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Jetzt tritt auch noch Malu Dreyer zurück – Schlechter kann es für die SPD kaum kommen

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
19. Juni 2024
Pressekonferenz Malu Dreyer 19.06.2024

Jetzt tritt auch noch die allseits geschätzte und beliebte Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, zurück. Schlechter kann es für die SPD nicht kommen. Politisch taumelt sie nach der katastrophalen Niederlage bei den Europa-Wahlen, die der ältesten deutschen Partei das schlechteste Ergebnis aller Zeiten bei einer bundesweiten Abstimmung bescherte. Und jetzt der Rücktritt der Regierungschefin in Mainz. Ausgerechnet Malu Dreyer(63), eine politische und moralische Institution, die immerhin seit elf Jahren das Land regiert. Nachfolger wird Alexander Schweitzer(50), der bisherige Minister für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung. Mit ihrem zum jetzigen Zeitpunkt erfolgten Rücktritt will die amtierende Ministerpräsidentin ihrem potentiellen Nachfolger Gelegenheit geben, sich bis zur Wahl im Frühjahr 2026 zu profilieren, damit er wieder gewählt wird.

Dass kurz nach Dreyers Rücktritt auch der SPD-Landesvorsitzende Roger Lewentz seinen Hut nahm, sei am Rande erwähnt. Es komplettiert das Dilemma der SPD in Rheinland-Pfalz und im Bund. Aber Lewentz spielte nach seinem Rücktritt vom Amt des Innenministers vor knapp zwei Jahren in Folge der Ahr-Katastrophe politisch keine große Rolle mehr.

Auf einer Pressekonferenz sagte sie, die Begegnung mit Menschen habe ihr immer sehr, sehr viel Kraft gegeben im Amt. Sie habe aber für sich feststellen müssen, dass diese Kraft endlich sei. Mit 63 Jahren merke sie, dass vieles nicht mehr so leicht sei wie mit 50. Sie müsse jetzt mehr Energie aufwenden als zuvor. Die Akkus würden sich nicht mehr so schnell aufladen. Ich gehe also mit schwerem Herzen, weil ich nicht amtsmüde bin. Ich gehe mit schwerem Herzen, weil ich mir eingestehen muss, dass meine Kraft nicht mehr ausreicht, um dem Anspruch der Bürger gerecht zu werden.“ Sie wolle aber auch sagen, ergänzte sie: „Ich gehe in großer Dankbarkeit.“ Sie brenne nach wie vor für dieses Amt, es sei ihr sehr schwergefallen zu sagen: „Ich schaffe es nicht mehr.“

Multiple Sklerose

Malu Dreyer genoss den Respekt vieler Bürgerinnen und Bürger über Parteigrenzen hinweg. Man zollte ihr Hochachtung, wie sie mit der tückischen Krankheit Multiple Sklerose umging. Trotz MS ließ sie sich über Jahre nichts anmerken, nahm ihre politischen Termine wahr, hin und wieder ging sie leicht gestützt am Arm ihrer jeweiligen Begleitung. So sah man sie nach der Flut an der Ahr, als sie am Arm der Kanzlerin Angela Merkel die Stätte der Katastrophe besichtigte. In der SPD hatte Malu Dreyer großes Ansehen. So übernahm sie gemeinsam mit zwei anderen Sozialdemokraten die Führung einer Kommission der Partei nach dem Abgang der Parteichefin Andrea Nahles. In der Folge suchte die SPD durch ein Mitglieder-Votum eine Doppelspitze. Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken gewannen die Abstimmung immerhin gegen Olaf Scholz, der danach Kanzlerkandidat der SPD wurde und später Bundeskanzler.

Ja, das Hochwasser an der Ahr, das 135 Menschen das Leben gekostet hatte,700 Verletzte, das Häuser einstürzen ließ, Brücken wegschwemmte und Straßen, ganze Dörfer unter Wasser setzte, hat der Sozialdemokratin Malu Dreyer schwer zugesetzt, sie war angeschlagen seit diesen Tagen. Ein Untersuchungsausschuss beschäftigte sich mit der Katastrophe, auch sie musste Rede und Antwort stehen, auch sie wie auch ihr damaliger Innenminister Lewentz mussten Fragen nach dem Katastrophenschutz beantworten, mussten Stellung dazu beziehen, warum die Bevölkerung so spät gewarnt worden war. Immerhin waren bei Polizei und Feuerwehr zwischen dem 14. und 15. Juli 2021 15500 Notrufe eingegangen. Innenminister Lewentz wies zwar alle Schuld von sich, übernahm dann aber die politische Verantwortung. Schließlich ist der Minister des Inneren dafür zuständig, er ist der Polizeiminister. Einen Prozess wird es zumindest vorerst nicht geben, mögliche Klagen allerdings sind nicht vom Tisch. Gegen den CDU-Landrat Jürgen Pföhler, der seinen Porsche noch in Sicherheit bringen konnte, wurden die Ermittlungen eingestellt, von der Flut Betroffene konnten es kaum fassen.

Wahl am 10. Juli

In Mainz regiert eine Ampel aus SPD, den Grünen und der FDP. Der heutige Bundesverkehrsminister Volker Wissing(FDP) gehörte der Mainzer Landesregierung unter Leitung von Malu Dreyer an. Seit über 30 Jahren stellt die SPD in Rheinland-Pfalz den Regierungschef, nachdem die Landes-CDU Bernhard Vogel abgewählt und der sich auf einem CDU-Parteitag in Koblenz mit den viel zu hohen Worten verabschiedet hatte: Gott, schütze Rheinland-Pfalz. Die Christdemokraten verstolperten damals die Nachfolge, Carl-Ludwig Wagner konnte sich nur drei Jahre halten, dann verlor die CDU 1991 die Landtagswahl an die SPD mit Rudolf Scharping. Der wiederum von Kurt Beck abgelöst wurde, als Scharping in die Bundespolitik ging, um allerdings vergeblich Helmut Kohl zu beerben. Kurt Beck war beliebt, bodenständig im Land der Rüben, Reben und Raketen, die Menschen mochten ihn, er war präsent. 2013 löste Maly Dreyer Beck ab, der Chef der Friedrich-Ebert-Stiftung wurde. Die „Rheinpfalz“ schrieb über sie: „Sie ist die unangefochtene Nummer 1, sie strahlt, sie wärmt die Herzen und sorgt für Harmoniestimmung zwischen den Ampel-Parteien SPD, den Grünen und der FDP.“ Kann man sich heute mit Blick auf Berlin und die Erfahrungen mit Scholzens Ampel kaum vorstellen. Streit ohne Ende.

Die Landes-CDU wird natürlich wieder Hoffnung schöpfen, das Land zurückzugewinnen, von dem sie einst meinte, es gehörte ihr. Wie man sich täuschen kann! Immerhin hat die Union Rheinland-Pfalz nach dem Krieg über Jahrzehnte regiert: Wilhelm Boden(1946/47), Peter Altmeier(1947-1969), Helmut Kohl(1969 -1976), Bernhard Vogel(1976-1988). Auch andere einflussreiche Christdemokraten stammten aus der Pfalz, zum Beispiel der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, Roman Herzog, der spätere Bundespräsident, gehörte dem Kabinett von Kohl in Mainz an. Der gerade verstorbene Klaus Töpfer war Staatssekretär im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Umwelt in Mainz und später Minister des genannten Ressorts in der Regierung von Bernhard Vogel.

Die Wahl des neuen Ministerpräsidenten findet am 10. Juli statt. Alexander Schweitzer ist der Kandidat der Partei, er war Fraktionschef der SPD im Landtag in Mainz, mehrere Jahre Minister, gehört dem Landesvorstand der SPD an. Der 50jährige Jurist und Vater von drei Kindern, ein Pfälzer aus dem Wahlkreis Südliche Weinstraße, ist seit 1989 Mitglied der SPD. Ein Mann der Basis. Er kennt die Leut und ihre Sorgen, er könnte für Ruhe in der SPD sorgen. Gerade in diesen schwierigen Zeiten nicht unwichtig, da der Bundeskanzler um seine Macht kämpfen muss, da aus der Union erste Forderungen nach Neuwahlen im Bund laut geworden sind, da Olaf Scholz Probleme hat, einen ordnungsgemäßen Haushalt auf die Beine zu stellen, da das Vertrauen in den Kanzler zu schwinden scheint und die SPD in Umfragen in den Keller gestürzt ist.

Alexander Schweitzer, neuer Hoffnungsträger der SPD?

Ob Schweitzer der SPD zu einem neuen Aufschwung verhelfen und für bessere Stimmung sorgen kann? Im September droht der Partei neuer Unmut, wenn in Sachsen, Thüringen und dann in Brandenburg neue Landtage gewählt werden. Es ist mehr als ungewiss, ob es der Partei gelingt, die Staatskanzlei in Brandenburg erneut zu gewinnen. Immerhin stellt die SPD mit Dietmar Woidke den Ministerpräsidenten, Brandenburg ist seit der Wende 1990 einzige SPD-Bastion im Osten. In Sachsen muss die SPD um den Einzug in den Landtag fürchten. Wer weiß, was in Thüringen, der Hochburg der AfD, passiert? Verliert sie Potsdam, bleibt ihr im Osten nur noch Mecklenburg-Vorpommern.

 

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Comments 1

  1. Hans-Christian Hoffmann says:
    1 Jahr ago

    Der Rücktritt von Malu Dreyer ist eine Mahnung an alle amtierenden Politiker, die eigene Wirkungsmacht richtig einzuschätzen und notwendige Konsequenzen zu ziehen. Es war ein Mahnruf an die SPD, zur rechtzeitigen Weichenstellung. Malu Dreyer ist eine sehr kluge Frau, die ihren eigenen Rückzug aus der ersten Reihe sicher genau geplant und dabei nicht nur landespolitische Botschaften senden will. SPD, hört die Signale!

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