Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat in seinem Amt einiges an Kritik einstecken müssen. Politiker müssen mit Kritik umgehen, sie können sie ignorieren, sie können darauf reagieren, wenn es nötig erscheint. Seit Monaten beschäftigt den Bundespräsidenten der Zustand der Bundesrepublik, die Sorge, dass die Demokratie im Lande von Verfassungsfeinden unter Feuer genommen wird. Die Feinde der Demokratie wollen diese zerstören, sie begegnen den Politikern und Amtsträgern mit Hass und Hetze Sie wollen, kämen sie an die Macht, eine Remigration durchsetzen, also Ausländer und Deutsche mit Migrationshintergrund in ihre frühere Heimat zurückschicken, notfalls mit Gewalt, das wäre dann Deportation. Sie wollen die Europäische Union verlassen, von der diese Republik und Millionen Menschen gut leben. Sie schätzen Putin und fordern ein sofortiges Ende der Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine, wissend, dass damit Kiew verloren wäre.
Der Bundespräsident hat den 9.November dazu genutzt, eine Rede zum Gedenken der Opfer der Reichspogromnacht am 9. November 1938 zu halten. Damals hatten die Nazis auf Geheiß ihres Propagandaministers Josef Goebbels rund 1400 Synagogen in Brandt setzen lassen, die Menschen schauten wie auch die Feuerwehren untätig zu, kaum jemand half den angegriffenen Juden, die verprügelt und verschleppt wurden in Konzentrationslager, rund 100 wurden am 9. und 10. November ermordet. Die Geschäfte der Juden wurden verwüstet, die Auslagen geplündert. Sie waren seit der Machtübergabe durch Reichspräsident Hindenburg an Adolf Hitler systematisch ihrer Bürger- und Menschenrechte beraubt worden.
Gefahren für die Demokratie
Dass diese Bundesrepublik wie nie zuvor in ihrer Geschichte bedroht wird durch Verfassungsfeinde, dürfte unbestritten sein. Dies hat das Staatsoberhaupt in seltener Klarheit betont. Ohne die AfD beim Namen zu nennen, war jedem Zuhörer klar, wen er damit meinte. Den Bedrohungen der Demokratie und den damit einhergehenden Gefahren müsse man „illusionslos ins Auge sehen“ und die Instrumente der wehrhaften Demokratie dabei nutzen. Wörtlich erklärte er: „Eine Partei, die den Weg in die aggressive Verfassungsfeindschaft beschreitet, muss immer mit der Möglichkeit des Verbots rechnen.“
Was soll daran falsch sein? Wieso hat der Bundespräsident die Kompetenzen, die ihm sein Amt gibt, überzogen? Dass Verfassungsfeinde verboten werden können, steht im Grundgesetz Immer wieder ist in den letzten Monaten darauf hingewiesen worden, zitiert wurde oft der Sozialdemokrat Carlo Schmid, einer der Väter des Grundgesetzes, er hatte mitgearbeitet an dieser Verfassung des Landes. Darauf hat der Präsident hingewiesen, nicht mehr und nicht weniger. Er hat die AfD nicht beim Namen genannt und insofern nicht deren Verbot gefordert. Was gibt es daran zu kritisieren. Dass die AfD dies tut und Steinmeier dies vorwirft, kann man vernachlässigen. Dass aber eine Zeitung wie die „Welt“ ins gleiche Horn bläst, ist erschreckend. Sie stellt sich damit auf die Seite der AfD, die ja heute schon in weiten Teilen als rechtsextremistisch bezeichnet wird. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst geht noch weiter. Er hat vor Jahr und Tag schon festgestellt: „Die AfD ist eine Nazi-Partei“.
Es geht um die Existenz des Staates
Der Bundespräsident hat keine parteipolitische Rede gehalten. Wenn es um die Existenz des Staates geht, darf er nicht neutral bleiben. Da muss er Partei ergreifen für diese Demokratie. Was denn sonst? Es ist ungeheuerlich, dass eine Autorin der „Welt“ das deutsche Staatsoberhaupt derartig attackiert und ihm im Grunde abspricht, in dieser Rede als Demokrat aufgetreten zu sein. Jeder weiß doch um den Stand des möglichen Verbotsverfahrens, das von der Regierung, dem Parlament oder dem Bundesrat beschlossen werden muss. Seit Monaten liegt ein entsprechendes Gutachten des Verfassungsschutzes über die AfD und deren Rechtsextremismus zur Prüfung beim Verwaltungsgericht. Wenn es von dort grünes Licht gibt, wollen die Parteien die nächsten Schritte beraten. Die SPD hat einen Parteitagsbeschluss gefasst und darin ein Verbot der AfD verlangt. Auch die Grünen und die Linke streben ein Verbot der AfD an. CDU und CSU halten sich noch bedeckt, der Kanzler ist eigentlich dagegen, auch CSU-Chef Markus Söder, zugleich Ministerpräsident des Freistaats Bayern, will auch kein Verbot. Aber es gibt einige Stimmen aus der Union, die für ein Verbot sind.
Die Entscheidung liegt beim Bundesverfassungsgericht, das angerufen werden muss. Zitieren wir noch einmal den Bundespräsidenten, der in seiner Rede angemahnt hatte, die „Regeln auf dem demokratischen Spielfeld“ zu akzeptieren. Das hat nichts mit Gleichschaltung zu tun,
wie das ausgerechnet der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke gesagt hat und es ist auch kein Verlangen nach „politischer Konformität“. Es geht um unsere parlamentarische Demokratie, der die AfD mit Hass und Verachtung begegnet. Man muss sich nur mal die Pöbeleien ihrer Abgeordneten im Bundestag anhören. Hier geht es nicht um abweichende Meinungen, hier geht es um die Substanz des Staates, einer demokratischen Gemeinschaft. Wir wollen kein autoritäres Regime, wie es Putin in Russland pflegt und wie es offensichtlich Trump in Amerika anstrebt. Ohne Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, freie Wahlen.
Dem Bundespräsidenten zu unterstellen, er wolle Menschen nach Gesinnung sortieren, der versteht ihn bewusst falsch. Und wenn die „Welt“-Autorin dann noch anhängt, dass dies undemokratisch sei, was Steinmeier einfordere, dann greift sie völlig daneben. Ihr passt nicht, dass Steinmeier den 9. November dazu nutzt, die Gefährdung der Brandmauer durch Rechtsextremisten zu benennen und nicht den Fall der Berliner Mauer. Was soll an den Worten falsch sein: „Mit Extremisten darf es keine politische Zusammenarbeit geben. Nicht in der Regierung, nicht in den Parlamenten. Wenn dadurch ein Teil des demokratisch gewählten Parlaments von der Gestaltung ausgeschlossen ist, so ist dieser Ausschluss doch selbst gewählt:“ Was soll daran falsch sein, auch Beamte und Lehrer müssten sich klar zu den Werten des Grundgesetzes bekennen?
Steinmeier, schreibt die Autorin der „Welt“, warnt vor den Feinden der Demokratie- zu Recht. Nur, dass er „an diesem Tag selbst nicht als Demokrat argumentiert.“ Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, aber nicht jede Kritik ist von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die „Süddeutsche Zeitung“ schließt ihren Kommentar mit dem Zitat aus der Welt: „Leider ist der Bundespräsident kein Demokrat“. Und fügt hinzu: „Das kann nur ein Blatt behaupten, bei dem schon seit Längerem zu viele Autorinnen und Entscheider sowohl Biedermann als auch Brandstifter sind.“
Sie sollten sich schämen. Auch Journalisten tragen eine Verantwortung.
Die wahren Motive lässt die „Welt-„Autorin am Ende erkennen: „Diese Rede wird der AfD weiteren Zulauf bringen und den Niedergang der SPD noch beschleunigen.“
Der Bundespräsident hat am 9. November eine gute Rede gehalten. Zum Glück.













