Man darf eine Zeitung und die für dieses Blatt arbeitenden Kolleginnen und Kollegen auch mal loben. Ich weiß aus meiner langen Redakteurs-Zeit für die WAZ, wie das war, wenn jemand anrief und sagte: Heute muss ich Ihren Kommentar mal loben. Sofort gingen bei mir die Alarmanlagen an und ich fragte mich: Was hast Du falsch gemacht? Aber zum 80. Geburtstag darf man eine Zeitung wie die SZ loben, ja in aller Demut(ich meine das wirklich im Ernst) hochleben lassen dafür, welche Qualität sie täglich den Leserinnen und Lesern liefert. Klasse!
Nur fünf Monate nach dem Ende des 2.Weltkrieges und der braunen Diktatur erscheint die erste Ausgabe. Es ist unerheblich, aber schön erzählt, dass oder ob die erste SZ aus dem Bleisatz von Hitlers „Mein Kampf“ entstand. Aber es passt zum München, das ja Hauptstadt der Bewegung war, wo am Königsplatz die Zentrale der NSDAP war, das braune Haus, das längst vom weißen Haus abgelöst worden ist, wo man heute die Erinnerung an die Nazi-Zeit Revue passieren lässt. „Deutscher Journalismus als Antifaschismus-das war die Idee, aus der die SZ entstand.“ Schreibt Thomas Radlmaier in seinem Stück „Demokratie aus Auftrag.“
Kein bisschen alt
80 Jahre und kein bisschen alt? Müde? Das Blatt, das ich seit Jahrzehnten lese, früher während des Studiums im Münchner Studentenheim neben der AZ und der FAZ, später in den Redaktionen in Essen, Bonn und Berlin, und seit meiner Rentnerzeit als Abonnent der SZ in Bonn. Ich freu mich jeden Tag neu, wenn die Zeitung im Postkasten liegt. Und wenn es an Feiertagen kein Blatt gibt, frage ich mich: Und was lese ich zur zweiten Tasse Kaffee? Kein Streiflicht, kein Leitartikel, kein Interview? Langweilig ohne die SZ.
Was nicht heißt, dass wir immer einer Meinung sind, die Damen und Herren Autoren in München und Berlin und wo auch immer in der Welt. Nein, hin und wieder ärgere mich, weil ich anderer Meinung bin. Dann telefoniere ich schon mal mit einem alten Kollegen, tausche mich aus und bin erleichtert, wenn auch er betont: Das sehe ich genauso wie Du. Die haben doch keine… Aber lassen wir das. Im übrigen gehört es dazu, die Auseinandersetzung mit den Inhalten der Zeitung, den Meinungen. Eine Zeitung wie die SZ darf und muss nicht nur gefällig sein. Und war es nicht früher zu meiner aktiven Zeit auch so, dass manche Leserin und mancher Leser nach der Lektüre meines Kommentars mir hin und wieder in einem Leserbrief hinrieb: Sie rote Socke. Oder so ähnlich. Den anderen passierte es auch, dass man sie wegen ihrer angeblichen CDU-Nähe beschimpfte. Denn es gibt natürlich auch schwarze Socken, ich trage sie oft.
Der frühere SZ-Chefredakteur Kurt Kister hat in der Jubiläumsausgabe einen Beitrag geschrieben mit dem Titel: „Ein Stück Heimat.“ Da ist was dran, das war im übrigen bei der WAZ über viele Jahrzehnte nicht anders. Wir, die Blattmacher, lieferten den Leserinnen und Lesern- es waren zur Hochzeit in Blei täglich viele Hunterttausende- ein Stück Heimat auf den Frühstückstisch, und für uns bedeutete das natürlich auch Heimat. Das Ruhrgebiet, das Leben der Bergleute, der Stahlarbeiter, die von der Industrie geprägten Städte und Dörfer, das war nicht immer schön anzusehen, aber so war das Leben. Und in der Zeitung spiegelte sich dieses Leben in seiner ganzen Vielfalt, Buntheit und Härte wieder. Das Vertrauen zwischen Lesern und Redakteuren, das war es, was es zu schaffen und zu erhalten galt, nicht immer ganz einfach. Aber wenn dieses Vertrauen einmal verloren ging, bestellte der Leser die Zeitung ab, ob er woanders eine neu Heimat fand, ich weiß es nicht.
Die Kunst, gut zu schreiben
Es ist eine Kunst, gut zu schreiben, rühmt der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder in einem Interview mit SZ-Redakteuren. Und natürlich benutzt Söder die Gelegenheit, in dieser Jubiläumsausgabe die Schreiber und Blattmacher der SZ zu loben. „Wie schön, dass Du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst.“ Kling etwas kitschig. Aber Söder sagt das zu Recht und preist die SZ als „starke Marke“, süddeutsch, liberal, früher galt sie auch als eher linksliberal. Und dass die Zeitung dieses Interview ausgerechnet mit ihm, Markus Söder, führt, sieht er natürlich als „große Ehre“. Jeder kennt Söder, weiß, wie schnell dieser Mann sich immer wieder neu erfunden hat, mal einen Baum umarmt, um anschließend eine wirklich üble Wahl- Kampagne gegen die Grünen zu führen. Und doch können sie sich die Federn an den Hut oder ans Jackett stecken. Ungeachtet eines verdächtigen Opportunismus, den man beim CSU-Chef stets auf dem Schirm haben muss, hat sich die SZ dieses Lob nun wirklich verdient. Gerade in Zeiten wie diesen, wo in Amerika ein Präsident die Presse- und Meinungsfreiheit schleifen will wie überhaupt die Demokratie, muss man alles tun, damit sich diese verheerenden Veränderungen nicht bei uns einpflanzen.
Zeitungen, auch die SZ, werden im digitalen Zeitalter mehr und mehr nicht mehr in Papierform gelesen. Das ist die Entwicklung, die Älteren werden vorerst weiter ihre SZ(oder die FAZ, den Spiegel) wie gehabt als Papier lesen, aber sie sind mittlerweile in der Minderheit. Die Printauflage der SZ, schreibt Kister, liege heute bei 150474, fast 300000 Zeitungen weniger als vor 20 Jahren. Die digitale SZ kommt auf 300578 Leserinnen und Leser. Ich habe diesen Wandel vor kurzem während einer Schiffskreuzfahrt von Passau über Regensburg, Würzburg, Nürnberg, Frankfurt bis nach Köln erlebt und im Blog-der-Republik beschrieben. Es war schwierig, eine „Süddeutsche Zeitung“ in Passau oder in Regensburg zu bekommen, es gibt kaum noch Zeitungs-Kioske. Da vermisst man die SZ.
80 Jahre SZ. „Sie ist seriös, aber etwas gelassener. Sie ist anspruchsvoll, will aber auch, dass ihre Leserschaft lächelt, manchmal sogar lacht.“ Schreibt ihr ehemaliger Chefredakteur Kurt Kister. Alles beginnt ja in dem Blatt mit dem Streiflicht. Und es stimmt, was die amtierende Chefredakteurin Judith Wittwer in ihrem Leitartikel zu 80 Jahre „Süddeutsche Zeitung“ titelt: „Welch ein Glück.“ Wie gesagt, an einem Tag wie diesen darf man eine Zeitung loben.
Bildquelle: „SZ Werbung am Harras“ von heartbeaz, CC BY 2.0













