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Streit, Streit, Streit: Koalition der Zwietracht

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
25. August 2025
Boxendes Känguru mit am Boden liegenden Boxer

Als Merz und Klingbeil sich auf eine Koalition im Bund verständigten, meinten wir, meinten alle, die es gut mit der Demokratie im Lande meinten: Sie sind zum Erfolg verdammt. Nach dem Ampel-Frust der Parteien SPD, Grüne und FDP und dem vorzeitigen Scheitern der Regierung Scholz hatten wir uns gewünscht, dass die beteiligten Damen und Herren in Berlin Lehren aus dem Ampel-Bruch ziehen würden. Die letzte Chance für Demokraten, schrieb mancher Leitartikler und malte schon mal die blaue, gemeint braune Gefahr an die Wand, will sagen: Wenn Ihr euch jetzt nicht zusammen reißt, macht ihr den Weg frei für die rechtsextreme AfD, für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, für das neue Bio-Deutschland, für Ausländer raus oder feiner: Remigration von Millionen Deutschen mit Migrationshintergrund.

Doch sie haben nichts dazu gelernt, die Merz und Klingbeils, sie streiten und streiten und gönnen sich nicht die Butter aufs Brot. Sie reden nicht mal miteinander, sondern nur übereinander. Wie damals im Wahlkampf, da fetzten sie sich wie die Kesselflicker.  So treiben sie es weiter. Kein Tag vergeht, kein Wochenende ohne Interview-Zoff. Stets zeigt der eine von der CDU und der CSU auf den anderen von der SPD. Du bist schuld! Nein, Du bist schuld. Fehlt nur noch der Hinweis aus Bayern, aber der wird irgendwann kommen von der Söder-Partei: Ihr in Berlin, gemeint die im Willy-Brandt-Haus, könnt es nicht, ihr konntet noch nie regieren. Klar, hatte doch derselbe Söder gleich nach der Amtsübernahme damals durch Olaf Scholz die Parole ausgegeben: Die schlechteste Regierung, die es je gab in Deutschland. Und einer we Dobrindt, jetzt der Bundesinnenminister, hatte noch die Parole ausgegeben: Man werde durch besseres Regieren die AfD kleiner machen, Merz wollte sie gar halbieren. Das Ergebnis ist bekannt: die AfD liegt fast gleichauf mit der CDU.

Gerade hatten wir die 100-Tage-Frist gemeistert, pardon, irgendwie abgearbeitet, es gab den einen oder anderen Zuspruch. Friedrich Merz, hieß es, habe als Kanzler der Außenpolitik einen guten Start hingelegt, jetzt müsse er nur noch die dicken Brocken der Innenpolitik schaffen, Sozial-Reformen, eine Migrationspolitik, die den Namen verdient, eine Wirtschaftspolitik, die endlich den Motor anspringen lässt und den Weg raus der Rezession weist. Man hatte sich einiges von Merz versprochen, der CDU-Chef gilt ja als Wirtschafts-Experte. Bitte jetzt nicht schimpfen, ich zitierte andere Experten. Und Merz war ja all die letzten Monate so aufgetreten, dass er der verhinderte Kanzler sei. Man müsse ihn nur mal ins Amt wählen, dann werde er allen zeigen, wie es geht. Und? Wie geht es? Nicht besser als unter Scholz, oder? Ach ja, der CDU-Chef kommuniziere besser als der abgewählte Scholz, der ja immer nur schwieg, wenn man von ihm erwartete oder erhoffte, er werde uns mal seine Politik erklären. Das behielt der gute Olaf aber meist für sich, dabei behaupten heute noch Freunde des Hamburgers, der in Potsdam lebt: Der Olaf wusste es eigentlich besser. Als wer? fragte ich zurück. Aber lassen wir das. Gerade höre ich, dass Klingbeil in der Ukraine ist. Was will er da? Er hat doch zu Hause genug zu tun.

Vorbehalte gegen Merz

Friedrich Merz habe keine Regierungserfahrung, er war vorher nie Minister, geschweige denn Ministerpräsident oder Kanzler. Das waren die Vorbehalte gegen ihn. Jahre war er außerhalb der Politik in der Wirtschaft erfolgreich tätig, sagen seine Freunde, gemeint, er habe viel Geld verdient. Es sei ihm gegönnt. Und Lars Klingbeil? Er war SPD-Chef, als Scholz kurz regierte, früher saß er im Büro von Gerhard Schröder. Ob er von ihm gelernt hat? Schröder wusste, was er wollte: Ich wollte da rein,  also rüttelte der am Tor des Kanzleramtes, jeder kennt die Geschichte des Sozialdemokraten, seinen Weg ins höchste Regierungsamt: Oppositionschef, dann Ministerpräsident von Niedersachsen, Bundeskanzler als Nachfolger des Dauer-Regenten Helmut Kohl. Hätte Schröder die Zeit nach seiner Kanzlerschaft besser genutzt, hätte er sich von Putin klar distanziert, als dieser die Ukraine überfallen hatte, würde man heute noch seine Leistungen als Kanzler würdigen. Da ist zu nennen sein Nein zum Irak-Krieg, den der damalige US-Präsident George W. Bush vom Zaun brach, ein Nein, das gar nicht hoch genug gewürdigt werden kann. Da ist die Agenda 2010, umstritten in der SPD-Wählerschaft, bejubelt in der Wirtschaft. Der SPD liefen die Mitglieder weg, die Kanzlerin Merkel lebte von den Reformen, die u.a. die Massen-Arbeitslosigkeit senkte.

Klingbeil hätte von Schröder lernen können, wie der mit Joschka Fischer von den Grünen zusammen regierte. Zusammen, gemeinsam. Da war die Sache mit dem Koch und dem Kellner, Schröder war Chef, aber er ließ Fischer mitregieren, den Außenminister. Koalition heißt, miteinander zu regieren und nicht übereinander schlecht zu reden und nur noch zu streiten. Wo ist das Gemeinsame bei dieser Regierung Merz/Klingbeil? Da fällt mir kaum etwas ein. Gerade ließ Friedrich Merz seine eigene Partei, die CDU, aber auch die SPD wissen, sie sollten mehr miteinander reden, statt übereinander. Gut gebrüllt, Löwe. Denn selbst in der noch laufenden parlamentarischen Sommerpause schenken sich die sogenannten Regierungspartner nichts. Sie streiten sich, als wären sie im Wahlkampf. Dabei wissen sie, wenn sie scheitern, könnte das die AfD in eine Regierung spülen, dann wäre die Alternative für Deutschland da, wo die Rechten hinwollen: Ins Kanzleramt, um Deutschland zu verändern, die Demokratie zu zerstören, die Remigration einzuleiten, Freiheitsrechte zu schleifen. Das wäre dann die Alternative zur demokratischen Regierung aus CDU/CSU und SPD. Eine Katastrophe für Deutschland und erst recht für Europa, wo die Rechten ohnehin auf dem Vormarsch sind.

Was soll erst werden, wenn der politische Betrieb nach den Sommerferien wieder Vollgas gibt!? Wenn die schweren Brocken aus dem Weg zu räumen sind, Reformen bei der Altersversorgung, der Pflege, der Krankenversicherung, wenn endlich die Bremsen gelockert werden sollen, um die marode Infrastruktur anzupacken, die Bahn, die Straßen, die Schulen, wenn der Wohnungsbau seinem Wortsinn gerecht werden soll, wenn die Klimakatastrophe noch abgewendet werden soll. Sie müssen es doch gemeinsam packen, einer allein schafft es nicht. Und durch Streit kommt man nicht weiter, nur ins Fernsehen oder in die Schlagzeile der Bildzeitung.

Wenn Merz laut sagt, er mache es der SPD „bewusst nicht leicht“, kann er den Beifall mancher CDU-Mitglieder jetzt beim Landesparteitag in Niedersachsen einheimsen, aber bitte schön, wem hilft so was? Merz? Dass Klingbeil dem CDU-Chef und Kanzler hinrieb, die Fantasie der Union beschränke sich auf Leistungskürzungen, kann man fast verstehen, aber Punkte macht er damit nicht. Und die Sympathiewerte seiner SPD wird er damit in Umfragen nicht verbessern helfen. Jeder gegen jeden, so kann man nicht regieren. Da ist kein Aufbruch zu spüren, von Euphorie will ich gar nicht erst reden.

Denken in 100 Prozent ist falsch

Die Union will eine umfassende Reform der Sozialsysteme, weiß aber, dass dies in dieser Regierung nicht möglich sein wird. Ohnehin ist ein Denken in 100 Prozent, wenn man in einer Koalition den Partner für eine Mehrheit braucht, überflüssig, falsch, weil nicht machbar. Die SPD will ihrerseits die Milliardenlöcher im Haushalt durch eine Steuer für Reiche stopfen, sie plädiert für die Aktivierung der Vermögensteuer, die übrigens im Grundgesetz steht. Sie will die starken Schultern mehr belasten. Da kann man sich manches vorstellen, aber die SPD hat nun mal keine Mehrheit, mit ihren bescheidenen 16 Prozent bei der letzten Wahl muss sie froh sein, dass sie überhaupt mitregieren darf. Ja, so ist das.  Die SPD als Partei der Schwachen, die CDU als Vertreterin der wirtschaftlichen Vernunft. Was soll angesichts dieser Ausgangslage aus dem Bürgergeld werden, aus der Rente? Das Problem muss gelöst werden, aber wie, wer gibt nach, dass am Ende etwas herauskommt, was Union und SPD das Gesicht wahren lässt. Eine Lösung, die nicht sofort wieder den Wahlkampf zwischen Christ- und Sozialdemokraten ausbrechen lässt. Dann lachen sich die Rechtsdraußen ins Fäustchen.

Nein, der Herr Bundeskanzler mit Zweitwohnsitz am feinen Tegernsee ist noch nicht angekommen in seinem Amt, sonst hätte er auf die Belehrung der ältesten deutschen Partei verzichtet: wenn die SPD, so belehrte er sie, „migrationskritisch“ und „industriefreundlich“ werde, habe sie die Chance, „in der Regierung Tritt zu fassen“. Da war der alte Friedrich Merz, der von oben herab aus zwei Metern Lebenshöhe grüßen lässt. Herr Merz, haben Sie vergessen, dass sie bei der Wahl des Bundeskanzlers in die zweite Runde mussten? Ich weiß nicht, wer Ihnen die Stimme verweigerte, es können Abgeordneter aus der CDU, der CSU, aber auch der SPD gewesen sein. Und es könnten sich durchaus in der Legislaturperiode Risiken ergeben, bei denen ein Friedrich Merz auf alle Stimmen seiner Koalition angewiesen sein wird. Eines kann ich Ihnen jetzt schon versichern: die SPD wird nicht um jeden Preis Ihrer Politik zustimmen. Sie ist, wie der SZ-Kommentator richtig bemerkte, eine „stolze Partei“ mit einer bewegten Geschichte. Er sollte sie nicht weiter provozieren, sonst geht der Schuss nach hinten los.

Eine politische Koalition ist nie eine Verbindung aus Liebe, wie man irgendwann immer wieder lesen und hören kann. Es ist ein Kompromiss auf Zeit. Die Partner müssen wissen, was sie einander zumuten können, damit daraus ein Erfolg wird für das ganze Land. Ein Kompromiss, indem sich die Mitglieder ihrer Parteien wiederfinden können und wenn sie Glück haben, auch die anderer demokratischen Parteien. Denn darum geht: Um die Demokratie in Deutschland und zu der gibt es keine Alternative.

 

Bildquelle: Pixabay

 

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