Das alte Bild aus den 50er Jahren ist wieder da: Der Russe steht vor der Tür, zwar nicht wie einst, als Deutschland geteilt war, es die Mauer gab und Berlin-gemeint Ost-, Hauptstadt der DDR war. Aber Russlands Präsident Wladimir Putin hat dem übrigen Europa den Frieden aufgekündigt und die Ukraine überfallen. Die Angst geht um, das größte Land der Welt werde die Ukraine in einem zermürbenden Krieg erobern, um anschließend sich zumindest Teile des Baltikums zurückzuholen, was ein Angriff auf ein Nato-Land wäre. Ähnliches befürchtet Polen. Dann griffe, eigentlich muss man hier einschieben, Artikel 5 der Nato, die dann als Verteidigungsgemeinschaft dem angegriffenen Staat zu Hilfe kommen müsste, also auch Deutschland. Man kann dieses Szenario weiter spielen, niemand weiß, ob es dazu kommt, ob Putin wirklich die alte Sowjetunion zurückhaben möchte. Aber man weiß, dass er das Land umgestellt hat auf Kriegswirtschaft, unüberhörbar sind ja auch die drohenden und dröhnenden Töne eines Medwedew Richtung Berlin. Was immer das bedeuten mag, eines aber weiß man: Deutschland wäre dazu nicht gerüstet, zu wenige Soldaten, fehlendes und auch mangelhaftes Kriegsgerät. Es soll, ja es muss aufgerüstet werden, damit Deutschland wieder „kriegstüchtig“ werde, so hat es Verteidigungsminister Boris Pistorius(SPD) formuliert und damit eine Debatte losgetreten: Schließlich war die Bundeswehr immer eine Verteidigungsarmee, die niemanden angreift, die aber bereit sein muss im Fall eines militärischen Angriffs von außen.
Die Bundeswehr, so hat es der Wehrminister gesagt, benötige rund 50000 bis 60000 zusätzliche Soldatinnen und Soldaten. Das ist die Konsequenz für Deutschland aus dem jüngsten Nato-Aufrüstungsbeschluss, der gefasst wurde wegen der Bedrohung des Westens durch Russland. Es wird das größte Aufrüstungsprogramm des westlichen Bündnisses seit dem Ende des Kalten Krieges. Vorbei die Zeit, da ein Verteidigungsminister Volker Rühe(CDU) und ein Bundespräsident Johannes Rau(SPD) davon sprachen, wir seien von Freunden umzingelt. So war das nach 1990, der Warschauer Pakt war bald Geschichte wie der Eiserne Vorhang, man träumte von einem Europa von der Normandie bis Wladiwostok, russische Herrscher baten um ein Zimmer im europäischen Haus. Aber lassen wir das, es wird aus heutiger Sicht als Träumerei ausgelegt, wir profitierten vom billigen russischen Gas und übersahen dabei, dass Putin in den tschetschenischen Kriegen seine angebliche Friedfertigkeit über Bord fallen und so ganz nebenbei die Hauptstadt Grosny dem Erdboden gleichmachen ließ. Sie ist aber längst wieder aufgebaut. Eine WDR-Kollegin, die lange in Moskau gearbeitet hatte, hielt uns Jahre später in einem Artikel in der SZ den Spiegel vor. Wie Recht Sonia Miekisch hatte.
Der Ernst der Lage
Zurück zu Pistorius. Der Minister, in allen Meinungsumfragen seit Jahren der beliebteste Politiker im Lande, stellte infrage, ob der geplante neue freiwillige Wehrdienst ausreiche, um die zusätzlichen Soldatinnen und Soldaten zu gewinnen. Zu der von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder geforderten Wiedereinführung der Wehrpflicht meinte Pistorius: „Uns nützt eine Wehrpflicht jetzt gar nichts, weil wir weder die Kapazität in den Kasernen noch in der Ausbildung haben.“ Bereits heute, so Pistorius, fehle es der Bundeswehr an Personal, so werde das aktuelle Ziel von 203000 aktiven Soldaten nicht erreicht, vielmehr sei die Zahl über Jahre auf den Tiefstand zum Jahreswechsel auf 181.150. gesunken. Dass es beim Ausbau der Bundeswehr nicht nur ums Personal gehe angesichts der neuen internationalen militärischen Bedrohungslage, räumte der Minister auch ein und nannte als Beispiele die Ausstattung und Verbesserung der Luftverteidigung und der U-Boot-Abwehr. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst Andre Wüstner, brachte eine neue Form der Wehrpflicht ins Spiel. Auch für den Minister ist das Thema nicht erledigt.
Es ist nicht einfach, den Menschen in der Republik den Ernst der Lage entsprechend zu erklären. Ich kann mich an Debatten im privaten Kreis erinnern, als eine gebildete, erfahrene Frau, Architektin auf die Frage lieber rot als tot betonte: „Dann lieber rot.“ Unter Putin? Ohne Presse- und Meinungsfreiheit, in einer Diktator? „Bloß keinen Krieg“, sagte später eine andere Zeitgenossin. Ich weiß nicht, wie die Mehrheit der Bundesbürger die Frage Ja oder Nein zur Wehrpflicht sieht. Aufgefallen ist mir aber, dass in Medien bevorzugt die Meinungen gefragt sind von jungen Männern, die nicht bereit sind, das Land zu verteidigen. Zuerst durfte de junge Mann seine Abneigung im Fernsehen verkünden, Tage später dann in angesehenen Zeitungen. Er trat selbstbewusst auf, gerade so, als sei es etwas Besonderes, öffentlich den möglichen Waffen-Dienst für sein Land zu verweigern. Ich räume ein, mich hat das gestört. Denn diese Bundesrepublik ist es doch Wert, dass man sie verteidigt gegen die Feinde, man mag manche Kritik an dem einen oder anderen Zu- oder Missstand üben, aber insgesamt ist es doch ein schönes Land, in dem zu leben es sich lohnt. Ja, es gibt Arbeitslosigkeit, aber wir haben ein soziales Netz, das jeden auffängt, niemand rutscht bis in den Abgrund, wir haben Wohlstand, eine breite Mittelschicht, viel zu viele zu Reiche, auch das stimmt, manches ist ungerecht, aber im Ganzen lebt es sich gut. Ich möchte nicht tauschen.
Die Wehrpflicht ist nur ausgesetzt, von der Regierung Merkel, sie kann jederzeit wieder aktiviert werden. Durch einen Beschluss des Bundestages mit einfacher Mehrheit. Realistisch ist das nicht, weil jetzt die Infrastruktur fehlt. Die Kasernen gibt es nicht mehr, es fehlen auch die Kreiswehr-Ersatzämter, es fehlen die Unteroffiziere, die die gemeinen Soldaten ausbilden. Wir müssten zudem Klarheit schaffen, ob wir auch Frauen als Soldatinnen ausbilden wollen. In anderen Ländern ist das die Regel. Bei uns müsste dafür das Grundgesetz geändert werden, dazu bedarf es eines Bundestags-Beschlusses mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Wichtiger wäre die gesellschaftspolitische Debatte über die Wehrplicht oder eine Dienstpflicht.
Wehrhaft personell und technisch
Im Kalten Krieg, also auch in der Regierungszeit des SPD-Bundeskanzlers Willy Brandt, immerhin Träger des Friedensnobelpreises, war die Bundesrepublik wehrhaft, personell und technisch auf der Höhe der Zeit. 1969, als Brandt Kanzler wurde, der FDP-Politiker Walter Scheel Außenminister der ersten sozialliberalen Koalition auf Bundesebene, lagen die Verteidigungsausgaben bei 3,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Vor Monaten war das noch ein Problem, aber der alte Bundestag hat ja die Ausgaben-Begrenzungen quasi aufgehoben, sodass die Deutschen den Forderungen von US-Präsident Trump nachkommen können. Kanzler Merz hat dies bei seinem Antrittsbesuch in Washington deutlich gemacht. Wenn also passierte, was der Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr in München, Carlo Masala, in seinem Buch als Planspiel entwirft, dass eben Russland gewinnt und die estnische Grenzstadt Narwa und die estnische Insel Hiiumaa besetzt, dann müsste der Bundestag den Spannungs- und Verteidigungsfall beschließen, wozu eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich wäre. Diese Mehrheit erreichten Merz und Klingbeil nur mit Hilfe der Stimmen aus dem AfD- oder dem Linken-Lager. Keine so gute Vorstellung.
Militärisches ist nun mal hierzulande vielfach negativ besetzt. Die Weltkriege wirken immer noch nach, vor allem auch die Hitler-Jahre, die Vernichtungskriege der Nazis gegen die Sowjetunion. Ich habe nicht gedient, aber nicht, weil ich mich gedrückt hätte oder untauglich gewesen wäre, ich fiel durch den Rost. So etwas gab es damals in den 60er Jahren. Aber ich kenne die Erzählungen der Freunde aus den Kasernen, über Langeweile, die Sauferei, aber ich habe auch Freunde, die sich länger verpflichteten, dann auf Kosten der Bundeswehr studierten, promoviert wurden, Professor an der Uni München wurden. Kein schlechter Werdegang. Andere gingen in die Pflege, ich hörte von Meisterprüfungen, von Männern, die ihren LKW-Führerschein ablegten. Und anderes mehr.
Niemand weiß, ob Putin entschlossen ist, Mitteleuropa in den nächsten Jahren anzugreifen. Richtig und wichtig bleibt, nicht nur die militärische Komponente zu bespielen, sondern im Gespräch mit Russen zu bleiben, was zu tun ist, um dem Frieden zu dienen, um einen Waffenstillstand in der Ukraine zu erreichen. Damit das Töten endet, das Zerstören, damit geredet wird, egal, wie schwer das fällt. Dass es ein Treffen in Baku gab von CDU- und SPD-Politikern mit Russen, ist zu begrüßen. Ob es was gebracht hat, weiß niemand, falsch war es jedenfalls nicht. Auch wenn Putin der Kriegstreiber ist, der verhaftet werden soll, sollte er europäischen Boden betreten, wird man mit dem Präsidenten irgendwann reden müssen. Friedrich Merz wird das überlegen müssen. Mit wem sonst? Putin ist dort Präsident. Nur mit ihm wird man- wenn überhaupt- über Frieden sprechen können, ausloten, was er will.
Attraktives Angebot
Im regionalen Teil der „Süddeutschen Zeitung“ las ich gerade ein Interview, das die SZ mit dem Vorsitzenden der Katholischen Landjugend in Bayern, Franz Wacker, und dem bayerischen Juso-Chef Benedict Lang geführt hat. Wacker ist 25 Jahre alt, Lang 30. Beide also in einem Alter, indem sie im Falle der Wehrpflicht einrücken müssten. Ihre Meinung zur Wehrpflicht ist relevanter als die von Joschka Fischer, der 77 Jahre alt ist und heute sagt, es sei damals ein Fehler gewesen, dass er gegen die Wehrpflicht gewesen sei. Der einstige Grünen-Chef und Außenminister im Kabinett von SPD-Kanzler Gerhard Schröder, hält heute die Wehrpflicht für unabdingbar. Das sehen die Herren Wacker und Lang anders. Lang betont in dem Gespräch, dass die Jusos „eine Wehrpflicht ablehnen“. Franz Wacker meint, die Diskussion über die Wehrpflicht sei „irreführend, weil es aktuell gar keine Kapazitäten dafür gibt.“ Es gehe darum, „das Angebot attraktiv genug zu machen, etwa durch eine richtige Vergütung und gute Bedingungen. So wie am Arbeitsmarkt.“ Am Ende des Tages sei es nichts anderes, „als wenn ich zum Zivildienst gehe und beim Bayerischen Roten Kreuz meinen Sanitäter-Lehrgang absolviere.“ Also „ein Dienst für die Gesellschaft, der auf Freiwilligkeit und Motivation beruht.“
Dem widerspricht der Jungsozialist Benedict Lang. „Der Dienst bei der Bundeswehr ist keine Tätigkeit wie jede andere. Am Ende läuft es auf die Frage hinaus: Bin ich im Ernstfall bereit, für das Land, in dem ich lebe, auf andere Menschen zu schießen? Bin ich im Zweifel bereit, mein Leben zu riskieren? Deshalb muss man genau hinschauen, was da passiert. Die Art und Weise, wie jetzt versucht wird, junge Menschen für die Bundeswehr zu gewinnen, finde ich problematisch: Da fangen Influencer an, Gamer zu rekrutieren, die Bundeswehr macht fancy Werbung auf Insta und Tiktok. Ich finde, dass die Bundeswehr auch in Schulen nichts verloren hat.“
Die Bundeswehr, so der Plan, will 5000 Wehrdienstleistende pro Jahr gewinnen, so das Konzept aus 2024, in Deutschland werden jedes Jahr rund 700000 Menschen 18. Es müssten also, so hat es Franz Wacker errechnet, „nur 0,71 Prozent bereit sein, zur Bundeswehr zu gehen.“ Wacker empfiehlt der Bundeswehr, die jungen Menschen besser direkt anzusprechen und ihnen ein klares Angebot zu machen. „Hast Du Lust oder hast Du keine Lust?“ Dabei sollten die zivilgesellschaftlichen Möglichkeiten angesprochen werden.
Benedict Lang gibt dann zu bedenken, dass, wenn Deutschland aufrüste, auch andere Länder aufrüsteten, alle wollten Stärke zeigen, das schaukele sich hoch. Und Lang warnt dann vor der „zunehmenden Militarisierung der Sprache und der Gesellschaft“, was sich in der Debatte um Leopard 2 und Taurus gezeigt habe. „Menschen, die einen breiteren Begriff von Sicherheit haben und über internationale Zusammenarbeit sprechen wollen, werden als naiv dargestellt. Das macht mir Sorgen.“ Lang plädiert für eine Strategie der internationalen Kooperation, um kriegerische Auseinandersetzungen zu vermeiden. „Das hat viele Ebenen, es fängt beim Jugendaustausch an und geht weiter mit Handelsbeziehungen, Diplomatie und politischer Zusammenarbeit.“ Und das Militär sei ein Teil des Sicherheitsbegriffs. Was nicht bedeute, dass man heute hingehe, und sage, heute ist der richtige Zeitpunkt, um alle Waffen abzubauen. Auch die Jusos forderten gute Arbeitsbedingungen für Soldatinnen und Soldaten. „Aber die Frage ist doch, wie schaffen wir international Abrüstung statt Aufrüstung.“ Übrigens lehnt auch Wacker eine Wehrpflicht ab.
Eine starke Armee
Die Bundeswehr wird aufgerüstet, weil wir eine starke Armee brauchen. Das ist wohl unumstritten. Nicht, weil sie Krieg mit Russland führen will. Insofern ist das russische Trauma aus der Geschichte- Überfall durch Napoleon, Überfall durch Hitler- nun wirklich nicht realistisch- in unserer -Sicht, es kann sein, dass Putin das anders sieht. Die größte Sicherheit ist immer die des anderen. So ähnlich hat es Willy Brandt mal ausgedrückt, Gorbatschow bat einst um mehr Verständnis für Russland, darum, sich bitte mal in die Sicht Moskaus zu versetzen. Das hat jetzt mit Putin-Verstehen nichts zu tun. Zurück zur Rolle der Bundeswehr, ob mit oder ohne Wehrpflicht: Die Aufrüstung muss sein, weil es besser ist, eine starke Armee zu haben, die am Ende für den Krieg nicht gebraucht wird, weil der Gegner den Krieg auch nicht will, als eine Armee, die zu schwach ist und deshalb nicht zu gebrauchen. Wie die heutige Bundeswehr.
Trotz allem geht es auch um Anerkennung, um Macht, um die eigenen Interessen. Ob es dabei eine Rolle spielt aus russischer Sicht, dem Westen die Stirn zu bieten(Zitat von Wolfgang Ischinger in der SZ) oder einfach nur darum, dem anderen die eigene Stärke zu zeigen, aus historischem Stolz, oder weil man als Weltmacht anerkannt werden will und nicht von einem US-Präsidenten wie Obama als Regionalmacht lächerlich gemacht werden will, das ist die Frage.
Zurück zur Bundeswehr: Ich bin für die Wiedereinführung der Wehrpflicht, auch wenn es lang dauert und kostet und hoffentlich nicht die Frauen und Männer in Kriege führt, sondern diese verhindert. Und natürlich gehört der Zivildienst auch dazu. Auch wenn es altmodisch klingt: Wehr- und Zivildienst waren einst prägend und sinnstiftend für alle, die Gesellschaft profitierte davon. Noch ein Wort von Joschka Fischer zur Wehrpflicht: „Für die eigene Freiheit muss man einstehen und wenn es darauf ankommt, auch kämpfen.“ Wenn man ausschließen wolle, dass es zu einer bewaffneten Konfrontation komme, „müssen wir alles tun, um Europa mit militärischer Macht auszustatten.“
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10.06.2025
OB ROT ODER TOT/ WOLLT IHR DEN TOTALEN KRIEG
Eigentlich sollten moderne Gesellschaften Altes überwunden haben und Neues aufbauen um der Entwicklung
gerecht zu werden. Der gesamte Westen handelt jedoch gerade entgegengesetzt, indem Kriegsmuster aus nach 1933 übernommen und die unwissenden Menschen für einen Krieg vorbereitet werden. Das ist Irrsinn und zeugt leider von unfähigen Politikern. Die Losung der Zeit heißt: Tot allen Farben aber alles für den Weltfrieden!