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Der Kanzler will seinen 70. nicht groß feiern – Friedrich Merz hat heute Geburtstag

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
11. November 2025
Rocker auf Harley Davidson vor Mauer mit der Aufschrift "Auf den Kanzler kommt es an!"

Dies vorweg: Ich bin kein Merz-Wähler. Und dennoch hoffe ich, dass Friedrich Merz erfolgreich sein wird als Kanzler. Er ist schließlich Bundeskanzler aller Deutschen, auch meiner. Und weil der  Mann aus dem sauerländischen Brilon heute Geburtstag hat, er wird 70 Jahre alt, gratuliere ich dem Kanzler und CDU-Parteichef. 70. Älter war als deutscher Regierungschef einzig Konrad Adenauer und dies schon bei Amtsantritt 1949. Adenauer war 72. Der Alte hätte in seiner launigen rheinischen Art seinen Nach-Nach-Nachfolger als jungen Mann ansprechen können. Schröder war jünger, Merkel und Scholz auch

Was macht man an seinem 70. Geburtstag? Friedrich Merz hat in seiner bescheidenen Art die deutsche Öffentlichkeit wissen lassen, dass er um seinen Geburtstag kein großes Aufsehen machen will. Das hindert seine Fraktion nicht, an seinem Ehrentag dem Jubilar im Protokollsaal des Reichstagsgebäudes einen Empfang mit 300 Gästen auszurichten. Dabei sind die Unions-Ministerpräsidenten, ehemalige Fraktionschefs, Merzens Familie und sicher der eine oder andere Prominente und Freund. Am Abend will der Familienmensch Merz mit Ehefrau, Kindern und Enkelkindern feiern.

Merkel weilt zufällig in Israel

Ich hoffe, dass Merz an diesem Tag von seiner Arbeit verschont wird, also keine Debatte über die Bundeswehr und den Wehrdienst, keine über die Infrastruktur, kein Satz über die Rente und die darbende Wirtschaft, kein Wort über die EU, Putin, die Ukraine, das Klima, die Energie, kein Ärger mit Wadephul, nichts über syrische Flüchtlinge, kein Wort über Afghanistan. Angela Merkel, mit der der Kanzler in inniger Ablehnung verbunden ist, ist an diesem Tag zufällig in Israel, die Alt-Kanzlerin(darf ich doch sagen) erhält vom Weizmann-Institut die Ehrendoktorwürde. Welch ein Glück! Merkel hat ausrichten lassen, sie werde Merz ein handschriftlich formuliertes Glückwunschschreiben schicken, das mag der 70jährige.

Ein großer Vorteil des Alterns sei, hat Merz vor seinem Geburtstag gesagt, dass man gelassener werde, ruhiger, auch dass man überlegter rede? Dass man das Wesentliche vom Unwesentlichen unterscheide. Richtig, das muss die Stärke von Politikern sein, die ich bisher aber nicht gemerkt habe, und bei Merz schon gar nicht. Oder waren die Einlassungen zum Stadtbild oder zu seinem Außenminister, mit dem zusammen er eine Außenpolitik aus einem Guss machen wollte, aus diesem Baukasten, gelassen, überlegt, wie man das von einem älteren Staatsmann erwarten kann?

Ich habe meinen 70. Geburtstag einst im Bayerischen Wald gefeiert. Mit Familie und Freunden. Es war tiefster Winter, ein halber Meter Neuschnee bedeckte den Boden, es war bitterkalt, ein Kenner des Bayerischen Waldes machte mit uns eine Führung durch den Nationalpark und erklärte uns die Besonderheiten der Region und die Gefährdungen der Natur durch Klima.  Am Abend haben wir mit rund 30 Freunden und Familie gefeiert, ein Film über mein Leben wurde auf einer Leinwand präsentiert.

Nun ist mein Leben nicht mit dem von Merz zu vergleichen, ich muss sogar einräumen, dass meine Jugendjahre einschließlich der Studienzeit nicht annähernd so wild waren wie angeblich die des Friedrich Merz, wie er es in einem Gespräch mit dem „Tagesspiegel“ vor Jahren erzählt hatte. Der Konservative Merz als Jugendlicher ein Revoluzzer? Mit einer wilden Jugend, er habe Eltern und Lehrer gequält, seine Freunde seien Bier, Schnaps und die Doors gewesen. Der Junge will im Alter von 13, 14 Jahren ziemlich aufsässig gewesen sein. „Ich war ein Typ, der sich nicht hat leiten lassen.“ Er will „schulterlange Haare“ gehabt haben, schilderte er, „bin mit dem Motorrad durch die Stadt gerast, mein Stammplatz mit zwei Freunden war die Pommesbude auf dem Marktplatz bei uns um die Ecke. Ich habe angefangen zu rauchen und Bier zu trinken.“

Dem Bruder ein Zigarillo verpasst

Wer den heutigen Friedrich Merz kennt, staunt nicht schlecht. Gut, die Haare sind weniger geworden, sichtbar. Aber dann ist da der Merz, der Millionär, Hobby-Pilot mit zwei Maschinen, strebsamer Politiker, einst CDU-Fraktionschef, wegen Merkel Rücktritt, Ausscheiden aus der Politik, dann in die Wirtschaft, Millionen verdient, mehr Kapitalist als sozialer Marktwirtschaftler, knallharter und eiskalter Wirtschaftler, zurück in die Politik, CDU-Chef nach mehreren Anläufen, ein Mann mit Kondition, der nicht so schnell aufgibt.  Als Knabe aber aufsässig. Zitieren wir Merz. Rauchen mit 14. „Zu Hause war das streng verboten. Und wie das so ist, was am strengstens verboten ist, fängt man als erstes an. Also haben wir Kinder geraucht. Meinem Bruder habe ich es auch früh beigebracht, er hat allerdings gewürgt, weil ich ihm gleich einen Zigarillo verpasst habe.“

Die Tagesspiegel-Interviewer konfrontieren Merz dann mit folgender Feststellung: „Für das Sauerland waren Sie ein Linker!“ Nun ist das Sauerland das Sauerland, nicht Berlin, wo das Leben damals tobte, Brilon liegt auf dem Land, gemütlich, gemächlich. „Nein, links waren wir nie. Es blieb trotzdem etwas hängen. Antiautoritär waren wir, massiv gegen Schule und Elternhaus.“

Merz hat E-Gitarre gespielt, das Haus mit Lärm versorgt, die Verstärker habe er selber gebaut, später hat er Posaune gespielt. Ein Mädchenschwarm war er nach eigenen -Worten nie, „weil ich es selbst in deren Augen etwas übertrieb mit meiner penetranten Störerei.“  Die 68er habe er für Spinner gehalten, Mitglied der CDU sei er geworden wegen der Ostpolitik von Willy Brandt. „Den mochte ich damals nicht“. Und als Jurastudent in Bonn will er „abends immer an der Schumann-Klause mit erhobener Faust vorbeigezogen“ sein, dem „Treff der  Bonner Linken, und wir haben schon überlegt, dass wir da mal reinmarschieren und einen kleinen Bürgerkrieg mit denen anzetteln.“ Seine Freunde hätten mal einen Müllcontainer durchs Fenster der Klause geworfen und „das Lokal in Schutt und Asche gelegt.“

So weit die Erzählungen von Friedrich Merz, die manche eher verwundert gelesen haben. Der „Spiegel“ hat dann vieles nachrecherchiert, das Ergebnis war  eine Reportage unter dem Titel: „Easy Rider in Brilon.“ Autor u.a.  Hartmut Palmer, der heute gelegentlich für den Blog-der-Republik schreibt.  Wörtlich heißt es da: „Lange Haare, wilde Jagden mit dem Motorrad-Friedrich Merz verklärt seine Jugendjahre, die so wild nicht waren. Aber warum tut er das?“

Peter Fonda des Hochsauerlandkreises

„In Brilon war der Teufel los. Durch das Foyer des Gymnasiums Petrinum segelten Daunenfedern, aufgewirbelt aus einem aufgerissenen Kopfkissen mit Hilfe eines umgepolten Staubsaugers. Zum Höhepunkt ihres Schulfestes versammelte sich eine Gruppe von Gymnasiasten im Biologieraum und pinkelte ins Aquarium.“ So wörtlich die Spiegel- Geschichte. Ein Skandal in Brilon, die Geschehnisse im Sauerland „klangen wie aus einem deutschen Woodstock.“ Aber sie waren wohl eher eine Schülerposse nach Art der Feuerzangenbowle. Die langen Haare reichten eher bis zu den Ohren statt bis zu den Schultern, stellten Schulfreunde von Merz dessen Erzählungen gerade. Friedrich Merz als Peter Fonda des Hochsauerlandkreises, der Duft von Freiheit und Abenteuer wehte? Na ja.  Die Sache mit dem frisierten Motorrad? Das sei wohl dann ein altes DKW-Moped gewesen.

Bliebe noch die Erzählung über die Schumann-Klause zu klären. Das mit dem Müll-Container mag eher dem Traum eines Sauerländers entsprungen sein, passiert ist es nie, das Lokal sei nie in Schutt und Asche gelegt worden. „Außer der Bohnensuppe brannte dort nie etwas an, und das Mobiliar war 1983, als die Schumannklause dicht machte, noch so intakt, dass es Gewinn bringend an die Stammgäste versteigert wurde.“ So der Spiegel. Richtig ist dagegen, dass sich manchmal bekennende CDU-Leute in die Klause hereingetraut hätten. „Denen haben wir gesagt: Bei Vorlage des CDU-Parteibuchs bekommt ihr ein Freibier“, erinnerte sich einer der Betreiber der Kneipe. „Randaliert haben die nie“, zitiert der Spiegel Friedel Drautzburg, der später Inhaber der „Ständigen Vertretung“ in Berlin wurde. „Die standen brav an der Theke, und wir haben sie als Exoten geduldet.“

Im Falle seiner Wiederwahl 2029 wäre Merz 73, fast 74. Konrad Adenauer trat 1963 zurück, da war er 87 Jahre alt. 14 Jahre dauerte die Kanzlerschaft. Adenauer ist ein großes Vorbild für Merz. 18 % der Deutschen würden eine erneute Kandidatur von Merz begrüßen, so eine FORSA-Umfrage.

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