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Home Politik

Sozialstaat bezahlbar?

Gerd Eisenbeiß Von Gerd Eisenbeiß
2. September 2025
Geöffnetes Sparschwein mit davor liegenden Geldmünzen

Da verkündet der Regierungschef, der Sozialstaat sei nicht mehr bezahlbar, und seine Arbeitsministerin widerspricht mit dem Hinweis, Deutschland sei ein reiches Land. Was für ein dummer Dialog!

Natürlich ist in Deutschland alles bezahlbar – man muss es nur bezahlen wollen oder den Menschen zumuten, es direkt zu bezahlen oder auf konkret Benanntes kompensatorisch zu verzichten. Und das ist nicht nur eine Frage an die Politik, sondern an die Gesellschaft selbst, denn die muss es ja bezahlen. Und die Politiker haben das Recht, die Zahlungswilligkeit der Bevölkerung an der Steuer- und Abgabenfront zu beurteilen; dass sie dabei ihre Zustimmungswerte und Wahlchancen berücksichtigen ist in einer Demokratie ebenfalls legitim.

Da kann man eben der Meinung sein, dass der Umfang der sozialpolitischen Leistungen mit seiner immanenten Dynamik aus demographischen und außenpolitischen Gründen die Zahlungswilligkeit der Gesellschaft übersteigt und hat damit vermutlich recht, weil fast jeder einen Verzicht auf ihm zufließende Leistungen empört zurückweist. Auch gibt es ja weitgehenden Konsens zu anderen großen Ausgabeblöcken, die konkurrieren – insbesondere die unstreitigen Aufwendungen für äußere und innere Sicherheit. Und behaupten nicht alle, dass es bei Umwelt- und Klimaschutz keine Abstriche geben und die Wirtschaft wieder wachsen soll, damit die Arbeitsplätze sicher bleiben? Stecken wir das erratische Zerstörungswerk Trumps an der Welthandelsordnung einfach so weg? Stehen wir nicht unverbrüchlich mit großen Finanzleistungen an der Seite der Ukraine? Ist das wirklich alles „bezahlbar“?

Man landet dann schnell bei der Kardinalfrage, ob das reiche Land gewillt ist, die notwendigen Mehraufwendungen auch mittels Erhöhung der Steuern und Abgaben zu bezahlen. Ich spreche ausdrücklich von bezahlen, nicht von finanzieren, denn was da an Verschuldung angemessen ist, das haben die Koalitionäre ja verantwortungsvoll in ihrem Koalitionsvertrag mit der Lockerung der prinzipiell richtigen Schuldenbremse geregelt.

Es geht also nicht um Bezahlbarkeit im Sinne einer absoluten Zumutbarkeitsgrenze bei Steuern und Abgaben, sondern um die Zahlungswilligkeit der Bürger, die ich wie der Bundeskanzler nicht für ausreichend halte. Besonders eindeutig scheint mir die Lage bei Renten-, Kranken- und Pflegeaufwendungen, deren demographische Entwicklung man doch kennt und trotzdem zu ignorieren versucht; jedes Schulkind würde verstehen, dass man die Renten- und Beitragshöhen nicht gleichzeitig prozentual fixieren kann, wenn sich das Verhältnis von Empfängern und Bezahlern verschiebt.

Ich bedaure diesen Zustand unserer Gesellschaft zu tiefst, denn ich bin eher der Meinung von Herrn van Aken, dass wir uns die zu niedrige Steuerprogression in der Einkommens- und der unanständig ungerechten Erbschaftssteuer nicht mehr leisten können. Und ich wünschte mir eine SPD, die ihr Politikangebot an dieser Stelle anschärfte, um bei den nächsten Wahlen zu erproben, ob die Menschen sie dann wieder mit 40% belohnen. Immerhin hat Helmut Schmidt sich nicht gescheut mit Steuererhöhungen in den Wahlkampf zu ziehen, Gerhard Schröder wagte die volkswirtschaftlich erfolgreiche Harz-Reform und Franz Münterferings patriotische Tat, das Rentenalter anzuheben, hat auch nicht geschadet. Allerdings hat die SPD sich zumeist am konsequentesten von ihren eigenen Reformen distanziert.

ABER: in dieser Koalition, in der es auf harmonischeres Miteinander mehr ankommt als je zuvor, muss anerkannt werden, dass die Einschätzung der Union kein „Bullshit“ ist, denn eine linke Mehrheit war noch nie so weit entfernt wie zur Zeit. Dagegen verlieren bei solchen öffentlichen gegenseitigen Provokationen der gerade noch mehrheitsfähigen Demokraten immer mehr Bürger den Ekel vor Klimaleugnern, Putinverstehern, Trump-Bewunderern und  Nazi-Toleranz. Bald dürfte eine relative Mehrheit der Deutschen nach dem Motto wählen „Lasst es die anderen doch auch mal probieren!“, weil sie nichts lernen wollen aus den Entwicklungen in Ungarn oder USA, was sich demnächst in Frankreich und England wiederholen dürfte.

 

Bildquelle: Pixabay

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