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Home Politik

Wir haben aufgerüstet- auch sprachlich

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
25. März 2025
Scrabble-Würfel bilden das Wort "Peace"

Eine halbe Billion Euro fürs Militärische, vielleicht sogar mehr. Der Jubel ist groß.  Als hätten einige Medien nur darauf gewartet, dass Deutschland mal wieder aufrüstet, Panzer und Drohnen kauft, sündteures Fluggerät, Raketen, dass wir davon sprechen, unter dem französischen Atomschirm Schutz zu suchen oder dem britischen, weil Trump uns den  amerikanischen zu entziehen droht. Wir reden davon, als handele es sich um einen Sonnen- oder Regenschirm. Ja, die Bellizisten sind am Werk, sie nutzen die Situation aus, um sprachlich aufzurüsten.  Wie haben sie den noch amtierenden Kanzler Olaf Scholz kritisiert, weil der bei Waffen-Forderungen aus der Ukraine, aus der Union und den Grünen zögerte und zauderte, ehe er seine Zustimmung gab, weil er immer mal wieder ausloten wollte, ob der Kriegsherr Putin vielleicht doch ans Einlenken dachte. Der Blog-der-Republik hat das Handeln von Scholz als besonnen gewürdigt, weil der deutsche Regierungschef auch immer die Sorge mit sich trug, dieser Krieg dürfe nicht ausgeweitet werden auf das übrige Europa, auf Deutschland. Keine deutschen Soldaten in die Ukraine, das garantierte der SPD-Kanzler. Er sagte Nein zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern und wurde auch von den Grünen kritisiert, darunter der Außenministerin Annalena Baerbock, ausgerechnet die Grünen, zu deren Gründungskernen einst das Antikriegerische zählte, um den Begriff des Pazifismus zu vermeiden.

Ich kann mich an Debatten auf einem SPD-Parteitag in Münster erinnern, bei denen es ziemlich hoch herging. Das Thema waren mögliche UNO-Blauhelm-Einsätze, man wollte bewusst das Wort militärisch vermeiden. Deshalb sprach man von robusten Einsätzen, um den Eindruck zu vermitteln, als ginge es nur um Frieden. Ja, eine Waffe wollte der eine oder andere schon mal bei sich tragen, um sich zu verteidigen, falls er angegriffen wurde. Und bei diesen Debatten wurde dann auch über die UNO geredet, über die deutsche Mitgliedschaft, die sollte dann auch am besten unmilitärisch sein. Scherze wurden von Journalisten gemacht: Kerzen statt Panzer. Die sogenannten Enkel des SPD-Urgesteins Willy Brandt echauffierten sich hier besonders. Willy Brandt wurde befragt, schließlich war er Kanzler, als die Bundesrepublik Mitglied der UN wurde. Und Brandt betonte, er könne sich nicht erinnern, dass die bundesdeutsche Mitgliedschaft irgendwie eingeschränkt worden sei. Also zum Beispiel darauf, sich nur an Einsätzen der Vereinten Nationen zu beteiligen im Sinne der UN-Blauhelme. Diese Äußerung Brandts wurde ziemlich kritisiert, ich weiß, dass der eine oder andere Jung-Genosse den einstigen Friedenshobelpreisträger daraufhin als „Bellizisten“ bezeichnete. Ausgerechnet Willy Brandt.

Eine gewisse Kriegsrhetorik heute findet sich in vielen meinungsbildenden Blättern des Landes, darunter in der SZ, der Bild sowieso, der Welt, und auch in der konservativen FAZ. Die Bellizisten geben den Ton vor, den ein guter Freund als „entfesselte Kriegsrhetorik“ empfindet, lauter und schriller denn je. Er beklagt Schlagzeilen in seiner Zeitung-gemeint die FAZ-  wie „Deutschland macht mobil“ . Oder: „Wer glücklich ist, zieht lieber in den Krieg.“ Oder das historisch Vielsagende: „Noch vier Jahre bis zum großen Krieg.“ Letzteres wirkt für Geschichtskenner vertraut: Hatte Adolf Hitler doch in einem berüchtigten Dokument des Jahres 1936 genau eben diese Formulierung gewählt. Und der Freund, den diese Schlagzeilen stören, ja erschrecken, fragt sich selbst, ob denn seine eigentlich mit hochgebildeten Redakteuren ausgestattete „Frankfurter Allgemeinte Zeitung“(Eigenwerbung: Hinter der immer ein kluger Kopf steht) das nicht mehr wisse. „Spielt man bewusst mit diesen Dingen?“  Was ich nicht glaube, eher unterstelle ich, dass sie gar nicht an Hitler gedacht haben.

Aufrüstung und Ausrüstung

Ja, es wird viel, viel zu viel von Aufrüstung geredet, dabei ist es eher eine Ausrüstung, eine Grundausstattung der Bundeswehr mit militärischem Gerät, das in der Vergangenheit nicht mehr funktionierte. Dafür war die Bundeswehr bekannt, wer will berühmt und berüchtigt, weil die Gewehre nicht gerade aus schossen, die Flugzeuge nicht abhoben und die Panzer nicht rollten, weil das Material kaputt war, irgendwie verrottet, jedenfalls nicht gepflegt und gewartet. Deshalb erwarb sich die Bundeswehr auch den schönen Beinahmen, sie sei eine richtige Friedensarmee, weil sie für einen richtigen Krieg gar nicht gewappnet sei.

Nun ist es sicher richtig, den Zustand der Bundeswehr zu kritisieren und die damalige Kanzlerin Angela Merkel sowie die Ministerinnen und Minister im Wehrressort, allesamt von der CDU und der CSU, die es zuließen, dass Heer, Marine und Luftwaffe so runtergewirtschaftet wurden, dass heute von einem General -wie geschehen- behauptet werden kann, „wir stehen blank da“. Gemeint, wir haben so gut wie keine Waffen und Personal, also Soldaten, um uns zu verteidigen. Friedensfreunde mögen das bejubeln, das tue ich nicht. Wofür haben wir schließlich eine Bundeswehr? Dass sie uns verteidigt gegen Feinde von außen. Als Angriffs-Wehr hat man sie nie bezeichnet, lediglich zur Abschreckung des damaligen und heute wieder Feindes Russland. Der Russe stand vor der Tür schon zu Zeiten von Konrad Adenauer. Willy Brandt suchte dann die Aussöhnung mit dem Osten, mit der UdSSR, die im 2.Weltkrieg von Nazi-Deutschland überfallen worden war mit dem Ziel der Vernichtung. Deutschland war geteilt und der Westen sah sich von den Russen bedroht in der DDR mit Ostberlin, der Hauptstadt des anderen Deutschlands. Der Russe stand also wirklich vor der Tür bis zum Fall der Mauer und der Einheit des Landes.

Der Nato-Doppelbeschluss war Ende der 70er Jahre als Maßnahme gegen die Stationierung von SS-20-Raketen gedacht, die im Ernstfall Richtung Westen abgeschossen werden sollten. Dieser Nato-Doppelbeschluss, eine Idee des damaligen SPD-Kanzlers Helmut Schmidt, hätte Gegen-Raketen des Westens gegen den Osten bedeutet. Politisch heftig umstritten, die SPD-Linke kämpfte dagegen und machte dem Kanzler Schmidt das Leben schwer, bis dieser von Helmut Kohl mit der FDP von Genscher/Lambsdorff am 1. Oktober 1982 abgelöst wurde. Schmidt behielt Recht, die Geschichte gab ihm Jahre später Recht.

Kriegstüchtigkeit 

Jetzt redet der amtierende Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius(SPD) bewusst von Kriegstüchtigkeit. Ein Begriff, den andere kritisieren, weil die Bundeswehr eine Verteidigungsarmee ist. Pistorius ließ sich nicht beirren, er blieb bei Kriegstüchtigkeit, wozu Aufrüstung passt. Wobei ich gar nicht bestreite, dass diese Bundeswehr aus- und ja aufgerüstet werden muss, weil sie ‚blank“ da steht, uns nicht verteidigen kann im Ernstfall. Und dieser Ernstfall ist ja keine Erfindung des Westens, sondern diese Politik resultiert daraus, dass Putin Russland wieder zu einer alten Weltmacht machen will, dass ihn stört, dass  die UdSSR auseinanderbrach und die baltischen Staaten längst Teil des Westens sind, der Nato, wie Polen auch, das einst zum Warschauer Pakt gehörte wie der Rest von Osteuropa. Putin überfiel die Ukraine, weil er nicht zulassen will, dass dieser ehemalige Bruderstaat Russlands Teil des Westens wird wie das Baltikum, dass es Mitglied der Nato wird. Es ist dieses imperiale Gehabe des Kreml-Herrschers, was vielen Angst macht, weil sie fürchten, Putin werde sich nicht mit der Ukraine zufrieden geben, sondern im Anschluss Polen angreifen, vielleicht sogar Deutschland. Und weil Trump sich mit Putin verständigen könnte, die USA als Schutzmacht Europas und Deutschlands ausfiele, wäre die Nato praktisch ein Papiertiger. Putin träfe auf keine Gegenwehr.

Europa muss also aufrüsten. Heißt es. Braucht eine gemeinsame Armee, die sich und uns verteidigt gegen potentielle Feinde wie Russland. Europa müsse seine Kräfte bündeln, brauche gemeinsam entwickelte Waffen, Flugzeuge, Raketen, Panzer, Drohnen, besagten Atomschirm als Schutz gegen nukleare Angriffe aus Moskau. Kein Angriffskrieg, lediglich als Reaktion auf die Bedrohung durch Putin. Aber, argumentiert mein Freund, ist nicht immer von Bedrohung gesprochen worden, beginnt Krieg nicht immer in den Köpfen? Auf jeden Fall ist der Ton zu laut, zu schrill, fehlen mir die Zwischenrufe nach Abrüstung. Krieg soll doch verhindert werden. Deshalb die vielen Hundert Milliarden fürs Militärische, damit der potentielle Feind abgeschreckt wird.

Das kannten wir aus Geschichte nicht, dass Deutschland aufgefordert wird, militärisch aufzurüsten. Dass der übrige Westen erleichtert reagiert, weil Union und SPD, die höchstwahrscheinlich nächste Regierung unter einem Kanzler Friedrich Merz, sich darauf verständigt haben, so viele Schulden aufzunehmen, damit Deutschland wieder eine Macht wird? Nicht nur wirtschaftlich, auch militärisch. Germany is back. Auch militärisch. Früher hätten sich die Franzosen davor gefürchtet, die Polen, all die anderen Nachbarn, mit denen wir heute seit Adenauers Zeiten gute Freunde sind.  Das war ja Adenauers Ziel, Deutschland nach dem verlorenen Krieg und dem Ende des Nazi-Terrors einzubinden in eine europäische Union, damit es keine Gefahr mehr ist für die anderen.  Heute machen US-Satiriker wie Stephen Colbert Scherze über die Wiederaufrüstung.  Im SZ-Leitartikel las ich Colberts Satz: „Wollen wir die Deutschen wirklich wieder bewaffnen? Man weiß doch, wie sie dann sein können…“Wie gesagt, es ist Spott, aber ich nehme das Ernst, was daraus werden könnte, wenn wir nicht aufpassen, wenn wir den Ruck nach Rechtsaußen nicht stoppen können, wenn zunehmend Autokraten in der Welt regieren, wie Putin, Erdogan, Trump, der ja gerade erst begonnen hat mit dem Umbau der Vereinigten Staaten.

Demokratie und Sicherheit

Ohne Sicherheit kann die Demokratie nicht überleben. Lese ich. Ob das so apodiktisch stimmt? Sind nicht eher die Bürgerinnen und Bürger verantwortlich dafür, die Demokratie zu schützen, ihre Zivilcourage, sich gegen die Feinde der Republik zur Wehr zu setzen? Wo bleibt der Beschluss des Bundestages, in Karlsruhe ein Verbot der AfD zu beantragen. Artikel 21 des Grundgesetzes verlangt dies gegen Verfassungsfeinde. Ein Zeuge wäre der berühmte Carlo Schmid. Wehrhafte Demokratie.

Jürgen Habermas, 1929 in Düsseldorf geborener Philosoph, promoviert in Bonn, in Frankfurt Assistent von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, betont in einem Beitrag für die „Süddeutsche Zeitung“: „Nur mit kollektiver Handlungsfähigkeit auch im Hinblick auf den Einsatz militärischer Gewalt gewinnt sie(die EU) geopolitische Selbständigkeit. Das stellt die deutsche Regierung vor eine ganz neue Aufgabe: Dann muss sie eine politische Schwelle der europäischen Integration nehmen, auf deren Vermeidung gerade die deutsche Bundesregierung unter Schäuble und Merkel beharrlich bestanden hatte, von der Ignoranz und Untätigkeit der Ampel-Regierung in Sachen Europa ganz zu schweigen. “ Habermas beklagt die mit dieser Aufrüstungswelle einhergehenden Töne des Nationalismus und die Forderung nach einer Wiederbelebung der Wehrpflicht. „Mich erschreckt“, schreibt er, „von welchen Seiten die deutsche Regierung, die sich nun zu einer beispiellosen Aufrüstung des Landes anschickt, gedankenlos oder gar ausdrücklich mit dem Ziel der Wiederbelebung einer zur Recht überwunden geglaubten militärischen Mentalität unterstützt wird“.

Für Europa, so der Titel des Habermas Textes, für eine Stärkung einer gemeinsamen militärischen Abschreckungsmacht Europäische Union, unter dem Vorbehalt eines entsprechend weiteren Schrittes in der europäischen Integration.  Als Begründung des Vorbehalts schreibt Habermas: „Was würde aus einem Europa werden, in dessen Mitte sich der bevölkerungsstärkste und wirtschaftlich führende Staat auch noch zu einer alle Nachbarn weit überragenden Militärmacht mausern würde, ohne verfassungsrechtlich zwingend in eine gemeinsame, an Mehrheitsentscheidungen gebundene europäische Verteidigungs- und Außenpolitik gebunden zu sein?“

Bildquelle: Pixabay

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