Ja, es wäre wünschenswert, wenn der Unions-Fraktionschef Jens Spahn vor den Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestages müsste. Das wäre sachlich geboten, die Mitglieder des Ausschusses könnten Zeugen unter Eid befragen. Das wäre dann schon eine andere Nummer, einen Meineid riskiert man nicht so leicht, es hätte schlimme Folgen. Aber was sachlich geboten wäre, um ein Mehr an Aufklärung zu erreichen, entspricht nicht der politischen Realität. Denn die Realität ist, dass Union und SPD in einer gemeinsamen Regierung sind, was die SPD daran hindern wird, der Opposition aus Grünen und Linken mit SPD-Stimmen zur nötigen Mehrheit für die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu verhelfen. Der SPD sind die Hände gebunden.
Glaubst Du denn etwa dem Jens Spahn, fragte mich ein alter Freund, als wir gestern über den Fall diskutierten? Nein, keine Silbe. Ich nehme ihm nicht ab, dass er nichts gewusst hat, dass er nicht aktiv an den Milliarden-Geschäften mit Masken mitgewirkt hat. Aber es ist nicht zu beweisen. Also hat er sich fahrlässig verhalten, gegen den Rat seiner Fach-Beamten entschieden? Möglich, aber das weiß ich nicht. Immerhin geht es um Milliarden Euro, um Steuergeld, das verschwendet wurde, wandte er ein. Und erinnert an den früheren Verkehrsminister Scheuer(CSU). Millionen Verluste durch die Maut-Pleite. Alles richtig, aber Scheuer kam davon, ist aber nicht mehr im Bundestag. Aber Spahn hat doch mit am Rad gedreht, oder? Möglich, aber nicht bewiesen.
Der Vorwurf lautet Missmanagement des einstigen Gesundheitsministers Spahn von der CDU. Aber wie will man das beweisen? Dafür wäre doch ein Untersuchungsausschuss das richtige Gremium. Da könnte man all die Geschäfte durchleuchten, dem Minister und seinen Beamten und anderen Mitarbeitern kräftig auf den Zahn fühlen. Ja, aber, kann ich da nur antworten oder den Spruch des früheren SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück zitieren: Hätte, hätte, Fahrradkette.
Bist Du denn ein Fan von Jens Spahn, fragte ein anderer Zeitgenosse. Erstens bin ich das nicht, und darauf kommt es nicht an. Die SPD kann nicht einfach mit der Opposition stimmen und damit gegen den Fraktionschef der Union. Das muss zwar nicht gleich der Anfang vom Ende der gerade erst gestarteten schwarz-roten Koalition bedeuten, es würde aber die Stimmung in diesem Bündnis erheblich verschlechtern. Spahn ist ein wichtiger Politiker, ein Mann, der mit dem Votum von Merz an die Spitze der Union gewählt wurde, auch mit dem Segen des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder(CSU). Aber könnte der Spahn denn nicht einfach zurücktreten? Das halte ich für ziemlich unwahrscheinlich. Wer das annimmt, verkennt den Ehrgeiz des NRW-CDU-Politikers. Schon vergessen, dass der während der glücklosen Zeit des Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet mal bei Volker Bouffier in Hessen sondierte, ob er, Spahn, nicht an Laschet vorbeiziehen könnte. So ähnlich wurde ein Gespräch von Spahn mit dem früheren hessischen Ministerpräsidenten und einflussreichen CDU-Politiker mal diskutiert. Auch wenn Spahn damals diesen Plan, wenn er ihn denn wirklich hatte, aufgab, der Mann will mehr, der will ganz nach oben. Und wer weiß schon, wie lange ein Friedrich Merz, der in diesem Jahr 70 wird, regieren wird? Jens Spahn traut sich vieles zu, auch den Griff nach der Macht in der Republik.
Wie der vor kurzem im Alleingang das Thema Atom und Deutschland in die Öffentlichkeit zerrte, das Problem das atomaren Abschreckung, das eigentlich nicht in deutscher Hand liegt, sondern in amerikanischer, dabei die französischen und britischen Interessen nebenbei streifte, ein heikles Thema. Spahn schreckte davor nicht zurück, er gab auch nicht klein bei. Das ist nicht seine Sache. Jens Spahn hat einen nicht zu unterschätzenden Machtanspruch. Und er gehört dem starken Landesverband NRW an, kennt den Ministerpräidenten Hendrick Wüst gut.
Das heißt aber nicht, dass er in der Causa Masken unschuldig wäre. Er weiß genau, die SPD kann ihm nicht gefährlich werden, weil dies die Koalition seines Chefs Merz gefährden würde. Auch ein Lars Klingbeil würde davor warnen, beide brauchen den Erfolg. Da steht viel, wenn nicht alles auf dem Spiel, nämlich der Weiterbestand dieser demokratischen Republik. Die AfD wartet nur darauf, dass einer wie Jens Spahn angeschossen würde in einem U-Ausschuss, das könnte die ganze Regierung Merz/Klingbeil schwächen.
Ok, meinte ein anderer Zeitgenosse. Spahn wird also politisch überleben. Und was ist mit dem Verdacht der Begünstigung von Parteifreunden bei der Maskenbeschaffung? Die Tochter des einstigen Strauß-Vertrauten Gerold Tandler, Andrea Tandler, ist schließlich wegen Steuerhinterziehung zu einer Gefängnisstrafe von vier Jahren und fünf Monaten verurteilt worden. Tandler nutzte ihre Kontakte in die Politik für die Vermittlung von Corona-Schutzmasken an den Bund und mehrere Bundesländer und machte damit Millionengeschäfte, so verhalf ihr die Tochter der einstigen CSU-Legende Franz-Josef Strauß, Monika Hohlmeier, um in Verbindung mit dem Gesundheitsministerium zu kommen. (Da fallen einem die einstigen Amigo-Geschäfte im Zusammenhang mit Strauß ein, mit Tandler, ehemaliger Finanzminister und CSU-Generalsekretär. Der Bäderkönig Zwick gehörte dazu. Jahrzehnte ist das her. Der CSU mit ihrer absoluten Mehrheit damals war nichts anzulasten.)
Spahn war an den Tandler-Geschäften angeblich nicht beteiligt, hat davon nichts gewusst, hat seine Beamten nicht entsprechend angewiesen, dass nur die Schweizer Firma von der Tandler-Tochter den Zuschlag bekommen soll. Heißt es. Jedenfalls hat der ehemalige Gesundheitsminister alles bestritten.
Richtig ist, ein U-Ausschuss könnte da für mehr Klarheit sorgen, Spahn müsste über sein operatives Handeln Auskünfte geben über Vorgänge, die nach Akten und Zeugen verlangen. Müsste, eigentlich, hätte, Fahrradkette. Ein U-Ausschuss blickt zurück, sucht Schuldige. Eine Enquete-Kommission ist aller Ehren wert, aber sie kann nicht wie ein U-Ausschuss arbeiten. In einer solchen Kommission, wie das die Union verlangt hat und jetzt auch kommt, sitzen neben Abgeordneten Wissenschaftler, Vertreter von Verbänden und der Zivilgesellschaft. Eine Enquete-Kommission „führt das Wissen und die Lebensgefühle unterschiedlicher Gruppen zusammen(SZ). Ihr geht es nicht um die Klärung der Schuldfrage, sondern um Lehren für die Zukunft. Diese sind auch wichtig, um die Pandemie aufzuarbeiten, all die damit zusammenhängenden strittigen Fragen, die das „Zusammenspiel politischer und gesellschaftlicher Kräfte“ betreffen.
Enquete-Kommission klingt gut, wird aber den Fall Spahn nicht klären, das Dunkle nicht ans Licht bringen. Jens Spahn ist damit wohl fein raus. Für einen U-Ausschuss müsste ein Vierteil der Bundestagsabgeordneten stimmen, Linke und Grüne werden nicht die Stimmen der rechtsextremen AfD in Anspruch nehmen. Aber ohne SPD wird es nicht reichen. Die Union wird erleichtert sein, dass ihr Fraktionschef billig davon kommt. Ein U-Ausschuss hätte Spahn über Monate unter Feuer nehmen können, hätte viel Zeit und Kraft gekostet, hätte immer wieder für negative Schlagzeilen gesorgt, Das alles passiert nun nicht, Die Koalitionsdisziplin verlangt von der SPD, der man nicht unbedingt viel Sympathie mit Spahn nachsagt, dass sie schweigt, auch wenn es schwerfällt und ihr möglicherweise bei der nächsten Umfrage weitere Verluste in der Gunst der Wählerinnen und Wähler beschert. Spahn im Glück.
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