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Home Politik

Frieden um jeden Preis

Hans-Christian Hoffmann Von Hans-Christian Hoffmann
6. März 2024
Friedenstaube in Glaskugel

Wann führt ein Waffenstillstand zu einem wirklichen und dauerhaften Frieden und ist nicht nur Zwischenstadium bis zur nächsten Aggression? Russland will in der Logik putinscher Politik Hegemon mindestens über Teile Europas werden. In einem Schritt ist dies machtpolitisch nicht realisierbar. Daraus folgt: Step by Step. Die Ukraine und ihre Aufteilung ist der Auftakt für die neue imperiale Strategie Russlands. Ein Blick auf die Karte des Gebietes der heutigen Ukraine und der Grenzziehungen bis zum Ende des ersten Weltkriegs zeigt Ziele und historische Begehrlichkeiten alter Anrainerstaaten auf. Ungarn schaut auf ca. eine Million ethnischer Ungarn in der benachbarten Ukraine. Und die Slowakei erinnert sich gern an Galizien als früheren Bestandteil aus der Zeit der K und K Monarchie; polnische Gebietsträume nicht gerechnet. Darauf basiert Putins Teilungsplan für die Ukraine, den er schon mehrfach öffentlich gemacht hat. Ein Waffenstillstand oder gar Friedensvertrag ist aus russischer Sicht nur denkbar, wenn über die jetzt besetzten Gebiete hinaus mindestens die gesamte Küstenregion bis Odessa ( 1794 von Katharina der Großen gegründet ) Russland angegliedert wird.

Polnische Solidarität mit der Ukraine drückt sich zur Zeit eher mit Grenzsperrungen polnischer Bauern aus, die von der dortigen Regierung geduldet werden. Fico und Orban, die Machthaber der Slowakei und Ungarns, haben der Ukraine militärische Unterstützung mit Blick auf künftige Entwicklungen und eigene Wünsche verweigert. Frankreich betreibt eine Politik der Sprechblasen und Deutschland achtet bei seinen Lieferungen von Hilfsgütern nicht zu Unrecht darauf, den besonderen Unwillen Russlands zu vermeiden. Ziel ist dabei wohl eine Art Friedensdividende bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland. Olaf Scholz als Friedenskanzler wie einst Gerhard Schröder! Einzig Dänemark und die baltischen Staaten ziehen militärpolitisch die notwendigen Konsequenzen. Die dänische Ministerpräsidentin hat die Freigabe aller vorhandenen Munitionsvorräte ohne Rücksicht auf die eigene Verteidigungsfähigkeit angeordnet. Der deutsche Bundeskanzler beruft sich dagegen auf Nato Verpflichtungen bei der Bevorratung solcher Munition und macht sich international wenig Freunde mit seinen Begründungen zur Verweigerung der Marschflugkörper Taurus, den er perspektivisch als „Bärentöter“ sieht. Es scheint so, als ob Europa vergessen hat, dass die Ukraine nicht nur sich selbst verteidigt, sondern stellvertretend den ganzen Kontinent.

Es hat die große Zeit der Friedensbewegten und Illusionisten mit ihren Forderungen nach Verhandlungen durch Vermittlung dritter und nicht involvierter Staaten begonnen. Dabei wird immer wieder gegen alle Erkenntnisse und öffentlichen Äußerungen Putins und seiner Hilfswilligen eine Verhandlungsbereitschaft Russlands suggeriert, die es nicht gibt.

China, das gern als Vermittler genannt wird, hat ein Interesse an der Aufrechterhaltung der Konfliktsituation in Europa, weil dies die Kräfte der USA, die sich sonst gegen China richten könnten, bindet. Und gleichzeitig bleibt Russland aus wirtschaftlichen Gründen mit dem Fortdauern des Konflikts in chinesischer Abhängigkeit. Auch der machtpolitische Rollentausch zwischen beiden Ländern bleibt unter diesen Bedingungen bestehen. Mit der Türkei ist es ganz ähnlich. Deren Interesse liegt in einer engeren Verbindung zu den Turkstaaten ( Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan, Turkmenistan), die seit 1992 mit dem türkischen Konzil mit der Türkei verbunden sind. Die EU ist dabei Vorbild. Bisher hat Russland alle türkischen Bestrebungen für einen engeren Zusammenschluss mit den ehemaligen Sowjetrepubliken ausgebremst. Jetzt braucht Russland die Türkei als Waffenlieferant, Ölkunde und als Durchgangsstation für westliche industrielle Komponenten. Aus dieser Situation ergeben sich für die Türkei erhebliche Handlungsvorteile und eine Erweiterung des Spielraums zu den Turkstaaten. Die Ausweitung des russischen Machtbereichs über einen großen Küstenteil des Schwarzen Meeres würde auch alte Ängste der Türkei aus früheren Jahrhunderten der extremen militärischen Auseinandersetzung mit Russland wiederbeleben. Bis heute unvergessen ist der russische Traum vom ungehinderten Zugang ins Mittelmeer, der zuletzt im Krimkrieg Mitte des 19. Jahrhunderts durch die Türkei mit ihren Verbündeten Frankreich und Großbritannien verhindert werden konnte. Dies zeigt, dass die Ausgangsposition für Vermittlungsbemühungen und Verhandlungen deutlich komplizierter ist, als dies vielfach behauptet wird. China und die Türkei haben ein unmittelbares Interesse daran, den Konflikt Russland/Ukraine in Gang zu halten. Verdrängt und vergessen sind auch die Erfahrungen aus den Verhandlungen nach der Krim Besetzung 2014 und dem russischen Mordbrenner Einsatz in Syrien.

Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre waren Verhandlungen mit der Sowjetunion, wie sie Willy Brandt und die Sozialdemokraten gefordert und betrieben haben, der richtige Weg, der die deutsche Einheit vorbereitet hat. Aber der Verhandlungspartner Sowjetunion war damals eine konsolidierte Weltmacht, der es nicht um Gebietserweiterungen ging und die selbst auch auf Ausgleich mit der Bundesrepublik bedacht war. Auf der Basis dieser Rahmenbedingungen waren Verhandlungen über eine Überwindung der Nachkriegsbedingungen sinnvoll und Erfolg versprechend. Heute haben wir es dagegen mit einem gewaltbereiten und zu allem entschlossenen Russland mit dem Diktator Putin zu tun, das seine frühere Größe und Bedeutung wieder haben will. Daraus folgt: Die Friedenstauben bleiben im Käfig.

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