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Leverkusen? Vizekusen? Meisterkusen!

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
14. April 2024
Fahne Bayer Leverkusen

Leverkusen? Schon mal gehört? Waren Sie mal da? Wer den Namen Leverkusen früher erwähnte, dachte an den Pharmariesen und dessen Pillen, wie zum Beispiel Aspirin. Später machte sich der Weltkonzern einen nicht gerade guten Namen, als er das US-Saatgut-Unternehmen Monsanto für Milliarden kaufte, was ihm viele teure Klagen wegen des Vorwurfs der Krebserregbarkeit des Stoffes eintrug und die Aktie in den Keller stürzen ließ.  Leverkusen, das ist das bundesweit bekannte Autobahnkreuz wenige Kilometer entfernt von  Köln, da staut sich der Verkehr des Öfteren, der WDR berichtet darüber.  Mit Leverkusen verbinde ich die Namen vieler hochkarätiger Leichtathleten wie Heide Ecker-Rosendahl, die mehrfache Olympiasiegerin von München im Weitsprung und in der 4×100-Frauenstaffel, und Kurt Bendlin, den einstigen Weltrekordler im Zehnkampf.  Beim Thema Fußball haben wir uns stets über Leverkusen amüsiert. Weil sie immer mal wieder Zweiter wurden, im Champions-League-Finale verloren gegen Real Madrid, im Pokal gegen Schalke mit 1:4 unterlagen und in der Meisterschaft das Kunststück fertigbrachten,  beim Münchner Vorortklub Unterhaching den Kürzeren zu ziehen und damit dem FC Bayern den Titel zu überlassen. Vizekusen war der Spottname für den Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen. Und jetzt das, Deutscher Meister. Wer hätte das gedacht?

„Nie, nie“, reagierte vor Jahren enttäuscht der frühere brasilianische Edel-Kicker in Diensten der Bayer-Mannschaft, Emerson, „Leverkusen wird nie etwas gewinnen.“ Das war 2002. Und jetzt haben sie den großen und ewigen Meister FC Bayern München abgehängt, der BVB aus Dortmund liegt noch weiter zurück, Schalke kämpft gegen den Abstieg in der 2. Bundesliga. Und niemand würde sich wundern, wenn diese Bayer-Elf das Pokal-Endspiel gegen den Zweit-Bundesligisten 1. FC Kaiserslautern gewinnt und am Ende Europa-Pokalsieger wird. Meisterkusen sind sie dann.  Las ich gerade aus dem Munde eines Trainers namens Klaus Toppmöller, der damals Anfang der 2000er Jahre binnen weniger Wochen erleben musste, wie seine Mannschaft, Bayer 04, alle Meisterschaften vergeigte.

Wenn ich an den Namen Leverkusen denke, kommt mir der Name Bielefeld in den Sinn. Leverkusen, spottete unlängst ein Kollege, sei das neue Bielefeld. Die Stadt, die es eigentlich gar nicht gibt. In der SZ stand dazu mal ein Streiflicht über Bielefeld. Eigentlich ziemlich hochnäsig und doch habe ich selten so gelacht. Dabei hat Bielefeld einen Hauptbahnhof, die ICEs halten hier, alle. Da gibts eine eigene Zeitung, die „Neue Westfälische“, einen großen Pudding-Konzern, den Fußballklub Arminia, der aber zur Zeit irgendwo im fußballerischen Niemandsland spielt. Früher in der ersten Bundesliga war die „Alm“, so hieß das Stadion, eine gefürchtete Stätte, wo mancher Favorit geschlagen nach Hause fuhr.

Alle Welt redet plötzlich über Leverkusen. In den Zeitungen werden große Reportagen geschrieben: “ Leverkusens Werk und Xabis Beitrag“, heißt die Geschichte auf der berühmten Seite 3 der „Süddeutschen Zeitung“. Damit nicht genug, im Sportteil des ehrwürdigen Münchner Blattes wird der spanische Trainer Xabi Alonso als „Meister der Effizienz“ gefeiert und auf derselben Seite gibt der einstige Weltklassestürmer Emerson ein Interview und erklärt den Grund für den Meistertitel: „Unsere Sehnsucht nach dem Titel war einfach zu groß.“ Und weiter sagt Emerson: „Sie spielen guten Fußball. Und das ist das Werk von Xabi Alonso.“ Alles stimmt. Die spielen die Gegner schwindelig und oft entscheiden sie das Spiel in den letzten Minuten oder gar in der Nachspielzeit. Die sind fit und sieghungrig, die wollen immer nur gewinnen. In der laufenden Saison haben sie bisher kein einziges Pflichtspiel verloren. Bayer 04 ist ein relativ kleiner Verein mit 40000 Mitgliedern, die Bayern zählen rund 300000 Mitglieder, der BVB hat mit 190000 ein paar Fans mehr als die Schalker. Und die in Leverkusen ungeliebten Kölner haben immerhin 100000 Mitglieder.

Wenn ich mich umhöre in meinem Bekanntenkreis, war niemand von ihnen je in Leverkusen. Schon mal in der  Fußgängerzone gewesen? Was soll ich denn da.., bekam ich zur Antwort.  Und dann die Frage: Was gibt es denn dort? Keine Ahnung. Das Stadion kann man von der Autobahn aus sehen, wenn man auf der A3 Richtung Köln fährt, es sieht aus wie eine Schüssel. Und sonst? Ach ja, da ist ja auch das Bayer-Werk.  Und das Kreuz.  Bei Wikipedia finde ich weitere Informationen über Leverkusen. Die Stadt hat etwas über 165000 Einwohner. Ihren Namen verdankt die Stadt dem Apotheker und Chemieunternehmer Carl Leverkus, dessen Familie aus dem heutigen Remscheid stammte. Dieser Leverkus gründete Mitte des 19.Jahrunderts in der Nähe von Wiesdorf am Rhein eine Chemiefabrik und gab der Siedlung seiner Arbeiterschaft den Namen Leverkusen. 1930 übernahm die neue Stadt Leverkusen diesen Namen. In Leverkusen mündet die Wupper in den Rhein. Alles nicht so aufregend.

Zurück zum Fußballklub Bayer 04 und dem Pharma-Riesen, dem es durch die Monsanto-Übernahme nicht so berauschend gut geht. Dabei war der Konzern mit seinen rund 100000 Beschäftigten ein „Vorzeige-Unternehmen, eine Perle der deutschen Industrie“(SZ). Die Bayer-Gewaltigen waren gewarnt geworden, den milliardenschweren Saatgut- und Unkrautvernichtungsmittel-Multi zu übernehmen. Nicht nur, weil Bayer dafür umgerechnet 59 Milliarden Euro auf den Tisch des US-Konzerns blättern musste. Es gab Stimmen, die all die Klagen von US-Bürgern befürchteten, weil man Amerika kennt und die dortige Justiz. Tausende von Stellen müssen abgebaut werden, im letzten Jahr machte Bayer einige Milliarden Euro Miese. Und weitere Klagen sind nicht auszuschließen, Monsantos Unkrautvernichter „Roundup“ steht im Verdacht, mit seinem Glyphosat-Mix krebserregend zu sein.  Niemand weiß um die Zukunft dieses Konzerns.

Demgegenüber steht der Fußball-Verein Bayer 04 mit seiner Erfolgsserie, die nicht abzureißen scheint. Der Fußball liefert positive Schlagzeilen, damit kann sich Leverkusen sehen lassen und der Konzern wäre froh, wenn er ähnlich ausstrahlen würde wie der Fußballklub Bayer 04, der sein Verlierer-Image abgelegt hat. Ich bringe Leverkusen immer noch mit Namen in Verbindung wie Christoph Daum, der wegen der Koks-Affäre einst den Traum des Lebens,

Bundestrainer zu werden, sich von der Backe putzen musste. Oder mit Rainer Calmund, dem Dauer-Plauderer und Schwergewicht.

Das ist alles vorbei. Heute ist Rudi Völler nicht nur DFB-Sportdirektor, sondern auch eine Bayer-Marke, einstiger Muster-Profi aus Offenbach, München(1860) und Bremen, der in die Welt zog und für Rom, Olympique Marseille und Bayer Leverkusen spielte, der Weltmeister wurde, dann lange Jahre Sportdirektor bei Bayer Leverkusen war. Eine Persönlichkeit, die beliebt war und es immer noch ist. Über welchen Sportsmann wird schon ein Lied gesungen: Es gibt nur einen Rudi Völler. Und dieser Völler hat den Job weitergegeben an Simon Rolfes, der, wenn er redet, das meist mit leiser Stimme tut, der Leverkusener Bescheidenheit lebt und dem es gelang, eben diesen Xabi Alonso aus Valencia in die deutsche Provinz nach Leverkusen zu holen.  Der hat eine Mannschaft geformt, die rundherum alles kann, das spanische Tikitaka, was früher bei Barcelona gespielt wurde und Begeisterung ausgelöst hat in der Fußballwelt. Kurzpassspiel vom feinsten, der Gegner weiß oft nicht, wo der Ball ist, so schnell spielen sie Fußball. Eine Augenweide, wie Florian Wirtz spielt, sich bewegt, die deutsche Fußballnationalmannschaft ist ohne den Leverkusener Kicker nicht mehr denkbar. Dazu kommt, dass dieser Trainer Alonso, der schon als Spieler Weltklasse war und ein Gentleman obendrein, auch am Spielfeldrand eine gute Figur macht. Der Mann führt die Spieler mit ruhiger Hand, er legt sich nicht pausenlos mit Schiedsrichtern an, er tobt und schreit nicht rum, der Mann weiß sich zu benehmen. Er hat Manieren. Wo gibt es das schon?!

Niemand wundert sich, dass dieser Trainer begehrt ist bei großen Klubs. Zum Beispiel beim FC Bayern München, der mit Thomas Tuchel zwar einen teuren Übungsleiter mit Weltruf verpflichtet hatte und damit wohl zugleich glaubte, den Erfolg kaufen zu können, was schiefging. Xabi Alonso aber ließ den Hoeneß-Klub und andere Vereine wissen, dass er seine Arbeit in Leverkusen fortsetzen wird. Mit Meisterkusen. Sie werden feiern, irgendwo im oder außerhalb des Stadions, einen Balkon wie im alten Münchner Rathaus haben sie nicht, den brauchen sie auch nicht.

Der Blog-Leser weiß, dass ich trotz allem Schalke-Fan bin. Aber Leverkusen hat was. Man könnte deren Fan werden.

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Comments 1

  1. Tom says:
    2 Jahren ago

    Wie kann man sich als Schalkefan über vizemeisterschaften lustig machen ?

    Ein leben lang keine Schale in der Hand………

    Antworten

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