Es ist ja zur Mode geworden, die Ampel-Koalition zu kritisieren, den langweiligen Kanzler, den Unterhaltungskünstler Robert Habeck und den eitlen Christian Lindner. Es ist das tägliche Sich-Abarbeiten an einer Koalition, die viele Medien nicht wollten, weil sie auf Schwarz-Grün oder noch lieber auf Grün-Schwarz gesetzt hatten. Es ist aber auch wahr, dass diese Koalition, deren Mitglieder sich eigentlich nicht mögen und deshalb einer wie Lindner zum Beispiel sich in der Rolle des Oppositionsführers in der Regierung gefällt, fast alles dafür tut, dass die Erfolge ihrer Arbeit kaum Beachtung finden. Weil sie, kaum, dass sie sich über etwas verständigt haben, anschließend sich wieder öffentlich in die Wolle kriegen. Eine Einheit ist diese Allianz nicht. Soviel dazu.
Nicht vergessen will ich aber trotz all des Trubels vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause, was mich letzte Woche auf die Palme gebracht hat. Es war Maybrit Illner, die Dauer-Moderatorin des ZDF. Nicht weil sie wie gewohnt ihre Gesprächspartner nicht ausreden ließ, um ihnen ins Wort zu fallen, weil sie ohnehin alles besser weiß. Nein, Frau Illner führte ein Interview mit CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, das die CSU-Oberen und Dobrindt selbst gefreut haben dürften. Selten wurde ein Politiker so weich behandelt und ihm die Gelegenheit gegeben, den politischen Gegner zu attackieren. Und das an einem Tag, als der größte aktuelle politische Skandal der letzten Jahre durch einen Schiedsspruch zu einem unrühmlichen Ende kam: die Autobahn-Maut, von der CSU erfunden, gegen jeden juristischen Rat auf die politische Ebene gehoben, ein Debakel für die bayerische Union, für den damaligen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und für den Amtsvorgänger Scheuers, Alexander Dobrindt und den einstigen CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer.
Das Prestigeobjekt der CSU scheiterte vor dem Europäischen Gerichtshof und kostet die Steuerzahler den sagenhaften Preis von 243 Millionen Euro, also eine Viertel-Milliarde Euro. Das alles war bekannt, als Herr Dobrindt am letzten Donnerstagabend Platz nahm am Tisch von Frau Illner. Und der interessierte Fernsehzuschauer setzte sich vors Gerät und erwartete die Fragen der Journalistin an den CSU-Mann. Denn der war ja von Anfang damit befasst, quasi in der ersten Reihe hatte er mitgewirkt. Und könnte doch jetzt als einflussreicher CSU-Landesgruppenchef dazu Stellung nehmen. Wenn er dazu gefragt würde. Wenn, ja wenn..
Aber Maybrit Illner dachte gar nicht daran, sie hatte ein anderes Thema im Kopf, die Ampel, die ja seit Tagen und Wochen und Monaten im Krisenmodus ist, Heizung war und ist ihr Problem, der Haushalt mit all den Schulden. Und dazu, dass das Bundesverfassungsgericht auf Antrag des Berliner CDU-Abgeordneten Thomas Heilmann die Verabschiedung des Heizungsgesetzes, was am Freitag geplant war, gestoppt hat. Heilmann fühlte sich zu sehr zur Eile gedrängt, mahnte Beratungsbedarf an und Karlsruhe tat ihm den Gefallen. Ein Spruch, der die Rechte des Parlaments stärken soll, inhaltlich wird er nichts verändern. Eigentlich ein Knaller für eine Fernsehrunde, wenn man einen führenden CSU-Mann wie Dobrindt dabei hat. Die Arroganz der CSU bei der Maut und die Arroganz der Macht der Ampel könnte man miteinander verbinden.
Aber Maybrit Illner freute sich sehr auf ihren bayerischen Gast und der freute sich auch, zumal die Moderatorin ihn behandelte, als wäre er der Kaiser von China. „Wie finden Sie das?“ begann sie ihren Frage-Kanon und wollte von einem Oppositionellen doch tatsächlich wissen, wie er denn die Arbeit der Ampel-Koalition bewertete. Diese Frage hatte ich als Fernseh-Zuschauer nicht erwartet, sie ist ja auch eigentlich lächerlich. Frau Illner könnte die Antwort selber geben, dazu brauchte sie doch Herrn Dobrindt nichts ins Studio einzuladen. Und prompt kam die sensationelle Bewertung aus dem Mund des Christsozialen: die Arbeit der Ampel sei gar nicht gut. Und natürlich nutzte Dobrindt die Gelegenheit, um aus dem Urteil aus Karlsruhe eine Klatsche für die Ampel zu formulieren, die verdiente Quittung für den miserablen und selbstherrlichen Politikstil. Und das, nur das spielte der AfD in die Hände. Also, füge ich für mich hinzu, ist die Ampel, ist Scholz, ist Habeck, ist Lindner Schuld am Umfragehoch der Rechtsradikalen. Und nicht die Union.
Wo war das Thema Maut? Das Versagen der CSU, das von Dobrindt, Seehofer, Scheuer. Und hatten nicht die diversen CDU-geführten Bundesregierungen unter der Kanzlerin Angela Merkel(CDU) vieles versäumt, was die Ampel-Regierung jetzt nachholen muss? Wo blieb die Frage nach der Attacke von CSU-Chef Markus Söder gegen die Grünen, sein Versprechen, dass er weiter mit den Freien Wählern regieren wolle? Wie war das mit dem stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger kürzlich bei einer Protest-Kundgebung in Erding? Dort hatte Aiwanger gesagt, mehr gedröhnt, es sei der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss. Warum fragte Illner nicht danach, was Sprache der AfD ist und viele Demokraten empört hat, weil es unsäglich ist, unerträglich, wie später Münchens OB Reiter urteilte? Sie fragte auch nicht nach Friedrich Merz, für den die Grünen der eigentliche Gegner der Union sind. Und dies, obwohl diese Grünen mit der CDU in NRW regieren, in Hessen, in Schleswig-Holstein und in Baden-Württemberg, wenngleich hier unter Grünen-Führung? Merz erhielt Widerspruch von den CDU-Ministerpräsidenten.
Nichts davon bei Frau Illner, auch die Grünen-Chefin Ricarda Lang fiel Dobrindt oder Illner nicht ins Wort. Und Illner setzte ihren Fernseh-Kurs gegen die Ampel fort mit einem Einspieler, der den Eindruck erweckte, als sollte Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern klargemacht werden, dass Deutschland kurz vor dem Zusammenbruch steht. Bei aller berechtigten Kritik an der Politik der Ampel ist das doch mindestens überzogen. Deutschland vor dem Abgrund, das ist Wahlkampf-Getöse aus der CSU frei nach Strauß. Das war so übertrieben dargestellt, dass die Ökonomin Ulrike Malmendier(49), immerhin Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Republik, dagegen hielt und darauf hinwies, dass es Deutschland bei allen Problemen immer noch vergleichsweise gutgehe.
Kein Wort über die Maut. Über das Debakel, das wir alle ausbaden müssen, über das Geld, das jetzt an anderer Stelle fehlen wird. Der SZ-Kollege Marc Beise gab in seiner Kritik der ZDF-Sendung in der „Süddeutschen Zeitung“ den feinen Titel: „Dobrindt im Wellness-Paradies“. Beise beschrieb -als Spekulation-, was er sich bei der Sendung vorgestellt hatte. Dass nämlich keiner aus der Opposition in Illners Sendung kommen wollte, weil alle schon in Urlaub waren. Und Dobrindt war bereit zu kommen, wenn alle versprächen, kein Wort über die Maut zu verlieren. Reine Spekulation. Ich dachte mir während der Sendung, diesen ZDF-Beitrag müsste eigentlich die CSU bezahlen. Wäre doch ein guter Einspieler im laufenden Wahlkampf. Wie gesagt, was einem so einfällt vor dem Fernseher.
wusste auch nicht was mit ihr an diesem Abend los war und Dobrindt lächelte wie der reinste Engel. Habe erst bei Lanz wieder ZDF gesehen. Habe irgendwie an ihren sozialen Hintergrund gedacht. Sorry, das war es für mich.