Für Paul.
Selbstverständlich lassen die Bilder von hungernden, geschundenen und verzweifelten Menschen in Gaza jedem halbwegs mitfühlenden Menschen das Blut in den Adern gefrieren und selbstverständlich erzeugen besonders die Bilder von abgemagerten, hilflosen und sterbenden Kindern zusätzlich Trauer und Wut, die sich Bahn brechen muss, weil ansonsten moralische Erstickungsgefahr droht. Und ebenso selbstverständlich sind auch die Hinweise, die Bitten und die Forderungen an die israelische Regierung notwendig und hilfreich, bei ihrem andauernden Kampf gegen die terroristische Hamas das Leid der Zivilbevölkerung in Gaza nicht zu übersehen. Auch die Verurteilung und Zurückweisung der Großmachtfantasien der extrem rechten Politiker in der Netanjahu-Regierung sind nötig und dringend geboten. Aber den existenzsichernden Abwehrkampf der Israelis gegen die Hamas als ursächlich verantwortlich für das Leid der Menschen in Gaza zu machen, ist falsch und stellt die tatsächlichen Ursachen auf den Kopf.
Auch wenn es bei den propagandistischen Bildern aus Gaza schwerfällt, darf nicht ignoriert werden, dass die Hamas seit vielen Jahren die Bevölkerung in Gaza terrorisiert, ausbeutet und als Schutzschild missbraucht. Und mit dem brutalen Überfall auf die jüdischen Menschen im Grenzgebiet am 7. Oktober 2023, dem Gemetzel unter fröhlich tanzenden und friedlich feiernden jüdischen jungen Frauen und Männern, der Vergewaltigung und Erniedrigung jüdischer Frauen, der Ermordung von mehr als 1200 friedlichen Menschen mit vielen Kindern unter ihnen und der bis heute andauernden Geiselnahme von Frauen, Männern und Kindern hat die Hamas eine Mordserie begonnen, die es in diesem Ausmaß seit dem von Deutschen begonnenen und organisierten Holocaust nicht wieder gegeben hat. Selbst in den israelfeindlichen arabischen Ländern haben diese schlimmen Taten Entsetzen ausgelöst und diese Staaten haben sich nicht gescheut, die Verantwortung für die folgende Vergeltung durch Israel und das daraus entstehende Leid der Bevölkerung in Gaza einzig und allein bei der Hamas und ihrer Führung zu verorten.
Genauso ist es auch gekommen. Bis heute ist die Hamas in Gaza aktiv. Sie unterdrückt die Zivilbevölkerung, lässt keinen Protest zu und ermordet Protestierende, sie torpediert Hilfslieferungen und beschlagnahmt sie, um sich selbst zu versorgen, die Verteilung der Hilfsgüter selbst vornehmen zu können, sie ermordet Geiseln und hält immer noch einige als menschliche Schutzschilde fest, sie verweigert Verhandlungen. Wenn der Hamas am Schicksal der Menschen in Gaza gelegen wäre, würde sie sich zurückziehen, die Waffen niederlegen und Israel könnte die Kampfhandlungen einstellen. Aber das will die Hamas nicht. Sie setzt auf die Macht und Wirkung der Bilder aus Gaza und leider verfängt diese subtile Methode in großen Teilen der Weltöffentlichkeit, auch in Deutschland.
Seit es den Staat Israel gibt, ist seine Existenz bedroht. Seitdem leben die Menschen in Israel in Zeiten ständiger Bedrohung. Auch heute, 77 Jahre nach der Staatsgründung müssen junge Israelis, Frauen und Männer, ganz selbstverständlich Wehrdienst ableisten und ihr Land verteidigen – mal mehr, mal weniger intensiv. Viele von ihnen sind dabei gestorben. Wer die Gelegenheit hatte, mit jungen Israelis in Uniform zu sprechen, trifft auf klare Vorstellung von Verantwortung für den Dienst an ihrem Land und für den Dienst an den Menschen in Israel, auf eine gesicherte Haltung. Und sie wissen die demokratischen Verhältnisse in ihrem Land trotz mancher Unzulänglichkeit wertzuschätzen, vor allem in der Nachbarschaft autoritär bis diktatorisch geführter Staaten. Dass sie mit ihrem militärischen Einsatz im Kampf gegen die terroristische Hamas verantwortlich für das Leid der Menschen in Gaza gemacht werden, trifft sie besonders. Und dass jetzt solche Töne auch aus Deutschland zu hören sind, damit hatten sie nach den vielen Jahren fester Partnerschaft und gewachsener Freundschaft zwischen Israel und Deutschland nicht gerechnet. Auch deshalb ist die Verweigerung von Waffenlieferungen an Israel durch Bundeskanzler Merz mehr als nur ein symbolischer Akt. Seine Wirkung besonders auf die jungen Israelis wird erst nach und nach erkennbar werden. Sie hatten sich auf unsere unverbrüchliche Freundschaft verlassen. Ich habe im Januar 2017 beim Besuch der Parlamentariergruppe NRW – Israel des nordrhein-westfälischen Landtags nach einer Kranzniederlegung in der Gedenkstätte von Yad Vashem in das Gästebuch geschrieben: „Scham und Trauer erfüllen unsere Herzen, Vergebung und Frieden sind unsere Hoffnung. In tiefer Scham und Trauer.“ Heute muss ich zugeben, dass ich wegen antisemitischer und israelfeindlicher Vorgänge in Deutschland erneut Scham und Trauer empfinde.
Jetzt kommt es also darauf an, dass die deutsche Politik sich wieder auf die Existenzsicherung Israels konzentriert. Dazu kann und muss selbstverständlich ein Bemühen um die Beendigung des Leidens der Menschen in Gaza erfolgen, es kann hilfreich sein. Wenn es wirksam werden soll, muss es aber eingebettet sein in eine diplomatische Großinitiative zur Beendigung der Hamas-Aktivitäten, zur Niederlegung ihrer Waffen, zur Befreiung der Geiseln, zu ihrem Rückzug aus Gaza. Dafür auch die arabischen Staaten zu gewinnen versuchen, auch mit viel diplomatischem Druck, mit viel öffentlicher Unterstützung, das wäre eine politische Leistung, die unserer deutschen Verantwortung für das Existenzrecht Israels gerecht, die unserer vielbeschworenen Staatsräson entsprechen würde. Wir dürfen die arabischen Staaten jedenfalls nicht aus ihrer Verantwortung für ein friedliches Zusammenleben im Nahen Osten entlassen. Ihnen muss an der Existenz Israels genauso gelegen sein wie an einer Staatenlösung für die palästinensischen Menschen. Wer also eine sogenannte Zweistaatenlösung, wer einen palästinensischen Staat neben einem gesicherten Israel will, der braucht die Unterstützung und die Zustimmung der arabischen Staaten. In einem solchen politischen Bemühen Deutschland ganz vornean zu wissen, das wäre viel und das stände uns gut zu Gesicht.
Mir sind aus meinen Israel-Reisen viele gute Beispiele für ein friedliches Zusammenleben in guter Erinnerung, vor allem für ein friedliches Zusammenleben und Zusammenlernen von Kindern jüdischer und arabischer Herkunft. Und ich habe auch viel guten Willen bei vielen Menschen in Israel kennengelernt und schätzen gelernt. Aber Raketen und Bomben auf israelische Siedlungen auf israelische Städte sind dafür nicht förderlich. Hamas, auch Hisbollah leben vom Konflikt, leben vom Krieg, leben vom Kampf gegen Israel. Darauf baut ihre Existenz, an friedlichem Zusammenleben ist ihnen nicht gelegen. Israel dagegen will in Frieden leben. Das ist der große Unterschied, den auch die Bilder aus Gaza nicht verwischen können.














Lieber Norbert,
jeden Satz Deines Kommentars unterschreibe ich. Er sortiert die Historie des Konflikts,ordnet seinen Verlauf ein und bringt die Verantwortlichkeiten auf den Punkt. Ja, Hamas ist am Zug! Wenn Hamas will,“herrscht“ sofort Frieden! Sie hat es in der Hand! Das beschreibst Du : klug und klar!
Herzlichen Dank
Richard Fischels