In dem bekannten Strategiepapier für die AfD-Bundestagsfraktion im Sommer wird ausdrücklich das Ziel formuliert, die Zusammenarbeit der CDU mit SPD und Grünen zu verhindern. So soll die Union geschwächt und gespalten werden – zu Gunsten der AfD.
Ein wesentliches Feld für dieses Ziel ist der sogenannte Kulturkampf. Themen der „affektiven Polarisierung“, so der Politikwissenschaftler Thomas Biebricher, sollen forciert werden. Das sind Themen, in denen es um Identität und Existenz (so Claudius Seidl in der „Südeutsdchen Zeitung“ vom 5.9.2025) geht – nie um bessere Argumente. Aber, so Seidl, es geht um unser Selbstverständnis: „welche Geschichten erzählen wir uns über uns selbst“, „Wer wir also sind, und wer wir sein wollen.“
Die rechte, genauer: die reaktionäre Antwort, lautet: “Wir sind deutsch, wir sind weiß, wir sind seit jeher hier zu Hause, Und wir wollen weiterhin unter uns bleiben.“ (Seidl) So wie es vor Jahrzehnten war bzw. scheinbar war, soll es wieder werden. Mit den Realitäten hat dies nichts zu tun. Der Wandel der Gesellschaft, der Wirtschaft, der Zusammensetzung der Bevölkerung, die Vielfalt ihrer Lebensweise, ihrer Kultur sind nicht mehr rückholbar.
Umso verbitterter und aggressiver agieren die reaktionären Kulturkämpfer in Politik, Medien und Gesellschaft. Das sind die der AfD nahestehenden „Denkschulen“ und Medienplattformen. Besondere Wirksamkeit haben die in die Union ausstrahlenden Akteure wie „Welt-TV“(Springer-Konzern), das Internetportal NIUS, betrieben vom ehemaligen Chefredakteur der „Bild“, Julian Reichelt, sowie die „Weltwoche“ aus der Schweiz. Sie alle betreiben das, was der heutige Innenminister Alexander Dobrindt als „Konservative Revolution“ bezeichnet hat und wozu er in der “Welt“ aufrief.
Die Tatsache, dass die Union für die Verteidigung traditioneller Werte steht, soll für ein gesellschaftliches Rollback genutzt werden. Dafür, so wird suggeriert, wollen die Leute endlich wieder die „Normalität“ zurück und sich nicht vorschreiben lassen, wie sie sprechen, schreiben, leben sollen. In den Worten des Historikers Andreas Rödder, ehemals Leiter der CDU-Grundsatzkommission: „Woke Vorstellungen beanspruchen in vielen wichtigen Bereichen die Deutungshoheit über Richtig und Falsch: bei Migration und Integration, bei Geschlecht und Sexualität, bei Energie und Klima“.
Dass hier ein Zerrbild der gesellschaftlichen Entwicklung gezeichnet wird und die Kräfte des sozialen und ökologischen Fortschritts mit diffamierenden Behauptungen belegt werden, stört die reaktionären Kulturkämpfer nicht. Besonders im Bundestagswahlkampf war eine Allianz von Union, AfD, BSW, Freien Wählern in dieser Hinsicht aktiv. Sie einte der Versuch, den Leuten einzureden, dass besonders die Grünen den Ruin des Landes betreiben.
Das ist genau im Sinne der AfD. Deswegen hat sie den Kulturkampf zu einer ihrer wichtigsten Themen erhoben. Die Union führt es in den Untergang, wenn sie sich diesem Kampf weiterhin anschließt und Themen auf diesem Feld skandalisiert. Negative Beispiele dafür gibt es in großer Anzahl: die Bundestagspräsidentin Klöckner mit dem Verbot der Regenbogenfahne am Reichstag; der Kulturstaatsminister Weimer, der überall den „Meinungskorridor“ eingeschränkt sieht, aber seinerseits Sprachvorgaben in seinem Haus macht; der Generalsekretär der CDU Linnemann mit seiner Schelte für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bis hin zur Drohung der Sperrung der Gelder; der bayrische Ministerpräsidenten Söder, der sich auf diesem Feld als Vorkämpfer darstellt.
Aber wie immer, wenn die Union Positionen der AfD übernimmt, ist es für die AfD zu wenig. Kompromisse, die die Union in den Bündnissen beispielsweise mit der SPD machen muss, beweisen der AfD nur, dass sie das Original im Kampf für eine reaktionäre Wende ist. Viele Wähler folgen dieser Agitation. Die Umfrageergebnisse seit der Bundestagswahl zeigen das – die Union verliert und die AfD gewinnt.
Deswegen sollten sich die CDU/CSU und auch alle demokratischen Kräfte dem Kulturkampf verweigern.













