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Migrations-Debatte: Denkt an die Menschen

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
8. Januar 2025
Menschen auf der Straße

Es ist Wahlkampf und es geht wie immer um viel, darum, wer stärkste Partei im Deutschen Bundestag wird, wer dann den Bundeskanzler stellt. Eines der Themen, um die gestritten wird, ist die Migration. Leider, muss man sagen, hat sich die Debatte zu einer Art Überbietungswettbewerb entwickelt. Und das ist nicht gut. Davon profitiert einzig die rechtsextreme AfD mit ihrer Grundforderung nach Remigration, was auf gut Deutsch nichts anderes heißt, als die Ausländer und Deutschen mit Migrationshintergrund rauszuschmeißen. Die AfD scheint den Ton vorzugeben, der schrill ist und wehtut, und den anderen fällt offensichtlich nichts Besseres ein, als auf dieser Tonlage mitzugrölen. Allen voran mal wieder die CDU und die CSU. Dabei brauchen wir Zuwanderung, weil wir einen großen Mangel an Fachkräften haben und weil diese Gesellschaft nicht nur altert, sondern auch wegen der geringen Geburtenrate immer weniger wird. Wir brauchen Zuwanderung, auch für die Rente, in die Ausländer, die hier Fuß gefasst haben, arbeiten, Familien gründen, ein Haus bauen, einzahlen.

Dieser sachliche Teil der Geschichte gehört zwingend zu dieser Debatte dazu. Lassen wir uns doch nicht von den Fremdenfeinden und deren dummen Sprüchen den Blick verstellen für humane Lösungen, die zudem nötig sind in unserem eigenen Interesse.  Die Rechtsextremen wollen nur diese Gesellschaft spalten, sie sind wie Rattenfänger. Ja, es gibt Probleme mit Ausländern, die müssen wir anpacken. Es ist auch wahr, dass sich einzelne Geflüchtete strafbar machen. Dafür müssen sie belangt werden, wie andere auch. Getreu nach dem Gesetz. Migranten mit deutschem Pass müssen wie Deutsche behandelt werden. Herr Merz, bitte schauen Sie doch im Grundgesetz nach. Dort steht: „Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden“. So steht es in Artikel 16. Punkt. Ich verstehe nicht, dass der Kanzlerkandidat der Union und nach allen Umfragen hohe Favorit für das Amt des Bundeskanzlers im Wahlkampf per Interview sich zu der Forderung hinreißend lässt, Migranten, die über einen deutschen Pass verfügen, spätestens nach der zweiten Straftat auszuweisen und notfalls die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen. Der Stammtisch jubelt. Jawoll, zeigts den Ausländern. Herr Merz, das sind billige Parolen, die die Fremdenfeindlichkeit nur anheizen.

Das Original ist besser als die Kopie

Vor Tagen hatte sich der immer gern forsche Unions-Vize Jens Spahn an die Front gewagt, als er nach dem Sturz des syrischen Menschenschlächters Assad forderte, für syrische Geflüchtete in Deutschland eine Rückkehrprämie auszuloben. Gut gebrüllt, Herr Spahn, auch hier wird sich der Stammtisch auf die Schenkel schlagen. Ausländer raus! Herr Spahn, Ihre Haltung ist inhuman, nicht christlich. Das sollten Sie als Christdemokrat eigentlich wissen. Oder geht es nur noch um Stimmenfang? Wollen Sie der AfD Konkurrenz machen?  Die Wählerinnen und Wähler ziehen im Zweifel das Original der Kopie vor. Und noch eins Herr Merz und Herr Spahn und Herr Söder in Bayern: Durch ihre Forderungen machen sie das Programm der AfD salonfähig, gesellschaftsfähig. Fragen Sie mal nach, wie die Leute reagieren. sie werden hören, dass die Menschen sagen: Ja wenn der Merz und der Spahn und der Söder so reden, dann kann es ja nicht falsch sein. Die CSU will ein „Law-and-Order-Deutschland“. Ihr „Sicherheitsplan liest sich wie ein Zurückweisungs- und Abschiebeplan“(SZ). Motto: „Wer straffällig wird, fliegt.“

Ich lese gerade die Erinnerungen von Wolfgang Schäuble (der ehemal. Finanzminister und Präsident des Deutschen Bundestages ist vor einem Jahr verstorben). Darin schreibt der langjährige CDU-Politiker-er war über 50 Jahre Mitglied des Bundestages und galt innenpolitisch mal als harter Hund, aber auch laut Spiegel als liberalster Innenminister: „Ich war überzeugt, dass es neben der Bringschuld der Zuwanderer, die grundlegenden Regeln des Aufnahmerechts zu akzeptieren und sich vor allem die Sprache anzueignen, auch die Aufgabe der Mehrheitsgesellschaft gibt, denen, die hier leben, entgegenzukommen und ihnen zu helfen.“ Schäuble stand nie unter dem Verdacht ein verkappter Linker oder Grüner zu sein, aber er war ein Mensch, ein Christdemokrat, ein Politiker, der sah, was nötig und geboten war und immer noch ist. Er war kein Ideologe.

Viele Syrer arbeiten hier als Ärzte

Die Zahl der Geflüchteten nach Deutschland nimmt ab. Ja, so ist es. Und es ist wahr, dass die von Schäuble erwähnte Mehrheitsgesellschaft nicht immer ihrer Pflicht nachkommt, den Geflüchteten zu helfen, damit sie hier ankommen können, leben, sich integrieren können. Zugleich steigt die Zahl der Abschiebungen. Anders als Merz suggeriert war die gescheiterte Ampel-Regierung bei diesem Thema sehr aktiv. Sie hat „die härtesten Abschiebegesetze eingeführt, die es je gab.“(SZ) Und noch etwas wird falsch dargestellt, basiert eben auf Vorurteilen:  60 Prozent der hier lebenden Syrer gehen einer geordneten Arbeit nach, sie sind nicht in unsere sozialen Sicherungssysteme eingewandert, wie das von CSU-Seite polemisiert wird. Unter den Männern liegt der Anteil der arbeitenden Syrer sogar bei 70 Prozent. Tausende von syrischen Geflüchteten arbeiten hier als Ärzte auf dem Land. Würde man sie abschieben, bräche die gesundheitliche Versorgung Tausender deutscher Patienten zusammen. Das ist die Wahrheit.

Wir brauchen nach der Wahl am 23. Februar Lösungen, die von einer Koalition gefunden werden müssen. Dieser Koalition gehören nach menschlichem Ermessen die CDU, die CSU und die SPD oder, wenn es nicht anders geht, die Grünen und wohl kaum die FDP an. Bei diesen Lösungen müssen Kompromisse gefunden werden. Wie bitte sollen die aussehen, wenn CDU und CSU derart drastische Forderungen stellen, die zudem durch das Grundgesetz nicht gedeckt sind? Die Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer müssen den Ball flach halten. Durch eine Polemik wie oben geschildert werden wir keine Stimmung in diesem Land erzielen, die Ausländer als Willkommens-Kultur empfinden. Zuwanderung ist keine Bedrohung, wie das die AfD will, sondern ein Gewinn. Wir brauchen Ausländer. Gehen wir den Weidels nicht auf den Leim.

 

Bildquelle: Pixabay

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