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Mallorca-Gate ein Problem für Wüst – Fünf Wochen vor der NRW-Wahl

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
8. April 2022
NRW-Umweltministerin Heinen-Esser

Fünf Wochen vor der Landtagswahl in NRW hat Ministerpräsident Hendrik Wüst(CDU) ein Problem. Seine einst als Hoffnungsträgerin gestartete Umweltministerin Ursula Heinen-Esser(CDU) ist zurückgetreten. Ihr blieb ja wohl auch nichts anderes übrig. Die Ministerin war nicht mehr im Amt zu halten, nachdem sie einräumen musste, dass sie nur eine Woche nach der größten Naturkatastrophe des Landes im letzten Sommer mit immerhin 49 Toten den Geburtstag ihres Mannes gemeinsam mit anderen CDU-Kabinettskollegen auf der Sonneninsel Mallorca gefeiert hatte. Wo lebt diese Frau? Dreist und unverfroren, nennt der Leitartikler des Bonner Generalanzeigers das Verhalten von Heinen-Esser, realitätsblind, die SZ titelt: Fiesta mallorquina. 

Aber es geht ja noch weiter. Mit am Geburtstagstisch saßen die Heimatministerin Ina Scharrenbach und Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner(beide CDU), der ehemalige Anwalt des früheren CDU-Vorsitzenden und Bundeskanzlers Helmut Kohl, sowie die damalige Integrationsstaatssekretärin Serap Güler. Das halbe CDU-Kabinett, drum spricht die SPD-Opposition auch schon von Mallorca-Gate. Denn natürlich hängt das Problem der ganzen schwarz-gelben Koalition am Bein, eine Regierung, die nach allen Umfragen ohnehin keine Mehrheit mehr hat. Wüst müsste sich nach einem weiteren oder anderen, nämlich stärkeren Koalitonspartner umsehen, das wären die Grünen, wollte er weiterregieren. Und diese Grünen sind nicht amused über diese Affäre. Eine Allianz mit der SPD kann man ausschließen, zumal der SPD-Herausforderer Thomas Kutschaty Wüst beerben will. CDU und SPD liegen ziemlich gleichauf, legt man Umfragen zu Grunde.

Zurück zu Heinen-Esser: Man schüttelt angesichts dieser an Peinlichkeit kaum zu überbietenden Geschichte mit dem Kopf. Da passiert am 14. und 15. Juli eine Jahrhundert-Flut im bevölkerungsreichsten Bundesland, verheerend die Bilder, die das Fernsehen in alle Wohnzimmer liefert, erschüttert die Menschen, verwüstet Dörfer. Die Bilanz: 49 Tote, Hunderte von Verletzten, Abertausende verloren ihr Hab und Gut, 180 Städte sind betroffen, nach ersten Schätzungen liegen die Sachschäden in NRW bei rund 13 Milliarden Euro. (Deutschlandweit kommen in den Fluten 180 Menschen um.) Und nicht einmal 48 Stunden später fliegt die Ministerin, offensichtlich nicht betroffen von der Katastrophe, zurück in ihre Ferienwohnung. Privat geht vor, kann man die Vorwürfe höhnisch zusammenfassen, die sich Heinen-Essen gefallen lassen muss.

Und es geht ja weiter, wie man das kennt von anderen Skandalen, bei denen Politikerinnen und Politiker erst alles abstreiten, dann scheibchenweise zugeben, was ohnehin bewiesen ist, dann schließlich mit dem größten Bedauern alles einräumen. Man sei nicht so, hört man dann des öfteren. Aber warum sie dann das gemacht haben, was anstößig ist? Heinen-Esser muß in einem Untersuchungsausschuß Ende Februar zugeben, sie sei nach der Flut und einer Krisen-Sitzung des Kabinetts am 16. Juli 2021 für vier Tage zurück zu ihrer Familie auf Mallorca. Nach weiteren Ermittlungen muss sie diese Angabe korrigieren: sie sei neun Tage auf der Insel geblieben, weil sie sich um ihre 15jährige Tochter und deren Freundinnen habe kümmern müssen. Vor ein paar Tagen meldet der Kölner Stadtanzeiger, dass die 56jährige Ministerin mit befreundeten Kabinettskollegen den 76jährige Geburtstag ihres Mannes auf Mallorca gefeiert habe. Also hat sie vorher nicht die Wahrheit gesagt. Erneut beteuert Heinen-Esser, sie habe während der Zeit voll umfänglich ihre Amtsgeschäfte wahrgenommen. Selbstverständlich, füge ich hinzu. Das habe ich schon des öfteren von in Bedrängnis gerateten Politikern vernommen, die nach Ausreden für dies und das suchten, dann die Hose leicht herunterzogen, dann noch ein Stück weiter, bis sie schließlich nackt dastanden. So hat das vor vielen Jahren der CSU-Abgeordnete Richard Stücklen bei einem Weizenbier geschildert, die Wortwahl war ein wenig drastischer, aber inhaltlich exakt so.

Die Grünen reagieren scharf, Heinen-Esser habe das Parlament belogen. In diesem Moment weiß jeder, dass da nur noch der Rücktritt folgen kann. Kutschaty, der endlich einen handfesten CDU-Skandal in Händen hält, spricht von instinkt- bis pietätlosem Verhalten. Der SPD-Obmann im U-Ausschuss, Stefan Kämmerling, weiß, was man auf der Sonneninsel gern isst und trinkt: „Scampi und Weißwein unter der Sonne, während Zehntausend Menschen im Dreck sitzen- das ist ein Scherbenhaufen.“ Und der Ministerpräsident Hendrik Wüst schweigt dazu vorerst. Er ist ja erst seit ein paar Monaten im Amt als Nachfolger des unglücklich gescheiterten CDU-Vorsitzenden und unterlegenen Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Wüst ist bemüht um Ernsthaftigkeit, Seriosität, er nutzt jede Möglichkeit, um ins Bild zu kommen, Eindruck zu schinden als Regierungschef. Das ist nicht immer ganz einfach, zumal angesichts seiner Vergangenheit. Wüst war mal zu Zeiten von NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers Generalsekretär der Christenunion im Lande und als solcher hatte er die Affäre Rent-a-Rüttgers zu verantworten und die heimliche Video-Beobachtung der damaligen SPD-Kandidatin für das Amt des Ministerpräsidenten, Hannelore Kraft. Rüttgers musste Wüst feuern, der machte Jahre später unter Laschet einen neuen Anlauf. Als er gewählt wurde zum neuen CDU-Landeschef, versprach er den Delegierten, er sei geläutert und erwachsen geworden.

Und jetzt das mit Heinen-Esser, die als Umweltministerin dafür politisch verantwortlich gewesen wäre, frühzeitig die NRW-Behörden über die drohende Flut zu informieren und Alarm zu schlagen. Und dass es nicht bei Heinen-Esser bleiben wird, sondern mindestens Fragen an Ina Scharrenbach gestellt werden, weil diese seit der Flut für den Wiederaufbau zuständig ist, darauf kann sie wetten. Die Opposition wird sie zu Recht in die Zange nehmen. Man schaue in die Berichterstattung der SZ. Dort ist zu lesen, dass die Heimatministerin im U-Ausschuß den Eindruck erweckt habe, sie sei nur drei Tage vor der Flut in Urlaub gewesen, was ihr Dienstkalender nicht bestätige. Mallorca habe sie gar nicht erwähnt. 

Der Fall zeigt erneut die große Entfernung der politischen Klasse von den Bürgerinnen und Bürgern, schreibt die Neue Westfälische in Bielefeld.  Schon die Tatsache, dass sich die Ministerin angesichts der Flut-Katastrophe mal eben für einen Tag aus Mallorca ins Ministerium düsen lässt, dass sie ihre Arbeitsfähigkeit von der Insel betont, all das beweist, wie abgehoben manche leben, über den Wolken. Die CDU, Herr Wüst und all die anderen Ministerinnen und Minister werden mit diesem Skandal konfrontiert werden. Sie dürfen sich nicht wundern, wenn die Menschen sich abwenden, ihnen nicht zuhören, wenn sie für ihre Inhalte werben, sondern nur noch nach Heinen-Esser oder Scharrenbach fragen.

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