Umwelt stärker belastet, dadurch der Lärm zunimmt, es mehr Verkehrstote gibt. Die FDP lässt sich nichts vorschreiben, nicht mal, wenn es von der Vernunft her geboten wäre. Lächerlich ist das, Herr Lindner. Weiter so, dann ist der Weg der FDP in die Opposition frei, wenn sie denn überhaupt den Einzug ins Parlament schafft.

Dabei wäre Regieren angebracht, um Probleme zu lösen, den Menschen die Ängste vor der Zukunft zu nehmen. Ihnen Mut zu machen, dass wir es schaffen, dass niemand allein bleibt mit seinen Sorgen. Regieren wäre nötig, damit Bürgerinnen und Bürger entlastet werden, heil über den Winter kommen. Die Lasten müssen gerechter verteilt werden. Die Aufgaben sind gewaltig. Regieren angesichts des Anwachsens des Protestes in Teilen der Bevölkerung, der nur den Rechtsaußen hilft, wie man das in Niedersachsen gesehen hat. Die AfD profitiert von Unruhen,  sie schürt die Unsicherheit, hat keinerlei Konzept in diesen schweren Zeiten. Sie hat gejubelt über den Erfolg der nationalistischen bis neofaschistischen Parteien in Italien, was Demokraten als Mahnung ansehen müssten. Es ist keine Zeit für irgendwelche Spielchen. Christian Lindner hat am Sonntagabend auch die staatspolitische Verantwortung der Liberalen betont. Er sollte sich daran halten. Die FDP ist Regierungspartei. Vom Scheitern der Ampel würde allein die AfD profitieren, sie wartet nur darauf, unserer Demokratie zu schaden. Wir sollten das nicht zulassen.

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