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Eigentlich müsste Scholz den Lindner feuern – Wenn es so einfach wäre

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
27. Oktober 2024
TAfelaufschrift "YOU'RE FIRED"

Eigentlich hätte der Bundeskanzler seinen Finanzminister Lindner längst feuern müssen. Wenn der SPD-Politiker Olaf Scholz Mumm in den Knochen hätte, würde der FDP-Chef viel mehr Freizeit haben und sich dem widmen, was ihm Spaß macht und was er vielleicht auch besser kann: Porsche fahren. Es ist schon eine ziemliche Unverfrorenheit des Freidemokraten, wie selbstherrlich er vom Stuhl des bundesdeutschen Kassenwarts aus die Richtlinien der Politik bestimmen will. Das ist doch des Kanzlers Kompetenz? Ja, aber im Falle von Scholz nur auf dem Papier, denn der Kanzler macht davon nicht Gebrauch. Er lässt sie alle machen, was sie wollen. Dass daraus keine gemeinsame Politik werden kann, weiß ein jeder. Also scheitert Scholz, scheitert Lindner, scheitert Habeck, scheitert die Ampel. Dem Ende so nah, dieser Titel eines SZ-Leitartikels beschreibt sehr gut die Lage der Bundesregierung.

Ob sie noch einen gemeinsamen Haushalt für das Jahr 2025 hinbekommen? Kaum zu glauben. Und selbst wenn, muss man davon ausgehen, dass die Hauptakteure der Regierung spätestens am Morgen nach der Einigung dieselbe wieder in Zweifel ziehen. So geht das jetzt schon die drei Jahre, seit es diese Regierung gibt. „All die vielen Streitigkeiten“ beklagte jüngst ein sichtlich genervter Scholz. Recht hat er, aber er muss sich selbst an die eigene Nase fassen. Hat er sich doch vor allem von Lindner immer wieder auf der Nase herumtanzen lassen. Der FDP-Mann will eine andere Politik, er scheint aber nicht zu wissen, dass er dafür keine Mehrheit hat. Nach heutigem Stand würde es für die FDP nicht mal reichen für den Einzug in den Bundestag. Und selbst wenn scheint ein Zweier-Bündnis aus Union und FDP rechnerisch nicht möglich. Es müsste also ein dritter Partner her, die Grünen womöglich, wenn nicht der Möchtegern-Allmächtige aus dem bayerischen Freistaat sein Veto gegen die Grünen einlegt und stattdessen vielleicht die Freien Wähler zur Regierungspartei erhebt. Das wäre ein Ding, mit Hubert Aiwanger, dem Mann, der die Demokratie zurückholen will und der denen da oben in Berlin schon mal zugerufen hatte, sie hätten wohl den Arsch offen. Der neue Sprachstil, ländlich-rustikal, für jedes Volksfest geeignet. Vielleicht erreicht man ja auf diese Weise sein Volk wieder.

Das ewige Hickhack

Wenn ich Christian Lindner zuhöre, beschleicht mich das ungute Gefühl, der Mann scheint nicht zu wissen, dass er mit seiner FDP der kleinste Vertreter in der Berliner Ampel ist. Er tritt so selbstherrlich auf, als sei er der Chef im Ring. Vorwärts Millionäre, euer Reichtum soll Sinn unserer  Arbeit sein, zitiere ich aus dem satirischen Vortrag von Mitarbeitern  eines Verlages bei einer Weihnachtsfeier. Lange ist es her. Man muss kein Freund der SPD und der Grünen sein, man kann auch gegen die Renten-Richtung der Regierung sein. Alles gut. Aber was nicht geht, ist, sich zuerst in der Ampel auf etwas zu verständigen und dann bei nächster Gelegenheit aufzutrumpfen und zu behaupten, das alles sei nicht zu bezahlen. Oder das Gezerre um das Bürgergeld. Ja, der zuständige Minister ist Hubertus Heil von der SPD. Aber wenn die FDP wichtige Einwände gegen das ganze Vorhaben hat, dann hätte sie das von vornherein klar machen und es ablehnen müssen. Dieses ewige Hickhack um einzelne Politik-Bereiche geht einem auf den Wecker. Und Schuld daran ist die FDP, ist Lindner.

Oder nehmen wir das Theater um die Schuldenbremse. Da spielt sich einer auf, als gehörte ihm die ganze Kasse. Wahr ist, dass wir Geld brauchen für Investitionen, für die Infrastruktur, die unter der Ägide der CDU-Kanzlerin Angela Merkel vernachlässigt wurde  wie nie zuvor. Das Verteidigungsministerium wurde in Grund und Boden gewirtschaftet, bis nichts mehr geht, kaum ein Flugzeug fliegt, kein Panzer rollt, keine Waffe funktionsfähig ist. Verantwortlich waren Verteidigungsministerinnen und -minister der CDU und der CSU. Oder nehmen wir das Bundesverkehrsministerium, das nicht nur für Straßen zuständig ist, das die Maut, die krachend scheiterte, zu verantworten hat, das dafür die Schuld trägt, dass Deutschland eine digitale Wüste ist. Und gerade hörte ich wieder einmal einen CSU-Mann tönen, der über die Bild-Zeitung den Bundespräsidenten aufforderte, einzuschreiten und notfalls den Regierenden die Trennung vorzuschlagen. Also Neuwahlen. Bild weiß natürlich wie immer genau, dass die Mehrheit des Volkes das Ende der Ampel will. Und dass das auch die CSU weiß, kennt man zur Genüge. Gerade einer wie der CSU-Landesgruppenchef Dobrindt, ein bekannter Lautsprecher, der offensichtlich vergessen hat, dass er als einer der Erfinder der Maut für Ausländer gilt, die uns Jahre später 245 Millionen Euro gekostet hat. Man frage Andreas Scheuer, den alten Söder-Spezl, der gerade aus der Politik ausgeschieden ist.

Dem Ende so nah?

Dem Ende so nah. Weil die Regierungspartner nie begriffen haben, dass man nur gemeinsam erfolgreich sein kann in einer Koalition und nicht, wenn der eine Partner dem anderen nicht mal das Schwarze unter den Fingernägeln gönnt. Eine Regierung kann nicht erfolgreich sein, wenn ein Partner, nämlich die FDP, sich als Opposition in der Regierung versteht. FDP und Grüne passen so nicht zusammen, gemeint, wenn der Liberale dem Grünen pausenlos von hinten in die Beine tritt. Dann muss Habeck stolpern. Ich will ihn nicht in Schutz nehmen, weil er viel zu rigoros grüne Politik durchsetzen wollte. Er hätte den Alten aus Stuttgart um Rat fragen müssen, Winfried Kretschmann. Der weiß, wie man so was erfolgreich macht. Schritt für Schritt und immer die Interessen der Bürgerinnen und Bürger im Blick. Aller, nicht nur der Grünen. Es gehört nicht viel Mut dazu, der Ampel das nahende Ende vorherzusagen.

Ihm fehle die Fantasie, sich ein Bündnis der FDP mit zwei linken Partnern vorzustellen, hat Lindner nach der Wahl gesagt. Wäre er nur bei seinem Pessimismus geblieben und hätte sich nicht zu der Vorhersage verstiegen, der Scholz werde ein großer Kanzler. Dass es anders lief, als auch von Scholz gewünscht und den anderen, ist bekannt. Den Krieg Putins gegen die Ukraine hatte niemand auf dem Schirm und auch nicht all die Abhängigkeiten von Russland, die dann platzten, man denke nur an das Gas, es folgten die Sanktionen, die Zeitenwende und das Aufrüsten der Bundeswehr, der Nahost-Krieg mit all seinen Opfern und Zerstörungen tat und tut sein Übriges. Und natürlich haben Scholz und Habeck nicht alles falsch gemacht, Deutschland ist gut durch den Winter gekommen und das Land steht trotz aller täglich von bestimmten Medien beschworenen Schwächen international gut da. Die meisten Länder auf dem Globus würden gern mit uns tauschen.

Der neue Bundeskanzler könnte Friedrich Merz heißen. Jawohl. Die Union liegt in allen Umfragen klar vor der SPD, die Grünen sind weit weg von ihren früheren Kanzler-Träumen, dazwischen rangiert die AfD, die in weiten Teilen rechtsradikal bis faschistisch ist. Und mit der niemand regieren will. Dazu kommt die nach ihrer Erfinderin genannte Partei „BSW“, deren weiteren Weg kaum jemand voraussehen kann. Man kennt den Ehrgeiz und die Eitelkeit von Sahra Wagenknecht, weiß, dass sie mit Oskar Lafontaine verheiratet ist, eine Kommunistin war, die bei der Links-Partei Karriere machte und diese dann verließ und in den Abgrund stürzte. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat über Frau Wagenknecht gesagt, sie sei eine Kommunistin, die wie eine Kapitalistin im Saarland lebt. Sie gilt als Putin-Sympathisantin, will, dass ihre Partei in Landesregierungen im Osten Außenpolitik betreibt, sie fordert das Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine, Verhandlungen mit Putin, mehr Distanz zur Nato. Alles merkwürdig, weil diese Politik nicht Sache der Länder ist. Aber diese Sahra Wagenknecht ist mit Vorsicht zu genießen, die Frau weiß um ihren Auftritt, ihre Ausstrahlung und sie hat aus dem Stand-quasi ohne nennenswerte Mitglieder- das BSW  zu einer Partei geformt, die mitreden will, die jetzt schon in drei Landtagen sitzt und die sicher in den nächsten Bundestag einziehen will.

Schwierige Zeiten auch für den Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz.  Zumal die CDU und Merz noch ein Problem der besonderen Art mit sich herumschleppen: Den Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Links-Partei. Deshalb kommt in Thüringen kein Bündnis mit einem wie Bodo Ramelow infrage, obwohl der sicher berechenbarer wäre als das BSW.

Junge Union feierte Merz

Friedrich Merz wurde gerade beim Deutschlandtag der Jungen Union bejubelt. Das mag ihm gefallen, wenn die Jungen den Alten- am 11. November wird er 69-  als den künftigen Kanzler feiern-  wie einen Rockstar mit Wumms-Musik und Nebelkerzen, war zu hören und zu lesen. Über sein Programm darf gerätselt werden. Es wird nicht reichen, alles der Ampel in die Schuhe zu schieben, zu tönen, dass die Sozen und die Grünen es nicht könnten, es wird ihm nur eine kurze Atempause liefern, wenn er darauf setzt, dass der Markt es richten werde. Das kennen wir schon und wenn es nicht klappt, rufen die Unternehmer nach dem Staat. Und wie begegnet Merz der Klimakrise, den immer schneller auftretenden Wetterextremen, den Hochwasser-Katastrophen, den Dürreperioden, die die Ernte gefährden? Der Markt wird es richten?

Die Ampel fällt als Schuldige aus, wenn Merz regiert. Wie wird er das halten mit der Schuldenbremse, die ja im Grundgesetz steht und die der Oppositionspolitiker Merz nicht aufweichen wollte. Weil er damit der Regierung Scholz geholfen hätte. Tempolimit ist ein kleines Thema, aber der Verbrenner ein großes. Glaubt er, dass man als CDU-Kanzler die Umweltprobleme einfach wegdrücken kann, auf Wiedervorlage, wenn mal wieder ein anderer regiert? Wie halten Sie es mit der Atomkraft, Herr Merz? Und was wird aus der Migration? Einerseits brauchen wir Einwanderung, weil Arbeitskräfte fehlen, andererseits beklagen bestimmte Kräfte, angeführt von der fremdenfeindlichen AfD, dass Deutschland überflutet werde, nicht mehr Herr werde all der Flüchtlinge aus Afrika und der Ukraine? Grenzen dicht, Mauern hoch? Mit Merz ein neues Wirtschaftswunder, weil er den Erhard wieder auspackt? Der freie Markt, der alles richtet? Schließlich noch eine Kleinigkeit: Angesprochen auf eine paritätische Sitzverteilung in einem Kabinett Merz, meinte der Kandidat eher ablehnend: „Wir tun damit auch den Frauen keinen Gefallen.“ Wie großzügig, dass der Vater da auf die Mutter Rücksicht nimmt, die die Kinder zu erziehen und die Regie in der Küche hat, da bleibt nicht die Zeit für die politische Karriere. Übrigens: Mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten sind Frauen, Herr Merz. In Amerika soll gerade eine Frau das Land vor Donald Trump retten. Ja, ich weiß, sicher ist das nicht, aber die Demokraten drüben versuchen es zumindest.

Zurück zur Ampel in Berlin. Ja, eigentlich hätte Lindner längst gefeuert gehört. Wie weiland 1982 Genscher und Co entlassen wurden. Wenn Olaf Scholz den Schneid seines Hamburger Vorbilds hätte. Aber Helmut Schmidt hatte eine andere Kragenweite als Scholz, er war trotz seiner gerade mal überschaubaren 1,72 m Länge ein Großer. Das konstruktive Misstrauensvotum verlor Schmidt am 1. 10. 1982 dann gegen Helmut Kohl. Aber das ist ein anderes Thema.

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