Die rechte Meute hat gesiegt – und man kann ihr Triumph-Geheul förmlich hören: Die anerkannte Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf zieht ihre Kandidatur für das Amt als Verfassungsrichterin zurück. Das gab sie am Donnerstag bekannt.
In einem Schreiben, aus dem der „Spiegel“ zitiert, begründet die 54-Jährige ihren Schritt mit dem Widerstand in den Reihen der Unionsfraktion, die ihr im Bundestag trotz vorheriger Zusage die Zustimmung verweigert hatte. Man habe ihr signalisiert, dass ihre Wahl ausgeschlossen sei – öffentlich und nicht öffentlich, so die Juristin. Teile der Union lehnten ihre Wahl kategorisch ab.
Auch weil sie den anderen Kandidaten und die andere Kandidatin für das Amt am Verfassungsgericht schützen wolle, ziehe sie nun zurück, so Brosius-Gersdorf. Es müsse verhindert werden, dass der schwarz-rote Streit um die Richterwahl eskaliere und letztlich die Demokratie gefährde. Ausdrücklich lobte die Professorin die SPD, die zu ihr gestanden habe. Für die Sozialdemokraten sei es „eine Prinzipienfrage, dem Druck unsachlicher und diffamierender Kampagnen nicht nachzugeben“.
Welch eine verbale Ohrfeige für die Union, die diese Prinzipien offenbar nicht mehr vertritt. Denn CDU und CSU haben nichts anderes gemacht, als vor der rechten Hetze gegen die Juristin entweder einzuknicken – oder sie selbst noch zu befeuern. Kein Argument war schmutzig genug, um nicht gegen Brosius-Gersdorf missbraucht zu werden. Sie wurde in den sozialen Medien als „linksextrem“ diffamiert, obwohl sie teils eher konservative Ansichten vertritt – etwa in der Sozialpolitik. Ihr wurde unterstellt, für Abtreibungen bis zur Geburt einzutreten – eine glatte Lüge. Und letztlich wurden Plagiatsvorwürfe erhoben, die sich als völlig haltlos herausstellten.
Nun also der Rückzug, dessen Schaden für das demokratische Gemeinwohl in seinem Ausmaß noch gar nicht abzusehen ist: Da ist eine auf Lügen basierende und von rechten Kreisen orchestrierte Hasskampagne gegen eine liberale Juristin „erfolgreich“ verlaufen – und hat bis in größere Kreise der Union verfangen. Man muss sich fragen, ob diese Teile der Union so naiv sind, oder ob nicht viele aus der Unionsfraktion längst Seite an Seite mit den Kulturkriegern am extremen rechten Rand für eine komplett andere Republik kämpfen. Ich befürchte letzteres. Und ich befürchte auch, dass namentlich Unions-Fraktionschef Jens Spahn nicht einmal willens ist, diese Rechtsausleger in den eigenen Reihen zu bändigen. Bereitet der machthungrige Münsterländer da nicht schon die schwarz-blaue Republik vor? Und wer gehofft hatte, der erzkonservative Kanzler Friedrich Merz von der CDU könne und wolle die Rechten in den eigenen Reihen stoppen, wird spätestens jetzt eines Besseren belehrt.
Die rechtsextreme Meute jedenfalls hat Blut geleckt. Sie hat es geschafft, eine unbescholtene und anerkannte Frau in den Schmutz zu ziehen. Dass eine Frau zur Zielscheibe rechten Hasses wurde, ist dabei sicherlich kein Zufall – Brosius-Gersdorf ist nicht die erste und wird nicht die letzte Frau sein, die die Verleumdungen vor allem männlicher Extremisten auf sich zieht. Wer wagt es denn künftig noch, für ein öffentliches Amt zu kandidieren, wenn er oder sie so diffamiert wird, wenn er oder sie – und mit ihm die ganze Familie sogar körperlich bedroht wird? Wenn er oder sie nicht einmal mehr auf die Solidarität derjenigen zählen kann, die sich – wie die Union – immer noch als „demokratische Mitte“ bezeichnen?
Die ganze Causa Brosius-Gersdorf ist ein demokratisches Desaster. Sie ist eine Niederlage für die liberale Demokratie, sie ist ein Triumph für die Rechtsextremisten und: Sie ist eine Schande für die Union.