I.
Beim EU-Gipfel in Brüssel ist der deutsche Bundeskanzler mit seiner Forderung krachend gescheitert, russische Vermögenswerte, die in Ländern der EU liegen, zur Finanzierung der Ukraine zu nutzen. Dass er sich Tage zuvor während der Verhandlungen zwischen den USA, der Ukraine und europäischen Staats- und Regierungschefs in Berlin als Anführer Europas hatte inszenieren lassen, hat nicht lange gehalten.
Jetzt wird die EU-Kommission Kredite in Höhe von 90 Milliarden EU aufnehmen und der Ukraine zinslos zur Verfügung stellen. Das ist genau die Lösung, die der Bundeskanzler unbedingt verhindern wollte: 90 Milliarden neue Kredite, für die 24 der 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haften.
Gegen den Plan, russische Vermögenswerte zu enteignen gab und gibt es schwerwiegende Einwände rechtlicher, politischer und finanzwirtschaftlicher Natur. Robert Volterra, ein angesehener Anwalt für Internationales Recht in einer Londoner Kanzlei und u.a. Gastdozent am King´s College nimmt kein Blatt vor den Mund: „Der Plan, eingefrorene russische Staatsvermögen für Reparationskredite zu verwenden, ist nach Völkerrecht absolut illegal und ein eklatanter Verstoss gegen die Rechtsstaatlichkeit.“
Den Bundeskanzler, der sonst Völkerrecht und Rechtsstaat ständig im Munde führt, scheint das nicht zu interessieren. Hier soll offenbar der Zweck die Mittel heiligen. Er müsste wissen, dass das gefährliche Folgen haben kann, die sich auch gegen die Interessen Deutschlands und der EU richten und niemandem nutzen.
II.
Statt sein Scheitern einzugestehen und zu erklären, stellt der Bundeskanzler am Freitagabend die Dinge auf den Kopf, wenn er in den „Tagesthemen“ sagt: „Diese Lösung ist sogar noch besser als die, die ich vorgeschlagen habe.“ Er behauptet, „das russische Vermögen“ werde „genutzt“ und er fügte hinzu: Sollten die festgesetzten Vermögenswerte an Russland zurückgehen, dann „nur nach Abzug des Darlehens, das die Ukraine jetzt bekommen hat – und nach Abzug weiterer Schäden.“
Warum sagt er das? Warum weckt er wieder eine Erwartung, die nicht eintreffen wird? Er muss doch wissen, dass Verhandlungen über einen Waffenstillstand und einen Friedensschluss so nicht erfolgreich sein werden. Russland wird unter keinen Umständen bereit sein, auf sein völkerrechtlich geschütztes Vermögen in Ländern der EU zu verzichten. Will der Bundeskanzler eine Vereinbarung über einen Waffenstillstand an dieser Frage scheitern lassen?
Dieses Verhalten lässt sich nur damit erklären, dass der Bundeskanzler und mit ihm die überwiegende Mehrheit der politisch Verantwortlichen in den Ländern der Europäischen Union sich in eine Sackgasse manövriert haben. Sie nehmen die Wirklichkeit um sich herum nur noch selektiv zur Kenntnis. Weil sie sich selber handlungsunfähig gemacht haben, flüchten sie in Ersatzhandlungen und Posen. Sie werden zum Opfer ihrer eigenen Propaganda.
III.
Seit vielen Monaten sprechen die USA und Russland über die Normalisierung ihrer politischen und wirtschaftlichen Beziehungen. Da geht es u.a. um die Rückkehr Russlands in den Kreis der G 7, die wieder zur G 8 werden sollen, über die Beteiligung US-amerikanischer Unternehmen an der Ausbeutung russischer (und ukrainischer) Rohstoffvorkommen und um Verhandlungen zur Verlängerung auslaufender und neuer Abkommen zur Begrenzung von Atomwaffen.
Zur gleichen Zeit bleiben die Europäische Union und auch Grossbritannien mit dem selbst ernannten Anführer Friedrich Merz auf vollständigem Konfrontationskurs mit Russland, ohne jede realistische Perspektive, wie auf diesem Weg der russische Krieg gegen die Ukraine beendet oder auch nur ein Waffenstillstand erreicht werden soll.
IV.
Da ist es ein wirklicher Lichtblick, dass der französische Präsident Emmanuel Macron noch in der Nacht, in der der deutsche Bundeskanzler mit seinen Vorstellungen in der EU gescheitert ist, auf einer Pressekonferenz einen ganz anderen Ton angeschlagen hat. „Le Monde“ hat dazu online am frühen Freitag um 4 Uhr 11 live berichtet (meine Übersetzung):
„Wir müssen in den kommenden Wochen Mittel und Wege finden, wie wir gut organisiert wieder einen umfassenden Dialog mit Russland aufnehmen“, hat der französische Präsident bei einer Pressekonferenz in Brüssel erklärt, und die Auffassung vertreten, dass es „wieder nützlich sein wird“ für ihn und für die Europäer mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu sprechen.
„Ich stelle fest, dass es Leute gibt, die mit Wladimir Putin sprechen“, fügte er hinzu und spielte dabei namentlich auf den amerikanischen Präsidenten Donald Trump an, der seit seiner Rückkehr an die Macht den Kontakt mit dem Herrn des Kreml wieder aufgenommen hat. „Ich denke, dass wir Europäer und Ukrainer das Interesse haben, einen Rahmen zu finden, um diese Diskussion in angemessener Weise wieder aufzunehmen. Tun wir das nicht, diskutieren wir unter uns mit Verhandlern, die anschliessend allein mit den Russen verhandeln, was nicht optimal ist.“
Damit sagt Macron die brutale Wahrheit, auch wenn er sie mit Bedacht zurückhaltend formuliert.
Wir können nur hoffen, dass sich diese Einsicht in die brutale Wahrheit möglichst schnell bei möglichst vielen durchsetzt. Das wäre im Interesse aller, besonders im Interesse der Menschen in der Ukraine.












