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Unser Sondervermögen ist das Bekenntnis zu globaler Partnerschaft  – Ein Gastbeitrag von Mike Groschek

Gastbeitrag Von Gastbeitrag
28. April 2024
Geld im Glas und auf einem Tisch, Symbolbild für Etat und Sparen

Kriegsfähig sollen wir werden in Deutschland. Die Bundeswehr militärisch und die Gesellschaft mental. Die Friedensrendite ist verfrühstückt, Wehrpflicht unvorstellbar im Gegensatz zu ausländischen Bundeswehr-Rekruten. Mühselige Arbeit haben wir in der Vergangenheit ja gerne und grenzenlos von Menschen ohne deutschen Pass verrichten lassen.

Die Zeitenwende, gemeint vor allem der epochale Rückfall Gebietsansprüche in Europa mit kriegerischer Gewalt durchzusetzen, beschert der Bundeswehr ein Sondervermögen und der politischen Diskussion eine überparteiliche Ansicht, wir sind die Guten, deren Freiheit am Dnepr verteidigt wird.

Aufrüstung tut deshalb Not, und die kostet. Der Kanzler verweist darauf, das unter Willy Brandt weit mehr als die 2 Prozent NATO Pflichtbeitrag für die Verteidigung aufgewandt wurde. So weit so gut oder auch nicht, aber geht nicht anders.

Auch Lars Klingbeil hat über Zeitenwende geredet. Über die überfällige in der Nord-Süd Politik. Auch er spricht über Willy Brandt. Nicht nur als Vorsitzender der Nord-Süd Kommission hat er bereits vor 40 Jahren Handlungsempfehlungen gegeben, wie die großen, sich zum Teil erst abzeichnenden, globalen Krisen gemeinsam von Nord und Süd gelöst werden können und müssen.

Willy Brandt sei bis heute Pate des guten Leumunds, den die SPD in den Ländern des globalen Südens genieße. Willy Brandt bleibt eben in vielen politischen Lebenslagen verlässlicher Bezugspunkt für die Selbstvergewisserung der SPD.  Eins ist sicher. Willy Brandt hätte nicht dafür plädiert, parallel zum Aufwuchs der Verteidigungsausgaben, Einsparungen im Entwicklungsetat zu verstetigen.

Es ist notwendig Mehrausgaben für Aufrüstung zu ermöglichen. Es ist aber auch notwendig Mehrausgaben für globale Entwicklungsarbeit zu ermöglichen. Nicht notwendig ist das Festhalten an der geltenden Schuldenbremse. Sie ist weder wirtschaftlich, noch finanzpolitisch geboten. Selbst die Vorsitzenden von CDU und FDP ,Merz und Lindner, verteidigen sie immer offener als Erziehungsinstrument des Bundestages gegen seine vermeintlich überbordenden Ausgabenwünsche. Die Schuldenbremse sei geboten, um die Politik, gemeint ist das Parlament, zur Prioritätensetzung zu zwingen. Die Schuldenbremse ist längst zur Investitionsbremse geworden. Mit ihr vererben wir kommenden Generationen vielleicht weniger Schulden, aber auch mehr Schuld gegenüber dem sozialen Süden. Von den Kosten für die Reparatur von Infrastruktur – in unseren Schulen, auf unseren Straßen, beim Wohnungsbau und der Digitalisierung, ganz abgesehen. Der Bundestag sitzt in der selbstgestellten Falle und alle Länderparlamente gleich mit. Aber das ist ein anderes Thema.

Wer an Willy Brandt anknüpft, um seine Politik zu grundieren, sollte dann vom Wort zur Tat schreiten.
Der Entwicklungsetat ist kein Spiegelbild dieses Anspruchs. Der Etat des BMZ betrug 2021 in Euro 13,38 Milliarden, in 2022 in Euro 13,82 Milliarden, im ersten Zeitenwende Haushalt 2023 nur noch 12,16 Milliarden (2,63 Prozent am Gesamthaushalt) und 2024 weiter gekürzt 11,22 Milliarden (2,35 Prozent am Gesamthaushalt). Für 2025 ist mit der Fortschreibung von Kürzungen zu rechnen.  Bei allem notwendigen Kraftaufwand für die Ukraine und zur Selbstverteidigung steht dies nicht im Einklang mit dem Ruf eine offensive Nord Süd Politik zu betreiben.

Der „Globale Süden“ ist heute eher eine Worthülse, die Staaten mit unterschiedlichen Interessen und unterschiedlichem Wohlstandsniveau vereint. Einig sind diese Staaten ideell in ihrem Misstrauen gegenüber dem Westen und seinen wertgebundenen Ansprüchen, die oft als Ausdruck von Doppelmoral empfunden werden. Brasilien, Indien, China, Südafrika, Malaysia und andere sind längst selbstbewusste politische Kraftzentren. Interessengeleitete und nach Einfluss strebende Politik ist ihnen selbstverständlich. Genauso selbstverständlich sollten wir unsere Interessen und unseren Wunsch nach Einflussnahme einbringen.

Um die Staaten des sogenannten globalen Südens zu Partnern zu machen, müssen wir ihre jeweiligen Interessen mitdenken. Gemeinsame Interessen, wie der Kampf um Klimaneutralität, gegen Hunger und für Bildung, gegen Krieg und für Wohlstandsentwicklung müssen als politische Chance wahrgenommen werden. Wir müssen, um unserer Glaubwürdigkeit Willen, neben Wissen und Können auch finanzielle Mittel bereitstellen. Wir im Westen haben unseren Wohlstand auch auf der Ausbeutung des sog. globalen Südens aufgebaut. Deutschland und Europa werden nicht nur Raubkunst zurückgeben müssen, sondern auch einen kleinen Teil der Kolonialisierungsrendite. Daran wird der globale Süden sich selbst und uns fortwährend erinnern.

Wenn beispielsweise Afrikas Grenzen, die mit europäischen Linealen gezogen wurden, friedliche bleiben oder werden sollen, dürfen sie kein Hindernis für die Entwicklung von Wohlstand sein. Wenn alle afrikanischen Staaten Wachstum und Wohlstand durch Frieden genießen können sollen, müssen wir uns dies etwas kosten lassen. In unserem ureigenstem Interesse und um der Verteidigung unserer Sicherheit. Unsere Sicherheit wird auch künftig nicht allein militärisch zu gewährleisten sein. Wir brauchen neue Freunde und Partner. Wir müssen uns Frieden und Wohlstand auf anderen Kontinenten mehr und nicht weniger kosten lassen.

In der multipolaren Welt von heute gibt es mehr als zwei Kraftzentren. Und darum braucht es auch mehr internationales Engagement um unsere Interessen wahrzunehmen. Sonst geraten wir wirtschaftlich und sicherheitspolitisch ins Abseits und international werden Interessen und Werte die Regeln bestimmen, die zu unserem Nachteil sind.

Wir brauchen mehr internationalen Einfluss, weil wir auch als „bloße globale Mittelmacht“ ( Kanzler Scholz) Führungsmacht in Europa sind. Das Sondervermögen ist das richtige militärpolitische Signal.

Wir brauchen zugleich als Zukunftsvorsorge Einfluss in den  nicht-militärischen internationalen Organisationen.

Glaubwürdig und konsequent müssen wir unseren eigenen Ansprüchen gerecht werden und da liegen Stolperdrähte.

Statt den klimafreundlichen Strukturwandel  der Energieversorgung im globalen Süden sozialverträglich gestalten zu helfen, laufen wir Gefahr über Gasausbeutung und Wasserstoff Ausfuhr als Wohlstandsegoisten entlarvt zu werden.

Statt über eine kontinuierliche Reduzierung des Hungers, sprich Verhungerns, in der Welt alle Menschen von ihm zu befreien, erleben wir einen deutlichen Anstieg. Das unabhängig von der Entwicklung in Gaza.

Wir wissen uns vereint mit den Vielen, die nach sozialer und demokratischer Partizipation im globalen Süden streben. Das stellt Lars Klingbeil fest. Wir tun manches durch das Initiieren von mehr Teilhabe an den entscheidenden globalen Formaten, wie G20, oder mehr Gleichberechtigung bei Investment-Instrumenten, wie der Weltbank. Das ist gut und richtig.
Die Begleitung und Förderung dieser Entwicklung ist auch in unserem nationalen und europäischen Interesse. Wer sich im Stich gelassen fühlt, sucht sich neue, im Zweifel falsche Freunde. Freundschaft kostet. Nicht nur gute Worte, sondern auch gutes Geld.

Zum Autor: Mike Groschek ist Präsident des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. (DV). Von 2012 bis 2017 war er Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen und von 2017 bis 2018 Vorsitzender der SPD Nordrhein-Westfalen.

 

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